Will Smith

Gemini Man

Der Elite-Auftragskiller Henry Brogan (Will Smith) ist plötzlich selbst im Zentrum der Verfolgung. Foto: © 2019 Paramount Pictures
(Kinostart: 3.10.) Gejagt vom Alter Ego: Im Action-Thriller von Regisseur Ang Lee soll ein Ex-Agent durch seinen perfekt geklonten Doppelgänger ausgeschaltet werden. Inhaltlich fehlt es dem Film an Originalität, doch er beeindruckt visuell.

Gut Ding will Weile haben – behauptet zumindest der Volksmund. Im Filmgeschäft erweist es sich allerdings nicht unbedingt als förderlich, wenn ein Projekt jahrelang durch die Entwicklungsmangel gedreht wird. Bereits 1997 sicherte sich das Disney-Studio die Rechte an der Geschichte eines Profikillers, der von seinem jüngeren Ebenbild gejagt wird. Angeblich waren für die Realisierung diverse prominente Regisseure im Gespräch, Tony Scott etwa.

 

Info

 

Gemini Man

 

Regie: Ang Lee,

Min., USA/ China 2019;

mit: Will Smith, Mary Elizabeth Winstead, Clive Owen

 

Website zum Film

 

In die Gänge kam das Projekt trotzdem lange nicht – auch, weil die technischen Anforderungen seinerzeit zu hoch erschienen. Fast zwei Dekaden später findet die Idee nun doch ihren Weg auf die große Leinwand – inszeniert von Oscar-Preisträger Ang Lee; die Hauptrolle spielt Hollywood-Star Will Smith. „Gemini Man“, so der sprechende Name des Films, ist auf formaler Ebene in zweifacher Hinsicht interessant. Zum einen nutzt der in Taiwan geborene Filmemacher nach „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ (2016) erneut das High-Frame-Rate-Verfahren, bei dem deutlich mehr als die üblichen 24 Einzelbilder pro Sekunde abgespielt werden.

 

Hauptfigur aus dem Rechner

 

Die mit einer höheren Bildrate operierenden Aufnahmen können zunächst irritieren, wirken sie doch weniger glamourös als der typische Kino-Look. Gleichzeitig ist ihre bis in den letzten Winkel gestochen scharfe Optik geradezu atemberaubend. Bemerkenswert ist „Gemini Man“ darüber hinaus, weil eine der beiden Hauptfiguren aus dem Computer stammt, aber von den realen Darstellern kaum mehr zu unterscheiden ist.

Offizieller Filmtrailer


 

Auch Genrekino braucht Ideen

 

Die optische Raffinesse des Actionthrillers steht in krassem Widerspruch zu dem 08/15-Verschwörungsplot, der schon sehr klischeehaft beginnt: Profikiller Henry Brogan (Will Smith) hat das Töten satt und hängt seinen Job bei der US-Regierungsbehörde DIA, dem Verteidigungsnachrichtendienst, an den Nagel. Der entspannte Lebensabend bleibt – wie soll es anders sein – ein frommer Wunsch. Plötzlich ist der Scharfschütze seinen früheren Arbeitgebern ein Dorn im Auge.

 

Sein alter Bekannter Clay Verris (Clive Owen), der inzwischen ein obskures Geheimprogramm leitet, greift zu einer drastischen Maßnahme. Kurzerhand setzt er den Elitesoldaten Junior auf den Ruheständler an. Der erweist sich als ein am Rechner erzeugter jüngerer Will Smith, ist also ein waschechter Klon von Brogan. Gerade im Genrekino muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Clevere Ideen und Verschiebungen sind natürlich trotzdem wünschenswert, können sie einen Film doch auf ein anderes Niveau heben.

 

Technisch stark, inhaltlich schwach

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Detroit" - über Rassenunruhen 1967 in den USA von Kathryn Bigelow mit Will Smith

 

und hier einen Beitrag über den Film “Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger” - Bestseller-Verfilmung von Ang Lee 

 

und hier eine Besprechung des Films "Die irre Heldentour des Billy Lynn" - Kriegshelden-Porträt von Ang Lee

 

Leider klammert sich „Gemini Man“ an sattsam bekannte Muster, verzichtet auf verblüffende Wendungen und leuchtet zudem seine Figuren nur halbherzig aus. Henrys Skrupel ob seiner blutigen Tätigkeit werden eher pflichtschuldig angerissen, seinen Gewissensbissen wird nicht auf den Grund gegangen. Seine beiden Helfer, DIA-Agentin Danny Zakarweski (eine unterforderte Mary Elizabeth Winstead) und Kumpel Baron (Benedict Wong), verharren im Handlanger- und Stichwortgeber-Modus. Und der Antagonist Verris erweist sich als Standard-Bösewicht.

 

Zudem wird die emotionale Wucht der Konfrontation zwischen Brogan und seinem genetisch identischen, 25 Jahre jüngeren Doppelgänger nicht wirklich ausgereizt. Und auch die moralischen Fragen rund um das Klonen werden im Showdown arg knapp abgehandelt. Auf inhaltlicher Ebene ist „Gemini Man“ eine Enttäuschung. Dass sich die knapp zwei Stunden im Kino trotzdem aushalten lassen, liegt an der noch immer einnehmenden Leinwandpräsenz von Will Smith, eindrucksvoll orchestrierten Kampf- und Verfolgungssequenzen und der eigenwilligen visuellen Kraft des High-Frame-Rate-Formats.

 

Auslaufmodell Schauspieler

 

Vor allem die Action-Passagen entwickeln eine erstaunliche Unmittelbarkeit, etwa die wilde Hatz durch die kolumbianische Küstenstadt Cartagena de Indias. Wenn hier Kugeln durch die Luft zischen, Holzsplitter durch die Gegend fliegen und Autos zusammenkrachen, hat man das Gefühl, mittendrin zu stecken. Besonders intensiv ist das Erlebnis in der 3D-Version. Auch die realistische Darstellung von Junior verblüfft tatsächlich. Die digitale Herkunft der Figur blitzt allenfalls punktuell auf.

 

Die Technik, das macht dieser Film deutlich, ist erstaunlich weit. In Anbetracht von „Gemini Man“, in dem ein am Computer erzeugter Will Smith glaubhaft an der Seite des echten Will Smith agiert, wird die Frage immer drängender: Wie mag die Zukunft des Kinos aussehen? Der Gedanke, es auf der Leinwand irgendwann nur noch mit Figuren aus dem Rechner zu tun zu haben, ruft zwar Unbehagen hervor, scheint aber nicht mehr abwegig.