Charlize Theron + Nicole Kidman

Bombshell – Das Ende des Schweigens

Megyn Kelly (Charlize Theron) mit ihrem Chef Roger Ailes (John Lithgow). Foto: © Wild Bunch Germany
(Kinostart: 13.2.) Sturz eines weißen alten Mannes: Den Chef des konservativen US-Senders "Fox News" brachten Vorwürfe sexueller Belästigung zu Fall. Diese Affäre zeichnet Regisseur Jay Roach präzise, aber etwas zahm nach – trotz eindrucksvoller Starbesetzung.

Mach den TV-Härtetest: Wer mindestens eine Stunde das Programm von „Fox News“ voller Häme und falscher Anschuldigungen ohne Nebenwirkungen aushält, dürfte hart im Nehmen sein. Prominentester Stammzuschauer des TV-Kanals ist bekanntlich US-Präsident Donald Trump, der sich derzeit auf seine Wiederwahl vorbereitet. Kein Wunder, dass er auch im Medien-Thriller von Regisseur Jay Roach eine wichtige Nebenrolle spielt.

 

Info

 

Bombshell -
Das Ende des Schweigens

 

Regie: Jay Roach,

108 Min., USA 2019;

mit: Margot Robbie, Charlize Theron, Nicole Kidman

 

Weitere Informationen

 

Sein Film beleuchtet die Arbeitsweise von „Fox News“ am Beispiel des einst allmächtigen Senderchefs Roger Ailes. Der 1996 von Medienmogul Rupert Murdoch gegründete TV-Kanal verbreitet rechtskonservative Ansichten mit allen Mitteln, um sein vorwiegend männliches Publikum bei der Stange zu halten; etwa mit schönen Frauen, die vor der Kamera viel Bein zeigen.

 

Schönheit geht vor Kompetenz

 

Also beginnt der Film mit einer Garde kurzberockter Damen, die vorbeimarschieren, was eher an eine Fashion-Komödie denken lässt als an ein Polit-Dokudrama. Sex sells: Schönheit geht vor journalistischer Kompetenz; deshalb haben sich die „Fox News“-Moderatorinnen ein dickes Fell gegen die Misogynie ihrer Kollegen zugelegt.

Offizieller Filmtrailer


 

Niemand will sehen, wie Menopause-Frau schwitzt

 

Starmoderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) will allerdings mehr Profil zeigen: Mitte 2016 befragt sie in einem Interview zur besten Sendezeit den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu seinen frauenfeindlichen Äußerungen. Wie zu erwarten, reagiert er mit einer Twitter-Schmähkampane gegen Kelly, was Senderchef Roger Ailes (großartig: John Lithgow) verärgert: Trump ist sein persönlicher Freund und zudem verlässlicher Quotengarant.

 

Kelly wird nur von Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) unterstützt. Die gestandene Reporterin wurde ins Nachmittagsprogramm abgeschoben, wo sie aus Protest gegen das bei „Fox News“ übliche Barbie-Image einmal ungeschminkt moderiert. Der 76-jährige Fettkloß Ailes will aber „keine Frau in den Wechseljahren schwitzen sehen“ und entlässt Carlson.

 

Belegschaft teilt sich in zwei Lager

 

Ihren Job würde gern die Jungreporterin Kayla Pospisil (Margot Robbie) übernehmen; sie setzt alles daran, um eine Audienz beim Chef zu bekommen. Als Carlson wenig später ihren früheren Boss wegen sexueller Belästigung verklagt, rührt sie an ein lange vertuschtes Problem. Ihr Schritt spaltet die Frauen der Belegschaft in zwei lautstarke Lager; nur Megyn und Kayla bleiben aus gutem Grund verdächtig ruhig.

 

Warum  Kayla schweigt, erfährt der Zuschauer buchstäblich hautnah: An ihrer fiktiven Figur wird durchgespielt, wie der Sender unter Ailes funktioniert. Er teilt die Welt in Gut und Böse ein; um auf seiner Seite zu stehen, helfen blonde Haare und lange Beine ebenso wie eine evangelikale Erziehung. Kayla kann das alles vorweisen und schafft es, sich bis zum Chef durchboxen.

