Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein? Von wegen! In seinem Langfilmdebüt „7500“ entwirft Patrick Vollrath ein hochgradig klaustrophobisches Szenario an Bord einer Passagiermaschine.
7500 Regie: Patrick Vollrath, 92 Min., Deutschland/ Österreich 2019; mit: Joseph Gordon-Levitt, Aylin Tezel, Omid Memar Info
Zuschauer ahnt Schlimmes
Anders als Co-Pilot Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt), der hier die Hauptrolle spielt, kann der Zuschauer die aufziehende Gefahr gleich zu Beginn erahnen. Körnige Aufnahmen von Überwachungs-Kameras zeigen arabisch aussehende Männer, die im Duty-Free-Bereich des Berliner Flughafens einkaufen und nach einem Toilettengang Gegenstände austauschen. Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ahnt man bei solchen Bildern Schlimmes.
Offizieller Filmtrailer
Spannungskurve statt Psychogramme
Nach dem vergleichsweise nüchternen Auftakt nimmt sich der Regisseur Zeit für die Darstellung der üblichen Routine vor dem Start eines Flugzeugs. Kapitän Michael Lutzmann (Carlo Kitzlinger) und sein Co-Pilot, der US-Amerikaner Ellis widmen sich vor dem Abflug technischen Vorbereitungen, während die Passagiere an Bord von Flugbegleiterin Gökce (Aylin Tezel) begrüßt werden. Sie und Ellis sind ein Paar; mit ihrem Kind leben sie in Berlin.
Die Figuren werden kurz und bündig eingeführt. Was man über ihre Hintergründe erfährt, hat rein funktionalen Charakter. „7500“ – so lautet der internationale Notfallcode für Flugzeugentführungen – zielt nicht auf tiefschürfende Psychogramme ab. Es geht bei den skizzierten Konstellationen schlichtweg darum, die Spannung zu steigern. Schon kurz nach dem Start kommt es vor dem abgeriegelten Cockpit zu einem Handgemenge.
Überrumpeltes Abwägen
Mit Gewalt und selbstgebastelten Waffen wollen sich die Männer Zutritt zur Pilotenkabine verschaffen. Einer der Angreifer verletzt Lutzmann schwer. Ellis wiederum kann die Sicherheitstür schließen, den eingedrungenen Terroristen notdürftig fesseln und steht bald vor schmerzhaften Entscheidungen.
Ist das Leben vieler Menschen mehr wert als das eines Einzelnen? Lassen sich Sicherheitsvorschriften, die nach 9/11 verschärft wurden, angesichts einer tödlichen Bedrohung überhaupt befolgen? Und welche Konsequenzen hätte ein Abweichen? Vollrath umkreist komplizierte Fragen und stürzt seinen zunächst völlig überrumpelten Protagonisten in ein moralisches Dilemma. Die Kamera bleibt dicht an ihm dran; sie fängt seine Panik und sein fieberhaftes Abwägen aus nächster Nähe ein. Einblicke in den Passagierbereich bekommt man nur über einen Monitor.
Terrorhintergrund bleibt schemenhaft
Hintergrund
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Die politische Dimension der Geschichte scheint zwar durch. Große Aufmerksamkeit schenkt der Film ihr jedoch nicht. Die Motive der islamistischen Terroristen bleibt schemenhaft. Auch der 18-jährige Vedat (Omid Memar), der etwas in den Fokus rückt, steht eher beispielhaft für einen orientierungslosen Jugendlichen, der sich radikalisiert hat.
Schwächeln auf der Landebahn
Vollrath interessiert sich in erster Linie für die Dramatik und Dynamik des Moments. Aus seinem minimalistischen Setting bezieht der Film reichlich Spannung. Bedauerlicherweise geht „7500“ in der zweiten Hälfte ein bisschen die Luft aus; kurz vor Schluss sackt die geschickt aufgebaute Intensität doch deutlich ab. Nichtsdestotrotz beweist die deutsch-österreichische Koproduktion, dass auch hierzulande nervenaufreibende Thriller entstehen können.