Richard Dreyfuss

Astronaut

Angus Stewart (Richard Dreyfuss) kann seinen Traum erfüllen. Foto: JETS Filmverleih & Vertrieb
(Kinostart: 15.10.) Aus dem Pflegeheim zum Weltraumflug: Regisseurin Shelagh McLeod lässt einen pensionierten Ingenieur, der seinem Lebenstraum nachjagt, ins All abheben – in einer betulichen Erbauungsgeschichte mit vorhersehbarem Verlauf und naiver Botschaft.

Lange zeichnete das Mainstream-Kino ein eher rosiges Bild des Altwerdens; frustrierende Aspekte wie etwa der, dass betagten Menschen nicht mehr viel Lebenszeit bleibt, wurden recht stiefmütterlich abgehandelt. Das hat sich in den letzten Jahren geändert; man denke an den übellaunigen Witwer Carl im herzerwärmenden Trickfilm „Oben“ (2009) von Pete Docter. Oft geht es dabei um nicht realisierte Lebensträume und die Frage: Muss man seine Ambitionen im Alter begraben? Oder ist es gerade in dieser Lebensphase wichtig, sich noch einmal neuen Aufgaben zu stellen?

 

Info

 

Astronaut

 

Regie: Shelagh McLeod,

97 Min., Kanada 2019;

mit: Richard Dreyfuss, Lyriq Bent, Krista Bridges

 

Weitere Informationen

 

Die kanadische Schauspielerin Shelagh McLeod wurde zu ihrem Debüt als Drehbuchautorin und Regisseurin von Besuchen im Pflegeheim inspiriert, in dem ihre Mutter untergebracht war. Ihr Melodram ist mit dem Hollywood-Veteranen Richard Dreyfuss in der Hauptrolle prominent besetzt. Seinen Durchbruch hatte er vor knapp 50 Jahren mit George Lucas‘ Coming-of-Age-Musikfilm „American Graffiti“ (1973) und dem Thriller „Der weiße Hai“ (1975); später überzeugte er vor allem in Komödien.

 

Den Kinder eine Last

 

Dem von Dreyfuss gespielten Pensionär Angus Stewart geht es nicht gut: Nach dem Tod seiner demenzkranken Frau sitzt er auf einem Berg Schulden. Auch gesundheitlich baut er immer mehr ab: Er scheint seiner Tochter Molly (Krista Bridges) und ihrem ohnehin wenig einfühlsamen Ehemann Jim (Lyriq Bent) vor allem eine Last zu sein. Einzig sein Enkel Barney (Richie Lawrence) interessiert sich aufrichtig für den früheren Straßenbauingenieur, dessen Leidenschaft das Weltall ist; am liebsten wäre Angus Astronaut geworden.

Offizieller Filmtrailer


 

Per Lotterie in die Galaxie

 

Gleich zu Anfang des Films entstaubt er sein altes Teleskop. In seinem Umfeld teilt jedoch nur Barney seine Leidenschaft fürs Sternegucken. Als Angus schließlich in eine Pflegeeinrichtung umziehen muss, zerrt der eintönige Alltag schnell an seinen Nerven. Soll  das wirklich alles gewesen sein? Auch Barney findet: Auf keinen Fall! Er ermuntert seinen Großvater, an einer ungewöhnlichen Lotterie teilzunehmen. Ein Milliardär namens Marcus Brown (Colm Feore), ein blasser Verschnitt des exzentrischen Unternehmers Elon Musk, verlost nämlich einen Platz für einen zivilen Weltraumflug.

 

Die Altersgrenze missachtend, meldet sich Angus an – und schafft es wider Erwarten in die Vorauswahl. Ausgerechnet ihm fällt bald ein grober Planungsfehler dieses so ambitionierten wie kostspieligen Projekts auf: Deutlich prangert der Film an, dass alte Menschen oft einfach abgeschoben werden. Dem setzt Regisseurin McLeod eine Geschichte entgegen, die dem sympathischen, wenn auch etwas naiven Prinzip gehorcht: Folge Deinen Träumen!

 

Dramaturgisches Stottern

 

In „Astronaut“ stecken fraglos gute Absichten; die Botschaft der 60-jährigen Neuregisseurin ist durchaus sympathisch. Wenig gelungen wirkt jedoch, wie sie diese im Detail umsetzt. Obwohl McLeod mit Richard Dreyfuss einen versierten Darsteller engagieren konnte, wirkt ihr Protagonist einfach nicht interessant genug. Hier und da blitzt zwar das Charisma des Altstars auf, doch das Drehbuch liefert ihm kaum Vorlagen, um zu glänzen.

 

Hintergrund

 

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Angus‘ Faszination für die Geheimnisse des Universums wird zwar ständig beschworen – was genau ihn an diesen endlosen Weiten reizt, bleibt jedoch diffus. Darüber hinaus vernachlässigt die Regisseurin philosophische Fragestellungen, die sich bei ihrer Prämisse eigentlich aufdrängen. Bloß an einem Punkt deutet sich eine reizvolle Überlegung an: Wie stellt sich die menschliche Existenz aus dem All betrachtet dar?

 

Plump ausformuliert

 

Dramaturgisch kommt der Film bereits im Mittelteil ins Stottern: Familiäre Konflikte, die anfangs eingeführt wurden, spielen plötzlich keine Rolle mehr. Ohne Dringlichkeit plätschert die Handlung ihrem vorhersehbaren Ende entgegen und wirkt passagenweise wenig glaubwürdig. Die charmante Grundidee hätte mehr erzählerische Raffinesse verdient.

 

Mit seinen nicht gerade fantasievollen Bildern wirkt „Astronaut“ auch visuell holprig. Dass sich McLeod in einer Szene zudem bemüßigt fühlt, ihre Botschaft explizit auszuformulieren, sagt eigentlich schon alles über den Einfallsreichtum dieser uninspirierten Erbauungsgeschichte aus.