
Zur englischen Oberklasse zählt – abgesehen von den Royals und ihrem Umfeld – neuer Geld- und verarmter alter Landadel mit üppigem Großgrundbesitz. Im Film von Regisseur Guy Ritchie gesellen sich verschiedene Emporkömmlinge, schmierige Verleger und international operierende Kriminelle hinzu. Letztere liefern sich in den Grauzonen dieses sozialen Biotops wahre Schlachten um den Zugang zum gehobenen Lebensstil mit Dienerschaft und Tweed-Anzügen.
Info
The Gentlemen
Regie: Guy Ritchie,
113 Min., Großbritannien/ USA 2019;
mit: Matthew McConaughey, Hugh Grant, Colin Farrell
Frührentner in der High Society
Der Exil-Amerikaner Michael „Mickey“ Pearson (Matthew McConaughey) hat sich mit beträchtlichem Talent und Willen zu gnadenloser Brutalität aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet. Als die Filmhandlung einsetzt, hat er ein millionenschweres Marihuana-Reich aufgebaut. Nun möchte er sein Wissen über die feinen Unterschiede im kulturellen Klassenkampf der Londoner Society ausleben – und mehr Zeit mit seiner Frau Rosalind (Michelle Dockery) und Spaziergängen in der Natur verbringen.
Offizieller Filmtrailer
Rückzug ist schwieriger als Einstieg
Also will Mickey sein Gras-Imperium gewinnbringend veräußern – und zwar an einen anderen US-Gangster: den exzentrischen Milliardär Matthew (Jeremy Strong). Der tritt Mickey als Freund entgegen, spinnt aber zugleich im Hintergrund Intrigen gegen seinen Handelspartner in spe, um den Preis für die Übernahme zu drücken.
Dadurch erweist sich der Rückzug aus dem Business für Mickey als fast noch schwieriger als einst der Einstieg. Sobald Gerüchte über sein Ausscheiden kursieren, möchte sich ein ganzer Schwarm von Nutznießern und Konkurrenten an seinem Nachlass zu Lebzeiten bereichern. Nun muss Mickey beweisen, dass er sein gern zitiertes Motto auch beherzigt: Es reicht nicht, sich wie ein König zu gebärden – man muss auch einer sein.
Abholdienst für bedröhnte Tochter
Diese Geschichte erzählt Regisseur Ritchie mit vielen skurrilen Gestalten, überraschenden Wendungen, Witz und Theatralik. Ähnlich wie in früheren Filmen basiert alles auf guten Ideen. So muss Mickey öfter den Landadeligen, auf deren Grund und Boden seine Farmen stehen, diverse Gefälligkeiten erweisen: Einmal schickt er seinen besten Mann Ray nach London, um eine verzogene gefallene Tochter aus einer Drogenhöhle zurück zu ihren Eltern zu bringen.
Ray ist Mickeys rechte Hand, ebenso loyal wie brillant; allerdings hat er einen an eine Zwangsstörung grenzenden Hang zu Ordnung, was in der Junkie-Hochhauswohnung zu allerhand Aufregung führt. Dem Regisseur dient Ray darüber hinaus als Vehikel, um im Wechselspiel mit Hugh Grant als Privatdetektiv und Tausendsassa Fletcher die Handlung voranzutreiben.
Brutalität à la Tarantino
Hintergrund
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Wie sein Kollege Quentin Tarantino tischt Guy Ritchie im Verlauf der Handlung eine Menge an Drastik und Brutalität auf; allerdings wirkt das weniger wie Selbstzweck als bei Tarantino. Eher dient es der Beschreibung der Schattenseiten eines Lebensstils, der zuallererst nach Reichtum und glatten Oberflächen strebt.
Nur einer weiß, wann Schluss ist
Neben allen moralisch zwielichtigen oder einfach eindimensional machtbesessenen Figuren darf einzig Colin Farell als „Coach“ eine vorbildlich positive Rolle übernehmen. Das tut er eindrucksvoll; er weiß aber auch, wann Schluss sein sollte. Womit er in diesem Film ziemlich allein dasteht.