
Das ignorierte Inselreich: Java zählt zu den wenigen Zentren großer Hochkulturen auf der Welt – doch diese ist hierzulande kaum bekannt. Obwohl unsere niederländischen Nachbarn vier Jahrhunderte lang das heutige Indonesien kolonisierten und seine Geschichte erforschten; doch davon kamen östlich des Rheins nur Batik-Stoffe, Bami Goreng und Saté-Spießchen mit Erdnusssauce an.
Info
Javagold – Pracht und Schönheit Indonesiens
15.09.2019 - 13.04.2020
täglich außer montags
11 bis 18 Uhr
im Museum Zeughaus C5 der Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim
Katalog 30 €
Einzigartige Mischkultur
Körperschmuck aus Edelmetall spielt in Indonesien seit jeher eine große Rolle; daher könnten solche Objekte durchaus als Ansatzpunkt dienen, um die einzigartige Mischkultur Javas zu erklären. Mitte des ersten Jahrtausends erreichten indische Händler die Insel und brachten den Hinduismus mit; Jahrhunderte später folgten buddhistische Missionare. Die beiden großen Religionen Südasiens verschmolzen hier zu einer Praxis des Synkretismus, ähnlich wie zur gleichen Zeit im Khmer-Großreich in Indochina.
Impressionen aus Javas Kulturhauptstadt Yogyakarta mit den Tempelanlagen Borobodur (buddhistisch) und Prambanan (hinduistisch); © theworldoftravel
Kultur-Varianz durch Polit-Rivalität
Ab dem 15. Jahrhundert verbreiteten muslimische Kaufleute aus Westindien den Islam in Indonesien: erst auf Sumatra, bald danach auf Java. Sultanate entstanden, die altehrwürdige hindu-buddhistische Dynastien zurückdrängten; das letzte große Reich namens Majapahit brach 1527 zusammen. Gleichzeitig setzten sich die Niederländer auf der Insel fest, gründeten 1618 ihre Hauptstadt Batavia auf den Trümmern der javanischen Siedlung Jakatra und kolonisierten die Insel: 1749 hatten sie sämtliche lokalen Machthaber unterworfen.
Sie amtierten allerdings als Vasallen der Kolonialherren weiter, wodurch Javas kulturelle Vielfalt erhalten blieb. Die überaus fruchtbare und dicht besiedelte Vulkaninsel war niemals als einheitliches Staatsgebilde regiert worden; stets hatten verschiedene Regionalherrscher miteinander rivalisiert. Ihre Konkurrenz stimulierte die Künste, so dass unterschiedliche Höfe diverse Stile ausbildeten. So wurde Javas klassische Kultur im Vergleich zu anderen in Ostasien sehr variantenreich.
Digital-Klimbim in 3D-Displays
Von diesen Rahmenbedingungen erfährt man in der Ausstellung kaum etwas; sie bietet nur ein paar kurze, dürftige Wandtexte. Informativer ist der Katalog, doch bei dieser exotischen Kultur müsste man dem heimischen Publikum unbedingt die wichtigsten Grundlagen näher bringen. Die 2017 ebenfalls in den Reiss-Engelhorn-Museen (REM) gezeigte Ausstellung über „Schätze der Archäologie Vietnams“ hat seinerzeit glänzend vorgeführt, wie lebendig und anschaulich das gelingen kann.
„Javagold“ ähnelt jedoch den Schauräumen eines Juweliergeschäfts, das auf antike Preziosen spezialisiert ist. Dunkelgrüne Raumteiler suggerieren Seriosität, Glasvitrinen mit Punktstrahlern lassen die Exponate funkeln, als seien es Colliers von Bulgari oder Cartier. Da heute kein Schaugeschäft mehr ohne Digital-Klimbim auskommt, haben die REM vier 3D-Displays aufgebaut, an denen man wenige Zentimeter große Ringe und Ketten bewundern kann, wie sie balkendick im virtuellen Raum schweben. Bigger is better!
Schamzier-Platten betonen Askese
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Raden Saleh (1811–1880): Ein javanischer Maler in Europa" - erste europäische Retrospektive des indonesischen Malers im Lindenau-Museum, Altenburg
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Roots - Indonesian Contemporary Art" - Überblicks-Schau im Frankfurter Kunstverein, Römerberg
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Schätze der Archäologie Vietnams" - hervorragend inszenierte Themenschau in Chemnitz und Mannheim.
Da das unterbleibt, wird die fundamentale Andersartigkeit dieser Kultur fast unterschlagen. Javas Elite trug güldenen Schmuck an allen Körperteilen, etwa auch auf Ohrmuscheln und an Oberarmen. Herrscher bedeckten ihr Haupt mit Goldkronen, die wie Buddha-Perücken samt Flammen der Erleuchtung aussahen; sie Gliederpuppen aufzusetzen, war die einzige Inszenierungs-Idee, die den Kuratoren eingefallen ist. Es gab Schamzier-Platten für beide Geschlechter, die nicht etwa wie Renaissance-Schamkapseln die Potenz ihres Trägers betonten, sondern umgekehrt Keuschheit und Askese.
Solche seltsamen Objekte, in ihrem Kontext vorgestellt und ausführlich kommentiert, könnten als Vehikel zum Verständnis einer fremdartigen Kultur dienen. Wenn die REM sie denn vermitteln wollten – und nicht nur historisches Bling-Bling als Augenpulver ausbreiten würden.