Melissa McCarthy

The Kitchen: Queens of Crime

(Kinostart: 19.9.) Pittoresk vermüllte Straßen, verschüttete Gags: Die Regisseurin Andrea Berloff erzählt von Frauen, die im New York der 1970er Jahre notgedrungen die Mafia-Geschäfte ihrer Männer übernehmen – und scheitert auf vielen Ebenen.

Am Ende dieses Mafia-Films steht als größte Erkenntnis, dass in der Küche, von der Andrea Berloffs „The Kitchen“ den Namen hat, nicht mal eine Scheibe Toast anbrennen könnte. Der Titel ist keine bedeutungsschwangere Metapher, sondern bezieht sich einfach nur auf das einst dreckigste und gefährlichste Loch der Vereinigten Staaten: die Straßenzüge in Midtown Manhattan, die man heute noch als Hell’s Kitchen kennt.

 

Info

 

The Kitchen: Queens of Crime

 

Regie: Andrea Berlof,

102 Min., USA 2019;

mit: Melissa McCarthy, Tiffany Haddish, Elisabeth Moss

 

Website zum Film

 

Im Jahr 1978, lange bevor Coffee-To-Go-Ketten die Gegend übernehmen, ist das New Yorker Viertel fest in der Hand der Unterwelt. In Hell’s Kitchen leben Kathy, Ruby und Claire in trostlosen Abhängigkeitsverhältnissen. Sie sind vom Machismo ihres Lebensumfelds auf ihre reproduktive Rolle festgelegt: Kinder versorgen, Bier holen, Schläge aushalten. Zugleich müssen sie eine ökonomische Notlage bewältigen. Ihre Männer, allesamt irische Mafiosi, wandern nach einem missglückten Überfall ins Gefängnis.

 

Zu wenig für die Miete

 

Die paar Scheine, die die fürsorgliche Mafia-Familie im Umschlag unter der Tür durchschiebt, reichen nicht mal für die Miete. Die drei Frauen, dargestellt von Melissa McCarthy, Tiffany Haddish und Elisabeth Moss, beschließen also, die Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen. Kurzerhand erobern sie das ganze Viertel.

offizieller Filmtrailer


 

Gleiche Konstellation, bessere Umsetzung

 

Dass das ohne realistische Grundlage und frei von jeglicher Verve passiert, scheint Andrea Berloff nicht weiter zu kümmern. Sie ist eine profilierte Drehbuchautorin und war mit ihrem Skript für das Hip-Hop-Biopic „Straight Outta Compton“ (2015) für einen Oscar nominiert. „The Kitchen“ ist ihr Regiedebüt. Den Stoff hat sie von einer Comicvorlage adaptiert, von der vor allem das Zweidimensionale übrig bleibt: beim Plot sowie auch bei der Figurenzeichnung.

 

Steve McQueen machte mit „Widows – Tödliche Witwen“ (2018) aus derselben Grundkonstellation – Gangster-Frauen übernehmen notgedrungen das Business ihre Männer – einen Film, in den er so viel Kontext und Bedeutung packte, dass es für eine achtteilige Serie gereicht hätte: Sexismus, Klassenunterschiede, rassistische Polizeigewalt und Korruption; all diese Themen wurden verhandelt.

 

Pointen-Feuerwerk bleibt aus

 

Zwar klingen sie auch in „The Kitchen“ an. Doch die Wandlung der Strohwitwen vom entmündigten Heimchen zur Knarren schwingenden Mafiosa ist in keiner Sekunde glaubwürdig. Vor allem Melissa McCarthy tut der Geschichte mit ihrem nuancenfreien Schauspiel keinen Gefallen. Dabei hätte die Story gerade mit dieser Besetzung als Komödie wunderbar funktionieren können.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ocean’s 8" - Remake der Gaunerkomödien-Reihe mit weiblicher Starbesetzung von Gary Ross

 

und hier einen Bericht über den Film "Molly`s Game - Alles auf eine Karte" - komplexer Thriller im Glücksspiel-Milieu von Aaron Sorkin

 

und hier einen Beitrag über den Film "Taffe Mädels" - amerikanischer Actionthriller  von Paul Feig mit Melissa McCarthy

 

Als die „irischen Mädels“, wie sie auf den Straßen mit einer Mischung aus Herablassung und Drohung genannt werden, bei den Kleinkrämern, in den Diners und Nagelstudios des Viertels wie die Heilsarmee auftreten, hofft man noch, dass gleich ein Pointen-Feuerwerk losgeht. Kathy & Co. preisen wohltätige Dienstleistungen an; etwa, dass ihre Kinder ja mal zum Fensterputzen vorbeikommen können – auf dass die Schutzgelder ab sofort in ihre Handtaschen wandern.

 

Schablonenhaften Dialoge

 

Bis dahin spricht vieles dafür, dass mit dieser feministisch grundierten Komödie eine Demontage von Mafia-Mythen gelingen könnte – und damit auch des gesamten Patriarchats im frühen Hyperkapitalismus. Wer dann aber die entscheidenden Gags aus dem Drehbuch verschwinden ließ; ob die Regie von all den Kunststoffblusen, Goldketten und pittoresk vermüllten Straßenkulissen von ihrer inhaltlichen Vision abgelenkt war; und wie man auf die Idee kam, die Unzulänglichkeiten der Montage konsequent mit Seventies-Radiohits zu überspielen: Das sind die eigentlichen Rätsel, die der Film aufgibt.

 

Klar wird immerhin, dass ein Gangster-Drama aus einer vergangenen Dekade als Folie für weibliche Selbstermächtigung herhalten soll. Aber Berloff macht daraus ein Klischee-Allerlei, in dem nicht nur die filmische Schlüssigkeit dran glauben muss, sondern letztlich auch die gesellschaftspolitische Agenda. Zwischen halbherzig verfolgten Konfliktlinien, schablonenhaften Dialogen und unmotivierten Plotwendungen geht jeder Fokus verloren.

 

Sinnloses Sterben

 

Dafür wird fortlaufend sinnlos gestorben. Das Töten, fachgerechte Zerlegen und Entsorgen lästig gewordener Mitmenschen passiert irgendwann ganz beiläufig. Man fragt sich, wie viele Leichen im Hudson River versenkt werden müssen, um beharrlich der Frage aus dem Weg zu gehen: Worum geht es hier eigentlich? Doch nicht etwa um die Botschaft, dass Frauen die besseren Killer sind, wenn man sie nur lässt.