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In Mikhaël Hers Filmen ist scheinbar immer Sommer. Freundliche, sympathisch normale Menschen tun sympathisch normale Dinge. Sie arbeiten, reden viel und verlieben sich manchmal. Dann aber passiert das Unerwartete, eine kleine oder große Katastrophe. Die Routine gerät aus dem Tritt. Nun schauen wir dabei zu, wie die Protagonisten eine neue Normalität suchen.
Info
Mein Leben mit Amanda
Regie: Mikhaël Hers,
107 Min., Frankreich 2018;
mit: Vincent Lacoste, Stacy Martin, Isaure Multrier
Terror beim Picknick
Durch seinen Job lernt er die Klavierlehrerin Léna (Stacy Martin) kennen; vielleicht könnten sich die beiden verlieben. Seine ältere Schwester Sandrine (Ophélia Kolb) ist Lehrerin und zieht ihre siebenjährige Tochter Amanda (Isaure Multrier) alleine groß; David unterstützt sie sporadisch. Der Film nimmt sich viel Zeit, die enge Bindung der Geschwister zu beschreiben. Dann geschieht das Unfassbare: Sandrine kommt bei einem Anschlag ums Leben – während eines Picknicks!
Offizieller Filmtrailer OmU
Trauer und Alltag
Wie David und Amanda mit diesem Verlust und ihrer Trauer umgehen, beobachtet der Regisseur mit respektvollem Einfühlungsvermögen, ohne melodramatische oder kitschige Momente. Das gelingt ihm mit schlaglichtartigen, undramatischen Schilderungen der Ereignisse, die auf die Tragödie folgen. Hers vermeidet jede konkrete Verortung, doch Assoziationen zu den Pariser Anschlägen von 2015 stellen sich von allein ein.
Trost finden David und Amanda bei ihrer Tante Maud und langen Spaziergängen durch das sommerliche Paris. Das wirkt seltsam leer und touristenfrei, aber auch hochgerüstet. Selbst im Park gibt es Wachschutz – eine Folge des Anschlags. Es sind die kleinen Momente, die ihren Trauerprozess so wahrhaftig und anrührend wirken lassen. Die Handlung fokussiert aber nicht nur darauf, sondern öffnet auch den Blick auf das Leben, das weitergeht.
Schwierige Entscheidung
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "So wie du mich willst" - französisches Drama von Safy Nebbou mit Juliette Binoche
und hier einen Beitrag über den Film "Das Haus am Meer" - subtiles französisches Familien-Drama von Robert Guédiguian
und hier einen Bericht über den Film "Das unbekannte Mädchen" - sozialrealistisches Alltags-Drama von Jean-Pierre + Luc Dardenne
Diese weitreichende Entscheidung überfordert den jungen Mann. Léna, die bei dem Anschlag ebenfalls verletzt wurde, kann ihm dabei nicht helfen; auch die Ratschläge seiner Freunde bringen ihn nicht weiter. Amanda geht auf ihre Weise mit dem Verlust um. Sie klammert sich an David, will nicht zwischen ihm und Maud pendeln.
Abschied und Neuanfang
Hers gelingt das Kunststück, diese Tragödie mit ernsthafter Anteilnahme, dabei zugleich leicht, fast schwebend zu erzählen – und mit einer Zuversicht, dass die Zeit vieles leichter werden lässt, auch wenn sie keine Wunden heilt. Dazu trägt sicher auch die sommerliche Stimmung bei. Was den Film aber besonders macht, ist das authentische Zusammenspiel der Schauspieler, insbesondere der beiden Hauptdarsteller.
Die wunderbar natürlich agierende Isaure Multrier ist eine Eindeckung. Sie spielt weder besonders naseweis noch keck, lässt ihr Gesicht aber Bände sprechen. Als Amanda und David zum Wimbledon-Turnier nach London fahren, ist das zugleich Abschied und Neuanfang. Die Reise wurde noch Sandrine organisiert. Für die beiden bedeutet sie jedoch, dass vielleicht nun auch Davids Mutter wieder ein Teil ihres Lebens wird.