Gut Ding will Weile haben – behauptet zumindest der Volksmund. Im Filmgeschäft erweist es sich allerdings nicht unbedingt als förderlich, wenn ein Projekt jahrelang durch die Entwicklungsmangel gedreht wird. Bereits 1997 sicherte sich das Disney-Studio die Rechte an der Geschichte eines Profikillers, der von seinem jüngeren Ebenbild gejagt wird. Angeblich waren für die Realisierung diverse prominente Regisseure im Gespräch, Tony Scott etwa.
Info
Gemini Man
Regie: Ang Lee,
Min., USA/ China 2019;
mit: Will Smith, Mary Elizabeth Winstead, Clive Owen
Hauptfigur aus dem Rechner
Die mit einer höheren Bildrate operierenden Aufnahmen können zunächst irritieren, wirken sie doch weniger glamourös als der typische Kino-Look. Gleichzeitig ist ihre bis in den letzten Winkel gestochen scharfe Optik geradezu atemberaubend. Bemerkenswert ist „Gemini Man“ darüber hinaus, weil eine der beiden Hauptfiguren aus dem Computer stammt, aber von den realen Darstellern kaum mehr zu unterscheiden ist.
Offizieller Filmtrailer
Auch Genrekino braucht Ideen
Die optische Raffinesse des Actionthrillers steht in krassem Widerspruch zu dem 08/15-Verschwörungsplot, der schon sehr klischeehaft beginnt: Profikiller Henry Brogan (Will Smith) hat das Töten satt und hängt seinen Job bei der US-Regierungsbehörde DIA, dem Verteidigungsnachrichtendienst, an den Nagel. Der entspannte Lebensabend bleibt – wie soll es anders sein – ein frommer Wunsch. Plötzlich ist der Scharfschütze seinen früheren Arbeitgebern ein Dorn im Auge.
Sein alter Bekannter Clay Verris (Clive Owen), der inzwischen ein obskures Geheimprogramm leitet, greift zu einer drastischen Maßnahme. Kurzerhand setzt er den Elitesoldaten Junior auf den Ruheständler an. Der erweist sich als ein am Rechner erzeugter jüngerer Will Smith, ist also ein waschechter Klon von Brogan. Gerade im Genrekino muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Clevere Ideen und Verschiebungen sind natürlich trotzdem wünschenswert, können sie einen Film doch auf ein anderes Niveau heben.
Technisch stark, inhaltlich schwach
Hintergrund
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Zudem wird die emotionale Wucht der Konfrontation zwischen Brogan und seinem genetisch identischen, 25 Jahre jüngeren Doppelgänger nicht wirklich ausgereizt. Und auch die moralischen Fragen rund um das Klonen werden im Showdown arg knapp abgehandelt. Auf inhaltlicher Ebene ist „Gemini Man“ eine Enttäuschung. Dass sich die knapp zwei Stunden im Kino trotzdem aushalten lassen, liegt an der noch immer einnehmenden Leinwandpräsenz von Will Smith, eindrucksvoll orchestrierten Kampf- und Verfolgungssequenzen und der eigenwilligen visuellen Kraft des High-Frame-Rate-Formats.
Auslaufmodell Schauspieler
Vor allem die Action-Passagen entwickeln eine erstaunliche Unmittelbarkeit, etwa die wilde Hatz durch die kolumbianische Küstenstadt Cartagena de Indias. Wenn hier Kugeln durch die Luft zischen, Holzsplitter durch die Gegend fliegen und Autos zusammenkrachen, hat man das Gefühl, mittendrin zu stecken. Besonders intensiv ist das Erlebnis in der 3D-Version. Auch die realistische Darstellung von Junior verblüfft tatsächlich. Die digitale Herkunft der Figur blitzt allenfalls punktuell auf.
Die Technik, das macht dieser Film deutlich, ist erstaunlich weit. In Anbetracht von „Gemini Man“, in dem ein am Computer erzeugter Will Smith glaubhaft an der Seite des echten Will Smith agiert, wird die Frage immer drängender: Wie mag die Zukunft des Kinos aussehen? Der Gedanke, es auf der Leinwand irgendwann nur noch mit Figuren aus dem Rechner zu tun zu haben, ruft zwar Unbehagen hervor, scheint aber nicht mehr abwegig.