München

Koloman Moser: Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hoffmann

Koloman Moser: Paravent, 1906, Ausführung: Karl Beitel, Therese Trethan, © MAK/Georg Mayer. Fotoquelle: Villa Stuck, München
Der Tausendkünstler: Koloman Moser war eine Zentralfigur der Wiener Moderne um 1900. Er gestaltete buchstäblich alles; seine geometrischen Entwürfe nahmen viel vom Bauhaus-Design vorweg. Das zeigt eine opulente Retrospektive in der Villa Stuck.

Ein unbekannter Bekannter: Arbeiten von Koloman Moser (1868-1918) dürfte jeder schon einmal gesehen haben, der je ein Kunstgewerbemuseum betreten hat. Kein solches Museum kommt an der Präsentation von Erzeugnissen aus der „Wiener Werkstätte“ vorbei, die Moser 1903 mitgründete und -leitete. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung stand er stets etwas im Schatten von anderen Koryphäen der Epoche wie seinem Kollegen Josef Hoffmann, dem Maler Gustav Klimt oder dem Architekten Otto Wagner – obwohl er mit allen drei eng kooperiert hat.

 

Info

 

Koloman Moser: Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hoffmann

 

23.05.2019 - 15.09.2019

täglich außer montags

11 bis 18 Uhr

in der Villa Stuck, Prinzregentenstr. 60, München

 

Katalog 44,95 €

 

Weitere Informationen

 

Vielleicht liegt das an Mosers frühem Tod: Er starb mit nur 50 Jahren an Kehlkopfkrebs. Aus Anlass seines 100. Todestags würdigte ihn das Museum für Angewandte Kunst (MAK) mit einer opulenten Gedenkausstellung von rund 600 Exponaten, die bis April in Wien zu sehen war. Dass die Münchener Villa Stuck diese Schau übernommen hat, ist ein Glücksfall: So umfassend und kompetent wird die so genannte „Wiener Moderne“ hierzulande selten vorgestellt.

 

In Eliteschule aufgewachsen

 

Moser war ein zentraler Akteur dieser Explosion von Kreativität um 1900, die sämtliche Künste des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflussen sollte. Dazu befähigte ihn seine Vielseitigkeit, die ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt wurde: Sein Vater Josef war Verwalter im Theresianum, wo er aufwuchs. Die einstige Königsresidenz ließ Maria Theresia in eine 1746 Eliteschule umwandeln; bis heute bildet sie Diplomaten aus. Damals beherbergte der Gebäudekomplex auch viele Werkstätten; in ihnen dürfte der junge Koloman mit diversen Handwerkstechniken und Materialien in Berührung gekommen sein.

Feature zur Ausstellung; @ Villa Stuck, München


 

Schlüsselerlebnis mit Gustav Klimt

 

Auf Wunsch seines Vaters besuchte er die Handelsschule, erhielt aber auch Zeichenunterricht an der Gewerbeschule. 1885 meldete er sich heimlich zur Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie an – und bestand sie. Dem folgte eine ungewöhnlich lange Ausbildung: Mit einjähriger Unterbrechung studierte er bis 1895; erst an der Akademie, anschließend an der Kunstgewerbeschule. Dort wurde er vier Jahre später ins Lehrpersonal aufgenommen.

 

Da hatte sich Koloman Moser längst einen Namen als Künstler und Gestalter gemacht. Sein Schlüsselerlebnis war, als ihm 1895 ein Verleger die Zeichnung „Allegorie der Skulptur“ von Gustav Klimt zeigte; er sei „mit einem Schlag vor etwas ganz Neues gestellt“ worden, bekannte Moser später. Das Blatt ist in der Schau zu sehen – heute wirkt es nicht gerade revolutionär. Doch sein klarer Aufbau von Figur und Ornamentik, die Betonung von Linie und Fläche sowie kühn angeschnittenen Perspektiven war es für Moser wegweisend – ähnlich wie die gleichen Stilmerkmale bei japanischen Farbholzschnitten für viele symbolistische Künstler.

