Wenn Männer glauben, sie könnten sich alles erlauben: Für ihr Vorstellungsgespräch als Sekretärin in einer Näherei in der nordmazedonischen Kleinstadt Štip hat sich Petrunya (Zorica Nusheva) extra ein Kleid ausgeborgt. Doch der schmierige Chef kränkt sie von Anfang an. Während er die junge Frau gierig unter den Rock fasst, verkündet er dreist: „Ich würde dich nicht mal ficken.“
Info
Gott existiert,
ihr Name ist Petrunya
Regie: Teona Strugar Mitevska,
100 Min., Mazedonien/ Frankreich/ Belgien 2019,
mit: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Simeon Moni Damevski
Spontan-Sprung in den Fluss
Nachdem der Näherei-Boss sie grob demütigt hat, zerreißt etwas in der stillen, ambitionslos wirkenden Petrunya. Als sie auf dem Rückweg der alljährlichen Prozession zum Dreikönigstag begegnet, während der der orthodoxe Priester ein Holzkreuz in den Fluss wirft, stürzt sich die junge Frau spontan in die Fluten, um im Wettbewerb mit den Männern ihres Ortes danach zu haschen.
Offizieller Filmtrailer
Sittenwidrig + blasphemisch
Dem glücklichen Finder winken der Legende nach ein Jahr lang Glück und Wohlstand. Als ausgerechnet Petrunya mit dem Kreuz in den Händen aus dem Wasser auftaucht, schäumen die Emotionen hoch: Noch nie hat eine Frau dergleichen gewagt. Ihren Sieg empfinden die versammelten Männer als sittenwidrig und blasphemisch, schlimmer noch: als Wildern in ihrem Revier. Also werden Klerus und Polizei bemüht, um Petrunya zur Herausgabe zu zwingen – doch so leicht gibt sie ihre Beute nicht her.
Die Geschichte klingt konstruiert, doch sie beruht auf einem realen Geschehen, das sich vor einigen Jahren tatsächlich in Štip ereignet hat. Daraus macht Regisseurin Teona Strugar Mitevska den Ausgangspunkt ihres Filmes. In den Werken der 45-Jährigen spielen oft Frauen die Hauptpersonen; sie sind öfter auf internationalen Festivals zu sehen.
Männermeute protestiert wütend
Dieser Film klagt die zutiefst patriarchalischen Geschlechterverhältnisse in Nordmazedonien vehement an. Aus seiner überdeutlichen Stoßrichtung spricht sehr viel Wut und Frustration – wie sie auch die Frauenbewegung in den 1970er Jahren prägte. Das ist verständlich; allerdings wirkt die filmische Parabel dadurch leicht holzschnittartig.
Der Pope und der Chefinspektor sind ratlos, weil sich Petrunya standhaft weigert, das Kreuz herauszurücken. Vergeblich versuchen sie auf der Polizeistation, die junge Frau dazu zu überreden. Vor dem Gebäude versammelt sich eine Männermeute zum wütenden Protest; beobachtet von der ehrgeizigen Journalistin Slavica (Labina Mitevska), die neben aller feministischen Verschwesterung auch eine große Story wittert. Nebenbei zofft sie sich am Handy mit ihrem Mann, wer von beiden nun das gemeinsame Kind abholen soll.
Fototapete mit Dschungelmotiv
Hintergrund
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Insgesamt wird Petrunyas Kreuzweg mit kargen filmischen Mitteln erzählt. Oft kommt eine wacklige Handkamera zum Einsatz, welche die Tristesse der Umgebung unerbittlich einfängt. Passend zum nüchternen Sozialrealismus der Bildsprache verzichtet die Regisseurin weitgehend auf musikalische Untermalung. Nachdem sie die Geschlechterverhältnisse im Balkanstaat gehörig aufgemischt hat, überrascht das Ende mit einem versöhnlichen, fast schon konventionellen Ton.
Kreuz-Frau 2019 gefeiert
Immerhin scheint die reale Petrunya Nachahmerinnen gefunden zu haben. In einem Interview erzählt Teona Strugar Mitevska, dass in diesem Jahr beim orthodoxen Dreikönigstags-Ritual in der serbischen Stadt Zemun wieder eine Frau das Kreuz erwischte – und diesmal wurde sie dafür gefeiert.