Verheiratet oder tot – eine andere Alternative gebe es nicht. Das erklärt der Verleger Mr. Dashwood (Tracy Letts) der angehenden Schriftstellerin Jo (Saoirse Ronan). Was die junge Frau geschrieben hat, gefällt ihm durchaus. Veröffentlichen will er ihr Manuskript dennoch nur unter einer Bedingung: Sie solle das Ende umschreiben. Dass eine weibliche Hauptfigur am Schluss etwas anderes sein könnte als verheiratet oder tot, würde das Publikum nicht schlucken, so der Verleger.
Info
Little Women
Regie: Greta Gerwig,
134 Min., USA 2019;
mit: Saoirse Ronan, Emma Watson, Meryl Streep
Sechs Oscar-Nominierungen
Nun hat sich die Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig des Stoffes angenommen. Schon ihr Regiedebüt „Lady Bird“ (2017) – ebenfalls eine Coming-Of-Age-Geschichte – war für fünf Oscars nominiert. Ihr nostalgisch eingefärbter Feelgood-Film „Little Women“ bringt es sogar auf sechs Nominierungen.
Offizieller Filmtrailer
Strenge Tante rät zur Ehe
Arm, aber glücklich: So könnte man das Leben der Schwestern March charakterisieren. Im Elternhaus herrscht ein liberaler Geist. Die herzensgute Mutter kümmert sich um Bedürftige, der Vater kämpft im US-Bürgerkrieg gegen die Sklaverei; beide unterstützen die künstlerischen Bestrebungen ihrer Töchter. Obwohl ihre strenge, reiche Tante (Meryl Streep) gerne daran erinnert, dass damit kein Geld zu verdienen ist – stattdessen sollten die Schwestern anstreben, vorteilhaft unter die Haube zu kommen.
An der Ehe mit einem begüterten Mann führe kein Weg vorbei, wenn eine Frau ein gutes Leben führen wolle, so die Tante. Der hübsche, wohlhabende Nachbarsjunge Laurie (Timothée Chalamet) verdreht zumindest zweien der Schwestern den Kopf. Er selbst ist wohl in alle vier ein bisschen verliebt – am meisten in Jo, die sich ihrerseits vom konventionellen Leben nach einer Heirat am wenigsten verspricht.
Schwestern schlagen + vertragen sich
In Rückblenden schildert der Film Teenager-Phantasien und das Ankommen in der Realität, aber nicht chronologisch. Gerwigs Verfilmung springt, anders als das Buch, zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her: vor allem derjenigen, in der sich die jugendlichen Schwestern schlagen und vertragen, und einer zweiten, in der sie in recht unterschiedlichen Leben angekommen sind.
Jo lebt in einer Pension in New York und schlägt sich als Schriftstellerin durch. Amy (Florence Pugh) ist gerade von einer Europareise mit Tante March zurückgekommen und muss verkraften, dass sie für Laurie die zweite Wahl ist, obwohl er ihr zuvor einen Heiratsantrag gemacht hat – jedoch erst, nachdem er von Jo einen Korb bekommen hat. Meg (Emma Watson), die eigentlich ein Leben auf großem Fuß anstrebte, lebt glücklich mit einem armen Schlucker zusammen. Die scheue, musikalisch begabte vierte Schwester Beth ist schwer erkrankt – weshalb sich die Anderen wieder im elterlichen Haushalt einfinden.
Zwiespältige Zeitsprünge
Die warmherzig beschauliche, bisweilen dahinplätschernde Atmosphäre des Films, der sich letztlich als romantische Komödie entpuppt, ist zwar anheimelnd, sorgt in der zweiten Hälfte jedoch für einige Längen. Zwar hat die mäandernde Geschichte einige melancholische Untertöne – doch weniger Gemütlichkeit und mehr psychologischer Realismus hätten dem Spannungsbogen sicher nicht geschadet.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Lady Bird" - stimmiges Coming-of-Age-Porträt von Greta Gerwig mit Saoirse Ronan
und hier eine Besprechung des Films "Die Verführten" - gelungenes Historiendrama über sieben Frauen im US-Bürgerkrieg von Sofia Coppola mit Nicole Kidman
und hier einen Bericht über den Film "Maggies Plan" – skurrile Tragikomödie mit Greta Gerwig als allein erziehender Mutter von Rebecca Miller
und hier einen Beitrag über den Film "Jahrhundertfrauen (20th Century Women)" – liebevolles Patchwork-Familienporträt von Mike Mills mit Greta Gerwig.
Zeitlose weibliche Selbstermächtigung
Alles in allem gelingt Regisseurin Gerwig jedoch eine unterhaltsame, nuancenreiche Adaption der Klassikers. Sie verpasst ihm ein zeitgemäßes Update, das leichtfüßig, aber nicht bemüht modern wirkt. Zum Beispiel mit der eingangs erwähnten Rahmenhandlung, die im Roman nicht vorkommt, in der Jo nach einem Verleger sucht. Sie muss entscheiden, ob sie es mit ihrer Autoren-Ehre vereinbaren kann, ihre Heldin am Schluss zu verheiraten – und zugleich darauf achten, bei Verhandlungen über das Urheberrecht nicht über den Tisch gezogen zu werden.
Dieser clever ausgedachte Kunstgriff erlaubt einen frischen Blick auf den Entstehungskontext des Buchs. Es wurde nicht nur zum Bestseller, weil seine Handlung den Geist ihrer Zeit reflektierte, sondern auch, weil es Selbstermächtigung thematisiert: Wie lassen sich weibliche Handlungsspielräume erweitern? Die Frage ist von unverminderter Aktualität: Alcott hätte an Gerwigs Interpretation ihrer Vorlage sicher ihre Freude gehabt.