 

Daseins-Veredelung durch Design

 

Ab 1892 gehörte Moser dem Jungkünstler-Bund „Siebener-Club“ an, aus dem fünf Jahre später die „Wiener Secession“ hervorgehen sollte: als Absage an den vorherrschenden Historismus und Naturalismus. 1898 eröffnete die Gruppe ihr eigenes Kunsthaus. Der weiße Kuben-Bau mit einer Kuppel aus vergoldetem Bronze-Blätterwerk, den Josef Maria Olbrich entworfen hatte, war eine Sensation; dazu steuerte Moser Teile des Fassadenschmucks und der Innenausstattung bei. Zudem war er federführend an der Organisation der Ausstellungen beteiligt; sie holten in schneller Folge moderne Künstler nach Wien und präsentierten zugleich das, was seither als „Secessionsstil“ bekannt ist.

 

In den folgenden zehn Jahren legte Moser atemberaubende Produktivität an den Tag. Er entwarf alle möglichen Gebrauchsgegenstände: von Briefköpfen und Vignetten über Gläser und Geschirr, Stoffe und Mode bis zu Teppichen und kompletten Wohnungseinrichtungen – einen „Tausendkünstler“ nannte ihn der Literat Hermann Bahr. Wie etwa zur gleichen Zeit der Belgier Henry van de Velde folgte Moser der Maxime, das Dasein durch schöne Gestaltung noch der kleinsten Dinge veredeln zu wollen: Kunst und Leben als Symbiose.

 

Nur vier Jahre in Wiener Werkstätte

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Wien – Berlin: Kunst zweier Metropolen von Schiele bis Grosz" mit Werken von Koloman Moser in der Berlinischen Galerie, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Gustav Klimt" - einzige deutsche Werkschau zum 100. Todestag im Kunstmuseum Moritzburg, Halle/Saale

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Architekturträume des Jugendstils – Joseph Maria Olbrich" mit Entwürfen des Architekten der Wiener Secession in der Kunstbibliothek, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Leidenschaft, Funktion und Schönheit" - umfassende Retrospektive des Jugendstil-Künstlers Henry van de Velde im Neuen Museum, Weimar.

 

Ein Gesamtkunstwerk ohne Pomp: Von floralen Jugendstil-Formen bewegte sich Moser, wie die übrige Wiener Moderne, rasch hin zu nüchtern geometrischem Design. So hätte etwa sein quadratischer Armlehnsessel aus weißen Holzstäben und geflochtener Schachbrettmuster-Sitzfläche von 1903 auch zwanzig Jahre später am Bauhaus entstehen können. Um solches Kunsthandwerk zu produzieren, gründete Moser im selben Jahr mit Josef Hoffmann und dem Unternehmer Fritz Waerndorfer die „Wiener Werkstätte“.

 

Ihr Signet aus zwei übereinander gelegten „W“ ist weltberühmt, weil die Werkstätte ebenfalls sagenhaft produktiv war. Sie fertigte nach Vorlagen von Moser und Hoffmann allerlei Kunsthandwerk wie Schmuck, Möbel, Lederwaren, Spielzeug und vieles mehr – jedoch teuer und daher nicht profitabel. Im Streit um Geld verließ Moser 1907 die Werkstätte, schloss mit den angewandten Künsten ab und widmete sich nur noch der Malerei. Das konnte er sich finanziell leisten, nachdem er 1905 eine reiche Industriellen-Tochter geheiratet hatte.

 

Allmählich entstehende Moderne

 

Mosers in alle Richtungen ausstrahlendes Gesamtwerk führt die Schau mustergültig vor, inklusive zahlreicher Vorstufen und Entwurfszeichnungen, die sonst nie zu sehen sind. Dabei wird deutlich, dass sein modern anmutendes Design ab 1900 nicht mit der Vergangenheit brach, sondern sich allmählich aus der verschlungenen Linienführung des Jugendstils herausentwickelte. Das zeigen etwa Dekorstoffe mit Schwamm- und Fisch-Motiven von 1898; sie sind abwechslungsreich organisch und zugleich seriell rhythmisiert.

 

Nur die letzten beiden der sechs Ausstellungskapitel geraten weniger anschaulich: Wie eindrucksvoll Mosers Ausstattungen für Theater gewesen sein mögen, lässt sich anhand kleiner Bühnenbild-Zeichnungen kaum nachvollziehen. Und die Auswahl einer Handvoll Gemälde ist schlicht zu schmal, um seine Qualitäten als Maler zu unterstreichen. Doch beide Abschnitte bekräftigen: Koloman Moser war ein Universalkünstler mit unübersehbar vielen Talenten.