Woody Allen

A Rainy Day in New York

Ashleigh (Elle Fanning) und Gatsby (Timothée Chalamet) sind ein Liebespaar. Foto: NFP
(Kinostart: 5.12.) Mit Vollgas in die Klischee-Sackgasse: Regie-Veteran Woody Allen liefert seinen Kritikern Munition, in dem er seine neue Komödie mit abgeschmackten Altherrenfantasien füllt. Ein Reigen altbackener Ideen und hochnotpeinlicher Momente.

Im turbulenten Kinogeschäft gab es bislang eine Gewissheit: Jedes Jahr kommt ein neuer Film von Woody Allen ins Kino. 2018 klafft jedoch ein Loch in der ansonsten lückenlosen Werkliste des New Yorker Regisseurs. Nach dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung wurde er plötzlich wieder mit alten Missbrauchsvorwürfen konfrontiert, an denen sich lange Zeit niemand in der Branche gestört hatte. 1992 – so behauptet seine Adoptivtochter Dylan Farrow – sei es zu einem sexuellen Übergriff gekommen; doch die Staatsanwaltschaft verzichtete auf die Einleitung eines Verfahrens.

 

Info

 

A Rainy Day in New York

 

Regie: Woody Allen,

95 Min., USA 2019;

mit: Timothée Chalamet, Elle Fanning, Selena Gomez

 

Website zum Film

 

Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, inwieweit man Werk und Person trennen kann. Darf man Allens Filme angesichts der Vorwürfe gegen ihn noch goutieren? Höchst bedenklich ist andererseits, wie leichtfertig manche Kommentatoren ohne richterliches Urteil die Unschuldsvermutung einfach beiseite wischen. Amazon Studios als Verleihpartner sah sich durch die neuerliche Debatte genötigt, den Kinostart von „A Rainy Day in New York“ zu streichen und den Vertrag mit Allen aufzukündigen. Das hat einen seltsamen Beigeschmack: Als er geschlossen wurde, waren die Anschuldigungen gegen den Regisseur längst bekannt.

 

Schauspieler distanzieren sich

 

Etwas heuchlerisch wirkt auch das Verhalten einiger Darsteller: Nach den Dreharbeiten distanzierten sie sich unversehens von Allen und spendeten ihre Gagen öffentlichkeitswirksam für gute Zwecke. Für ihren Gesinnungswandel scheint das durch die #MeToo-Bewegung veränderte Meinungsklima maßgeblich gewesen zu sein.

offizieller Filmtrailer


 

Jung-Dandy begleitet Jung-Journalistin

 

Diese Begleitumstände kann man in einer Besprechung von „A Rainy Day in New York“ schon deshalb nicht ausblenden, weil Woody Allen mit diesem Film die Kontroversen auf geradezu provokante Weise selbst befeuert. Das von ihm entworfene Frauenbild wirkt wie ein schlechter Scherz, ist aber offenbar völlig ernst gemeint.

 

Wie so oft in seinen Filmen steht im Zentrum ein grübelnder, nostalgischer Intellektueller. In diesem Fall ist es der desinteressiert vor sich hin studierende Jung-Dandy Gatsby (Timothée Chalamet). Er begleitet seine Freundin Ashleigh (Elle Fanning) nach New York, wo sie einen bekannten Regisseur (Liev Schreiber) für die Zeitung ihres Colleges interviewen soll. Gatsby plant ein romantisches Wochenende, ist aber erst einmal auf sich gestellt. Denn Ashleigh lässt sich nach ihrer Unterredung mit dem von Selbstzweifeln geplagten Filmkünstler von einer unverhofften Begegnung zur nächsten treiben.

 

Fan-Girl lässt sich von Promis blenden

 

Gatsby, der als Allens Alter Ego auftritt, darf zumindest gelegentlich etwas Geistreiches einwerfen und einige hochkulturelle Anspielungen zum Besten geben. Ashleigh hingegen wird von Anfang an als naive, rehäugige Landpomeranze gezeichnet. Ihre Ausstrahlung soll betörend auf ihre Gesprächspartner wirken, kommt aber nie wirklich zur Entfaltung. Immer wieder gibt es hochnotpeinliche Momente, in denen ihr hyperventilierendes, aufgekratztes Wesen für dumme Witze herhalten muss.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Wonder Wheel" - Tragikomödie im New Yorker Vergnügungspark Coney Island von Woody Allen

 

und hier einen Bericht über den Film "Café Society" - romantische Komödie über Hollywood + Jazz-Clubs der 1930er Jahre von Woody Allen

 

und hier ein Beitrag über den Film "Magic in the Moonlight"- 1920er-Jahre-Komödie von Woody Allen mit Colin Firth + Emma Stone

 

und hier einen Beitrag über den Film "Mary Shelley" - schillerndes Biopic über die Frankenstein-Autorin von Haifaa Al Mansour mit Elle Fanning.

 

Negativ fällt zudem auf, wie unsensibel Allen mit den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern umgeht. Besonders pikant ist, dass er sich dafür ausgerechnet die seit Harvey Weinstein in Verruf geratene Filmindustrie ausgesucht hat. Bissige und ambivalente Beobachtungen sucht man allerdings vergeblich; stattdessen zelebriert der Film mit der Figur des Fan-Girls Ashleigh, das sich von prominenten Männern sofort blenden lässt, eine abgeschmackte Altherrenfantasie.

 

Bitte mit Filmemachen aufhören

 

Die nostalgisch gefärbten Filmbilder von Manhattan mögen noch so nett anzuschauen sein, und das Ensemble kann sich noch so sehr um Authentizität bemühen: Der Funke will einfach nicht überspringen. Schon die letzten Filme von Allen waren belanglos überraschungsarme Boulevardstorys; nun erreicht er einen kreativen Tiefpunkt. Nichtssagende Episoden treffen auf die denkbar größten Klischees und mit dem dramaturgischen Holzhammer vorbereitete Wendungen.

 

Emotionale Anteilnahme an den Irrungen und Wirrungen der Protagonisten lässt sich auf diese Weise nicht erzeugen. Die Filmfigur des mit sich hadernden Star-Regisseurs könnte man glatt als Selbstbeschreibung von Allen auffassen; er steckt schon seit einigen Jahren in einer künstlerischen Sackgasse. Wer nichts mehr zu erzählen hat und nur noch aus alten Schubladen abgegriffene Ideen hervorkramt, sollte vielleicht besser mit dem Filmemachen aufhören.