Keira Knightley

Official Secrets

Katharine Gun (Keira Knightley) wird auf dem Weg zum Gericht von Journalisten belagert. Foto: © 2019 eOne Germany
(Kinostart: 21.11.) Zeit für Zivilcourage: Den Irakkrieg 2003 wollte eine britische Agentin verhindern, indem sie ein verräterisches Dokument an die Presse gab. Keira Knightly spielt beeindruckend subtil; Regisseur Gavin Hood inszeniert schnörkellos spannend.

Allein gegen Alle: Wer beim Geheimdienst arbeitet und Geheimnisse verrät, ist mit einem Schlag ganz auf sich gestellt. Er oder sie kann kaum an die Öffentlichkeit gehen und das Recht für sich in Anspruch nehmen – das wäre ein weiterer Geheimnisverrat, der sich strafverschärfend auswirken würde. Vor diesem Dilemma stand Katharine Gun Anfang 2003.

 

Info

 

Official Secrets

 

Regie: Gavin Hood,

112 Min., USA/ Großbritannien 2019;

mit: Keira Knightley, Matthew Goode, Matt Smith, Ralph Fiennes

 

Website zum Film

 

Die junge Frau (Keira Knightley) war für den britischen Nachrichtendienst „Government Communication Headquarters“ (GCHQ) als Chinesisch-Übersetzerin tätig. Den sich ankündigenden zweiten Irakkrieg lehnte sie ab; die offizielle Begründung der westlichen Alliierten, man müsse die Massenvernichtungswaffen von Diktator Saddam Hussein ausschalten, hielt sie für äußerst fragwürdig. Ihre Skepsis speiste sich auch aus persönlichen Motiven: Ihr Ehemann Yasar war irakischer Kurde – sie hatte den Asylbewerber geheiratet, um ihn vor der Abschiebung zu bewahren.

 

UN-Sicherheitsrats-Mitglieder erpressen

 

Am 3. Februar erhält Gun eine Email des US-Geheimdienstes NSA: Er fordert die britischen Kollegen auf, belastendes Material über die Repräsentanten von fünf Staaten im UN-Sicherheitsrat zu sammeln – damit sollen sie unter Druck gesetzt werden, für eine Resolution zugunsten des Kriegs zu stimmen. Washington schreckt also nicht vor Erpressung zurück, um eine UN-Legitimation für den bevorstehenden Feldzug zu erhalten; Gun ist schockiert.

Offizieller Filmtrailer


 

US-Englisch versehentlich in britisches geändert

 

Sie schmuggelt einen Ausdruck der Email aus dem Gebäude und gibt sie an Anti-Kriegs-Aktivistin weiter; die sollen sie der Presse zuspielen. Die Redaktion der linksliberalen Wochenzeitung „The Observer“ gibt sich zunächst zurückhaltend, bis der Reporter Martin Bright (Matt Smith) sie überzeugt, die Enthüllungs-Story zu drucken. Weltweit ist das Presseecho groß, bis Zweifel an der Authentizität des Dokuments aufkommen: Seine originale US-Schreibweise hatte eine Praktikantin versehentlich in britisches Englisch umformuliert.

 

Linguistische Feinheiten kümmern die GCHQ nicht: Dort wird fieberhaft nach dem Leck in den eigenen Reihen gesucht. Um ihre Kollegen vor Nachstellungen zu schützen, outet sich Gun – sie wird sofort verhaftet, verhört und auf Kaution freigelassen, doch eine Anklage wegen Landesverrats wirkt unvermeidlich. Einen normalen Strafrechts-Anwalt darf Gun nicht engagieren; mit ihm ihren Fall zu besprechen, würde gegen den so genannten „Official Secrets Act“ verstößt, der britische Agenten zu absolutem Stillschweigen verpflichtet.

 

Wankelmütiger Generalstaatsanwalt

 

In ihrer Not wendet sich Gun an die Bürgerrechts-Organisation „Liberty“. Deren Anwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes) entwickelt eine gewagte Strategie: Er will nachweisen, dass ihr Handeln rechtmäßig war, um einen illegalen Krieg zu verhindern und das Leben britischer Bürger zu schützen.

 

Dazu beruft er sich auf ein Rechtsgutachten des Generalstaatsanwalts im Vereinigten Königreich; es erklärte eine Mobilmachung gegen den Irak ohne UN-Resolution für unrechtmäßig. Bloß: Drei Tage vor Kriegsbeginn änderte der Generalstaatsanwalt plötzlich seine Meinung. Als das Gerichtsverfahren gegen Katherine Gun 2004 beginnt, ist der Ausgang ihres Verfahrens völlig offen.

 

Wie Edward Snowden eine Dekade später

 

Hintergrund

 

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Dagegen sind Verlauf und Ausgang des Irakkriegs allseits bekannt: US-Präsident George W. Bush und der britische Premier Tony Blair gingen in die Zeitgeschichte als Betrüger ein, die ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen anzettelten – Saddam Hussein hatte keine Massenvernichtungswaffen. Daher geht es Regisseur Gavin Hood in seiner schnörkellos chronologischen Inszenierung nicht um den Krieg selbst, sondern um Guns verzweifelten Versuch, ihn durch Aufdeckung einer regierungsoffiziellen Lüge zu verhindern.

 

Ihr Akt der Zivilcourage war ähnlich riskant wie der von Edward Snowden zehn Jahre später: Als Geheimdienstmitarbeiter unterlagen sie wesentlich schärferen Bestimmungen als Normalbürger. Heutzutage werden Verräter zumindest in westlichen Ländern nicht mehr liquidiert, sondern vor ein ordentliches Gericht gestellt – nichtsdestoweniger drohen ihnen langjährige Haftstrafen.

 

In Praise of Rule of Law

 

Mit bemerkenswert subtilem und variantenreichen Spiel macht Keira Knightley anschaulich, unter welchem immensen Druck ihre Hauptfigur steht: Von einem Tag auf den anderen wird sie zum sozialen Niemand. Einer Agentin werden viele Bürgerrechte entzogen; so bleiben ihr kaum noch Zufluchtsorte.

 

Dieser perfide Mechanismus spielt sich nicht in einem autoritären Regime ab, sondern in der ältesten parlamentarischen Demokratie, die auf ihr Jahrhunderte altes Prinzip des Rule of Law zurecht stolz ist – was Katharine Gun schließlich zugute kommt. Auf eine derartige Chance wartet Edward Snowden noch.