 

Heimlich Hillary Clinton verehren

 

Was dieser aber von ihr fordert, bringt die ehrgeizige junge Frau zum Nachdenken. Zunächst inspiziert er ihre Beine bis zum Slip-Ansatz und fordert sie auf, bei nächster Gelegenheit ihre Loyalität noch deutlicher unter Beweis zu stellen. Dass sie inzwischen ein homosexuelles Verhältnis mit der Produzentin ihrer Sendung hat, in deren Wohnzimmer ein Porträt von Hillary Clinton hängt, darf an ihrem Arbeitsplatz niemand erfahren.

 

Diese verwickelte Faktenlage zu fiktionalisieren, ist schwierig – Regisseur Jay Roach gelingt es nicht durchweg überzeugend. Das liegt zum Teil an der sehr konventionellen, chronologischen Dramaturgie des Films; dabei imitiert er zu oft das Medium Fernsehen und schafft nur in stillen Momenten einprägsame Bilder.

 

Zu perfiden Deals gehören Zwei

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Spotlight" - exzellenter Polit- + Medien-Thriller über sexuellen Mißbrauch von Tom McCarthy, Oscar-prämiert als bester Film 2016

 

und hier einen Bericht über den Film "Die Erfindung der Wahrheit – Miss Sloane" - brillanter Lobbyismus-Thriller von John Madden

 

und hier eine Besprechung des Films "Der Moment der Wahrheit - Truth" - Polit- und Medien-Thriller um gefeuerten TV-Moderator von James Vanderbilt mit Cate Blanchett + Robert Redford

 

und hier einen Beitrag über den Film "Trumbo" - gelungenes Biopic über den verfolgten Drehbuch-Autor Dalton Trumbo von Jay Roach.

 

Natürlich ist es eine Genugtuung, der Demontage eines echten Widerlings beizuwohnen. Doch Regisseur Roach beschränkt sich auf dieses Prachtexemplar eines so mächtigen wie schäbigen weißen alten Mannes; nur am Rande scheint Kritik an allgemeiner Frauenfeindlichkeit in konservativen Milieus der US-Gesellschaft durch. Allerdings arbeitet der Film deutlich heraus, dass zum perfiden Tauschhandel Aufstiegs-Chancen gegen Sex stets zwei Mitspieler gehören.

 

Sowohl Gretchen als auch Megyn haben dieses System mitgetragen; sie machten auch wegen ihrer optischen Vorzüge Karriere. Aus der von Gretchen losgetretenen Affäre hält sich Megyn zunächst mit dem Argument heraus, dass ihre Familie Ailes einen hohen Lebensstandard verdankt. So dauert es eine Weile, bis immer mehr Beschäftigte Gretchens Vorwürfe bestätigen; Eigentümer Rupert Murdoch muss schließlich Ailes entlassen, um den Image-Schaden zu begrenzen.

 

Bitte mehr Witz + Radau

 

Dennoch bleibt beim Zuschauer etwas Unbehagen zurück; trotz der Starbesetzung mit Theron und Kidman in den Hauptrollen. Ihre aufwändige Angleichung an die lebenden Vorbilder ihrer Rollen wurde soeben mit dem Oscar für das beste Make-Up und Hairstyling prämiert – was etwas paradox anmutet bei einem Film, der medialen Schönheitskult aufs Korn nimmt.

 

Am ehesten im Gedächtnis haften bliebt jedoch die fiktive Figur der Kayla; sie verleiht der Handlung eine gewisse Nachdenklichkeit und dadurch mehr Profil. Ansonsten hätte dem Film – passend zum Gegenstand – etwas mehr Witz, zynische Schärfe oder auch Radau gut getan. Dafür ist das Thema aber vielleicht noch zu präsent.