
So einladend wie die Mondoberfläche: Das Tote Meer macht seinem Namen alle Ehre. Auf etlichen Fotografien in der Ausstellung, die diesen Salzsee aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen, schimmert er verführerisch türkis bis tiefblau – aber seine Ufer sind eine trostlose Einöde aus graubraunen Felsen und Geröll. Die Römer nannten ihn auch „Asphaltsee“, weil auf ihm damals Bitumen-Brocken schwammen; im Alten Testament heißt er „Salzmeer“. Erst die Araber bezeichneten ihn durchgängig als „Totes Meer“; das hat sich durchgesetzt.
Info
Leben am Toten Meer -
Schätze aus dem Heiligen Land
27.09.2019 - 14.06.2020
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr
im smac – Staatliches Museum für Archäologie, Stefan-Heym-Platz 1, Chemnitz
Katalog 29,90 €
24.07.2020 - 15.11.2020
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr
im LWL-Museum in der Kaiserpfalz,
Am Ikenberg, Paderborn
Totes Meer trocknet aus
Der abflusslose See, in den der Jordan-Fluss mündet, liegt in einer Grabenbruch-Senke der Erdkruste. Sein Wasserspiegel liegt etwa 420 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit der tiefste erreichbare Punkt der Erdoberfläche. Der immer tiefer wird: Da die Anrainer viel Wasser aus dem Jordan abzweigen und andere Zuflüsse versiegen, trocknet das Tote Meer allmählich aus. Noch ist es rund 90 Kilometer lang und bis zu 17 Kilometer breit. Früher lag der Wasserspiegel deutlich höher; das belegen Schiffsanlegestellen aus früheren Zeiten. Auf Booten reiste man lange am leichtesten; für durchgehende Uferstraßen waren die Felsufer zu steil.
Impressionen der Ausstellung
Balsam + Zucker als Exportschlager
Diese einzigartige Gegend veranschaulicht das SMAC mit einer originellen Inszenierung. Um eine Multimedia-Installation, die Basis-Informationen vermittelt, sind konzentrisch sechs hufeisenförmige Schau-Pfade zu ebenso vielen Themen angeordnet: von wirtschaftlichen Grundlagen über Besiedlung und Mobilität bis zu Macht und Religion. Der windungsreiche Parcours sorgt für Abwechslung, Aha-Effekte – und kaschiert den Umstand, dass die meisten der 350 Exponate ziemlich klein und unscheinbar sind. Ihre Bedeutung erschließt sich nicht durch Schauwerte, sondern nur durch Erläuterungen; wer sie mit Gewinn betrachten will, muss recht viel lesen.
Dann wird man mit überraschenden Einsichten belohnt. Etwa zum Balsamstrauch, der an den Ufern des Toten Meeres wuchs: Aus seinem Harz wurde ein Parfüm gewonnen, das zu den teuersten Luxusartikeln der antiken Welt zählte. Auch andere Pflanzenteile wurden zu begehrten Kosmetika und Medikamenten verarbeitet. Nach dem Niedergang der Plantagenwirtschaft in frühislamischer Zeit starb der Balsamstrauch aus; heute bemüht man sich um Rückzüchtungen. Die Araber, die ab dem 7. Jahrhundert die Region beherrschten, führten dagegen Zuckerrohr ein; der gewonnene Zucker wurde zum Exportschlager. Diese Monokulturen waren im Mittelalter und in osmanischer Zeit hochprofitabel, führten aber zu Entwaldung, Wassermangel und Bodenerosion – und damit zur jetzigen Verödung.
Massen-Selbstmord in Masada
Heutzutage verbindet man mit dem Toten Meer kaum Landwirtschaft, sondern historische Stätten. Wie Jericho: Seine Mauern sollen die Israeliten der Bibel zufolge mit dem Klang ihrer Trompeten zum Einsturz gebracht haben. Nachdem Fundamente eines 8000 Jahre alten Turms ausgegraben worden waren, galt Jericho zeitweilig als älteste Stadt der Welt – doch handelte es sich wohl eher um ein größeres Dorf, das mehrfach zerstört und wieder aufgebaut worden war. Am Beispiel des dortigen Tell-es-Sultan wird anhand eines großformatigen, detailliert ausgearbeiteten Modells vorgeführt, wie solche Schutthügel entstanden. Mit ungebrannten Lehmziegeln errichtete Häuser zerfiellen, wenn sie verlassen wurden; darauf errichteten andere Siedler später neue Behausungen.
Aus massiven Steinen bestanden dagegen die beiden mächtigen Festungen Masada auf der West- und Machärus auf der Ostseite des Toten Meeres. Beide lagen fast uneinnehmbar auf hohen Felsen und spielten während des Ersten Jüdischen Aufstands gegen die Römer (66-74 n.Chr.) eine wichtige Rolle als Zufluchtsorte. Die letzten Rebellen sollen laut der „Geschichte des Jüdischen Krieges“ des Zeitzeugen Flavius Josephus kollektiven Selbstmord begangen haben, anstatt sich den Angreifern zu ergeben; archäologisch belegen lässt sich das nicht.
Riesen-Mosaik als Panorama-Karte
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "This Place" - kontroverse Fotoschau über Israel + Palästina im Jüdischen Museum, Berlin
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Welcome to Jerusalem" – facettenreiches Porträt der umstrittensten Stadt der Welt im Jüdischen Museum, Berlin – Benjamin Netanjahu protestierte
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf" über die Restaurierung 3000 Jahre alter Monumente aus Syrien im Pergamonmuseum, Berlin.
Klar und eindeutig sind dagegen die Motive auf der Mosaik-Karte einer Kirche in der jordanischen Kleinstadt Madaba. Das um 570 n. Chr. angefertigte, meterlange Bodenmosaik zeigt das Heilige Land als detailreiche Panoramakarte – inklusive Schiffen, Pflanzen und Tieren; etwa einem Fisch in der Jordan-Mündung, der vor dem Toten Meer umkehrt, weil er dort nicht überleben würde. Die Karte ist eine unschätzbar wertvolle historische Quelle; daher verwendet die Schau an mehreren Stellen passende Ausschnitte als Kopien.
Alles ist eng verflochten
Auf der Madaba-Karte, die ursprünglich aus zwei Millionen Mosaiksteinchen bestand, gehen Motive und Schriftzüge fast nahtlos ineinander über – so eng verflochten sind hier die verschiedenen Epochen und Akteure. Unmöglich, sie streng auf einzelne Sektoren aufzuteilen und ihnen vermeintlich historische Rechte zuzuweisen, um etwa die israelische Annexion von Teilen des Westjordanlands zu rechtfertigen; das macht diese liebevoll gestaltete Ausstellung wünschenswert deutlich. Das Meer tief unten mag tot sein, die Landstriche darüber sind es nicht.