
Auch eine Methode, die Folgen der Finanzkrise von 2008 zu bewältigen: Nachdem Aktienkurse und Broker-Boni in den Keller gerauscht sind, bleiben in den High-Class-Stripclubs von New York zahlungskräftige Kunden aus. Also verlegen sich Stripperinnen um die charismatische Ramona (Jennifer Lopez) auf ein anderes Geschäftsmodell: Mit Drogen und K.o.-Tropfen machen sie reiche Männer willenlos, zerren sie in ihren Club, entwenden ihnen die Kreditkarten und räumen ihre Konten bis zum Limit leer.
Info
Hustlers
Regie: Lorene Scafaria,
104 Min., USA 2019;
mit: Jennifer Lopez, Constance Wu, Keke Palmer
Karrierestrategie für Benachteiligte
Genau so geht Regisseurin Lorene Scafaria vor: Sie stattet ihre Protagonistinnen mit leichten Schuldgefühlen aus, damit ihr Film nicht als skrupellose Verbrechens-Verherrlichung dasteht – um ihr Treiben umso hymnischer als raffinierte Karrierestrategie für Benachteiligte abzufeiern. Nach dem Motto: Was kann eine gut aussehende Unterschichtsfrau ohne höhere Schulbildung besseres tun, als den Anzugträger-Mackern all die Kohle abzuknöpfen, die sie zuvor anderen geraubt haben?
Offizieller Filmtrailer
Wie R’n’B-Superstar-Videoclips
Solche Doppelmoral bemühen Kriminelle gern zur Selbstrechtfertigung: Sie würden nur andere Missetäter um ihr schmutziges Geld erleichtern und damit für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen. Was sich Scafaria zueigen macht und optisch perfekt umsetzt: Sie inszeniert die zahlreichen Strip-Einlagen so opulent wie Musik-Videoclips von R’n’B-Superstars, etwa Beyoncé. All die Reizwäsche, Tanzeinlagen und moves sind so aufreizend wie möglich, und zugleich jugendfrei aseptisch – damit jedes US-Mainstreamkino den Film zeigen kann.
In diesem Tabledance-Frauenpower-Kosmos kommen Männer nur als geifernde Lüstlinge oder jämmerliche Wichte vor, die mit Dollarbündeln um sich werfen. Und die Objekte ihrer Begierde nur als smarte Betrügerinnen, die sich Scheine in den Ausschnitt stopfen, aber physische Liebesdienste trickreich verweigern: Anders als hierzulande sind Stripclubs in den USA auch häufig Kontakthöfe für Prostitution. Da diese in den meisten Bundesstaaten verboten ist, wird sie oft informell in legalen Etablissements angebahnt.
Manifest des Raffzahn-Feminismus
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Kitchen: Queens of Crime" - weibliches Mafia-Epos von Andrea Berloff mit Melissa McCarthy
und hier eine Besprechung des Films "Widows – Tödliche Witwen" – fesselnder Thriller über Gangsterbräute + illegale Geschäfte von Steve McQueen
und hier einen Beitrag über den Film "Molly`s Game - Alles auf eine Karte" - komplexer Thriller im Glücksspiel-Milieu von Aaron Sorkin
und hier einen Bericht über den Film "Magic Mike" - über männliche Stripper von Steven Soderbergh mit Channing Tatum.
Die darin zum Ausdruck kommende Mentalität könnte man als Raffzahn-Feminismus beschreiben: Männer sind Schweine, also müssen Frauen es ihnen gleichtun. Denn sie handeln für edle Zwecke wie weibliche Solidarität und Sorge um den Nachwuchs – Ramona und Destiny sind allein erziehende Mütter, weil verantwortungslose Typen sie sitzen ließen.
Sexy Augenpulver
Zum Höhepunkt ihres Familiensinns wird eine Rotlicht-Weihnachtsfeier mit Nikolausmützen, bei der sie sich gegenseitig mit Luxusmode und ihre Kinder mit Barbie-Puppen beschenken. Im Konsum-Overkill kommt diese Form von Emanzipation zum Bewusstsein ihrer selbst.
Und in frivolen Oberflächenreizen, mit denen Regisseurin Scafaria nicht geizt: Kaum eine real existierende Tabledance-Bar dürfte so üppige Strip-Shows bieten wie dieser Film. Als sexy Augenpulver ist er uneingeschränkt zu empfehlen; der wohl laszivste Softcore-Erotikstreifen der Saison, den sich Teenies schon ab zwölf Jahren anschauen dürfen – also die Zielgruppe für das nächste Dancepop-Album von Latino-Queen Jennifer Lopez.