Popstar David Bowie verehrte ihn so sehr, dass er in seinen zwei Berliner Jahren ab 1976 unter einem selbst gemalten Porträt des Dichters geschlafen haben soll: Yukio Mishima (1925-1970) war einer der bedeutendsten Schriftsteller im Japan der Nachkriegszeit. Eine Persönlichkeit, die ihr gesamtes Leben der Gestaltung des eigenen Körpers, Geistes und Mythos‘ widmete. Gewissermaßen lebte er eine Autofiktion, nur anders rum: Mishimas Kunst bestimmte sein Leben.
Info
Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln (WA)
Regie: Paul Schrader,
120 Min., USA/Japan, 1985/2008/2018
mit: Ken Ogata, Kenji Sawada, Toshiyuki Nagashima, Yasosuke Bando
Jeder Zeitebene ihre Farbe
Schrader hatte zuvor mit seinen Drehbüchern für die Kino-Klassiker „Taxi Driver“ (1976) und „Raging Bull“ (1980) von Martin Scorsese für Furore gesorgt. Auch als Regisseur war er erfolgreich, unter anderem mit „American Gigolo“ (1980). Für den von Francis Ford Coppola und George Lucas produzierten Film „Mishima“ ließ Schrader großartige Bühnenbilder anfertigen. Zudem arbeitete er mit unterschiedlichen Farbpaletten, um die verschiedenen Handlungs- und Zeitebenen des Films voneinander abzusetzen.
Offizieller Filmtrailer
Taten statt Worte
Die ausschließlich japanischen Schauspieler – die Hauptrolle spielte Ken Ogata – animierte er zu hochstilisierten Performances, die an die große Zeit des japanischen Kinos erinnern. Eingefangen wurde das alles mit präzisen Kamerabewegungen. Die Filmmusik, die eine dominante Rolle spielt, wurde von Philip Glass komponiert, der damals noch nicht als Soundtrack-Lieferant überbeschäftigt war.
„Worte sind trügerisch“, heißt es einmal im Film: „Doch Taten kennen keine Lügen.“ Die stumpfsinnige Phrase von der „konservativen Revolution“ – zuletzt wollte etwa die CSU eine ausrufen – passt auf Mishima tatsächlich. Er war ein kränklicher Junge, wurde vom Wehrdienst ausgemustert und entwickelte später einen übersteigerten Kult um den kriegerisch gestählten Körper des Mannes.
Mini-Putsch oder inszenierter Suizid?
Im Laufe der 1950er und 1960er Jahre wandte sich Mishima zusehends gegen die Kultur im Wirtschaftswunderland Japan, die in seinen Augen verwestlicht und verweichlicht war: Unterhaltungselektronik statt Ritterlichkeit, Konsum statt hehrer Werte. Mishima reagierte darauf mit einem zunehmend regressiven Nationalismus. Schraders Film setzt mit einer Rahmenhandlung am 25. November 1970 ein. An diesem Tag inszenierte Mishima mit einem kleinen Trupp der „Tatenokai“, einer von ihm gegründeten Privatmiliz, eine Art Mini-Militärputsch.
Vordergründig war seine Absicht, Japan wieder zu einem Kaiserreich zu machen, in dem der Monarch tatsächlich die Macht ausübte. Allerdings kam bald die Vermutung auf, die Aktion und ihr vorhersehbares Scheitern sollten nur den Rahmen bilden für den heldenhaften Tod, den Mishima in seinen Büchern glorifizierte. Nach einer Rede vor Angehörigen der Armee beging er Seppuku, eine ritualisierte Form des Selbstmords in der Tradition der Samurai; seit 1868 ist Seppuku gesetzlich verboten.
Eines Samurais würdig
Mishima verstand Selbstmord nicht als Niederlage. Seine Selbsttötung war für ihn eher ein Triumph: der Kulminationspunkt von Kunst und Leben, die Vereinigung von Schönheit und Tod, Gewalt und Erotik. Auch wenn die konkreten Details von Mishimas Tod, die Schrader ausspart, weniger heroisch waren: Seinem Assistenten missglückten drei Versuche, ihn zu enthaupten. Überhaupt geht Schrader mit dem Thema sehr respektvoll um.
Hintergrund
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Anarchronistisches Heldentum
Schrader setzt damit die ein Leben lang betriebene Selbstmythologisierung Mishimas fort. So geht es in seinem Biopic eher um Faszination als um kritische Distanz. Das erklärt sich zum Teil auch daraus, dass Schrader auf die Mitarbeit und Zustimmung von Mishimas Nachlassverwaltern angewiesen war. Trotzdem ist der Film bis heute in Japan offiziell nicht zugelassen: Schraders eher diskrete Andeutungen auf Mishimas Homosexualität gelten in dem Land immer noch als Tabu.
In Mishimas Roman „Unter dem Sturmgott“, Teil des dritten Kapitels in Schraders Film, sagt ein junger Schwertkämpfer, der sich für die Rückkehr zum Kaiserreich aufopfern will: „Fürchte nicht den Tod des Körpers, sondern die Sklaverei des Geistes.“ Der finale Kulminationspunkt ist bei Schrader ebenfalls ein Moment der Erlösung. Aber auch der Augenblick, in dem klar wird, dass bestimmte Vorstellungen von Heldentum nicht mehr in diese Welt passen. Sie gehören ins Reich der Fiktion.