
Sie sind unersetzliche Gehilfen aller Maler und Galeristen: Ohne Bilderrahmen bliebe keine Leinwand straff gespannt, könnte kein Meisterwerk an der Wand hängen. Rahmen gibt es in allen Größen, Formen und Farben – meist aus Holz, neuerdings auch aus Metall oder Kunststoff. Als Einfassung tragen Rahmen erheblich zur Wirkung von Bildern bei.
Info
Unzertrennlich -
Rahmen und Bilder der Brücke-Künstler
16.11.2019 - 15.3.2020
täglich außer dienstags
11 bis 17 Uhr
im Brücke-Museum, Bussardsteig 9, Berlin
Katalog 49,95 €
Wiederentdeckt!
Rahmen und Bilder der Brücke-Künstler
28.03.2020 - 05.07.2020
täglich außer montags
10 bis 17 Uhr
im Buchheim-Museum, Am Hirschgarten 1, Bernried am Starnberger See
Längst fällige Rehabilitierung
Trotz ihrer tragenden Rolle für die Malerei werden Rahmen im Kunstbetrieb gewöhnlich wenig beachtet. Aus diesem Schattendasein will sie das Brücke-Museum herausholen: mit einer Ausstellung, die ihnen genauso viel Aufmerksamkeit wie den Bildmotiven zubilligt. Ein äußerst verdienstvolles Vorhaben und längst fälliger Akt der Rehabilitierung; anschließend wandert die Schau ins Buchheim-Museum in Bernried am Starnberger See, das ebenfalls auf Expressionismus spezialisiert ist.
Diese Kunstströmung bietet sich für einen systematischen Vergleich von Bildern und Rahmen an, denn die Brücke-Maler griffen nicht zu Konfektionsware, sondern entwarfen ihre Bilderrahmen meist selbst – und waren dabei sehr experimentierfreudig. Das Berliner Museum kann sich also ausgiebig bei den hauseigenen Bestände bedienen, begnügt sich aber nicht damit; es hat zusätzlich europaweit besonders eigenwillig gerahmte Werke ausgeliehen.
Impressionen der Ausstellung
Wie Montage-Anleitung aus Baumarkt
Zu Beginn erhält jeder Besucher ein Glossar-Blatt, das alle Fachbegriffe mit Zeichnungen veranschaulicht – ähnlich wie eine Montage-Anleitung aus dem Baumarkt. Ein unerlässliches Utensil, denn nun taucht man ein in die wundersame Welt einer stolzen Handwerkskunst. Anstelle von Motiv-Erklärungen füllen die Bildlegenden solche Erläuterungen wie etwa: „Plattenrahmen auf Stoß, verzapft; Lichtbereich auf Gehrung ausgeklinkt; rückseitig äußerer Steg auf Gehrung, innerer Steg auf Stoß; die inneren Stegleisten bilden den Falz.“
Keine Sorge: Dieser Tischlerei-Jargon lässt sich mithilfe der Glossar-Skizzen problemlos entschlüsseln. Aufschlussreicher sind aber Wandtexte zur Wechselwirkung von Gemälden und Rahmen-Gestaltung. Wie zuvor schon die Impressionisten setzten die Brücke-Maler anfangs auf die neutrale Anmutung weißer Holzrahmen, etwa bei der ersten Ausstellung ihrer Gruppe 1906 – in einem Dresdener Lampengeschäft.
Kirchner als Rahmen-Wechsler
Bald gingen sie aber zu bunt oder schwarz gestrichenen Rahmen aus einfachen Nadelholz-Brettern über. Die ließen sie unbehandelt, so dass Aststellen und Maserung sichtbar blieben; der rohe und raue Look entsprach ihrer spontanen Malweise. Solche schwarzen Bretterrahmen wurden später von Sammlern und Museen gegen repräsentativere Exemplare ausgetauscht; bei manchen Exponaten weist die Schau anhand historischer Fotografien mit geradezu detektivischem Spürsinn nach, wann und warum das geschah.
Ein eifriger Rahmen-Wechsler war Ernst Ludwig Kirchner: Zuweilen überstrich er einen goldbronzenen Rahmen nachträglich schwarz, weil ihm das passender erschien. Oder er bemalte den Rahmen mit denselben Farben wie denen des Gemäldes, um eine optische Einheit herzustellen, wie bei seinem Porträt des Sammlers und Mäzens Carl Hagemann (1928/32).
Wellenlinien + Facetten-Bänder
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Emil Nolde: Eine deutsche Legende - Der Künstler im Nationalsozialismus" über die NS-Verstrickung des Künstlers im Hamburger Bahnhof, Berlin
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Max Pechstein - Künstler der Moderne" – solide Werkschau im Bucerium Kunst Forum, Hamburg
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Farbenmensch Kirchner" - gelungene Retrospektive von Ernst Ludwig Kirchner in der Pinakothek der Moderne, München
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Karl Schmidt-Rottluff - Bild und Selbstbild" - Werkschau der Porträts in Wiesbaden und Berlin.
Einen Schritt weiter ging Karl Schmidt-Rottluff: Er setzte Messer oder Hobel an und schnitzte Ornamente in seine Holzrahmen. Teils etwas unbeholfen: Die dünne Wellenlinie um seine „Frauen im Grünen“ von 1914 schlingert wie eine verunglückte Fingerübung. Doch bei anderen Werken beeindruckt das ausgefeilte geometrische Dekor, etwa die Facetten-Bänder der Rahmen zum Gemälde „Dorfecke“ (1910) oder „Der rote Weg“ (1911).
Schnitzkunst von Emil Nolde
Die hohe Schule der Rahmen-Veredelung beherrschte Emil Nolde. Er absolvierte ab 1884 eine vierjährige Lehre als Möbelschreiner, in der er auch klassische Muster der Kunstgeschichte kopierte und schnitzte. Das Gelernte wandte er ausgiebig an: Seine voluminösen schwarzen Rahmen sind prachtvoll mit Blattornamenten und Voluten verziert – quasi als expressionistische Version eines Prunkrahmens.
Angesichts all dieser Varianten entwickelt man bald ein Gespür für ihre unterschiedliche Wirkung: wie etwa ein Rahmen aus schlichten Rundstäben ein Bild hart vom Untergrund abgrenzt und ihm ein nahezu reliefartiges Gepräge verleiht. Inklusive Fortbildung: Wer beim nächsten Museumsbesuch fachkundig über Gehrung, Karnies und Mennige schwadroniert, dem dürften bewundernde Blicke sicher sein.