Katharina Weingartner

Das Fieber – Der Kampf gegen Malaria

Im Reisfeld: Richard Mukabana, Professor für Biologie aus Kenia, sucht nach lokalen Lösungen gegen Malaria. Foto: © W-film / pooldoks. Foto: © W-film / pooldoks
(VoD-Start: 25.4.21) Malaria ist die tödlichste Seuche der Welt: Jährlich stirbt eine halbe Million Menschen daran. Regisseurin Katharina Weingartner zeigt alternative Therapieformen in Ostafrika – und attackiert raunend WHO und Pharmakonzerne.

Die Corona-Krise lässt vergessen, dass weltweit noch ganz andere Seuchen wüten. Daran erinnert der Dokumentarfilm von Regisseurin Katharina Weingartner über Initiativen in Ostafrika, die mit lokalen Mitteln die Malaria bekämpfen wollen. Zugleich greift die Regisseurin so heftig wie diffus die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Pharmakonzerne an.   

 

Info

 

Das Fieber – Der Kampf gegen Malaria

 

Regie: Katharina Weingartner,

99 Min., Österreich/ Deutschland 2019;

mit: Rehema Namyalo, Richard Mukabana, Patrick Ogwang 

 

Website zum Film

 

Für Europäer ist Malaria nur bei Urlaubs- und Geschäftsreisen in die Tropen ein Thema: Betroffen sind weite Gebiete beiderseits des Äquators in Asien, Afrika und Lateinamerika, in denen etwa drei Milliarden Menschen leben. Im Gegensatz zu Viren-Infektionen wie Influenza, SARS und Covid-19 wird Malaria von einem Parasiten ausgelöst. Plasmodium falciparum und verwandte Erreger kommen nicht, wie der italienische Name nahelegt, aus „schlechter Luft“, sondern werden durch Anopheles-Mücken übertragen. Sie brüten meist in flachen, stillen Gewässern – etwa Pfützen und Wasserlachen.

 

Kontext-Infos nur als Text

 

Waldrodung, bewässerter Ackerbau und unzureichende Kanalisation bieten beste Bedingungen zur Fortpflanzung. Laut WHO-Angaben sterben jährlich etwa eine halbe Million Menschen an Malaria, davon 90 Prozent in Afrika. Aus Indien und der westlichen Welt importierte Medikamente können sie retten und heilen, aber sie sind teuer und nicht überall verfügbar. Solche Kontext-Informationen liefert die Doku nur in Texteinblendungen; auf Off-Kommentare wird verzichtet.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

2000 Jahre altes China-Rezept

 

Die Kamera konzentriert sich auf Menschen in Uganda und Kenia, die mit der potentiell tödlichen Krankheit leben müssen. Mütter und Lehrer erzählen, wie Kinder starben; Ärzte und Forscher berichten von ihrem Kampf gegen die Krankheit – und von den Hindernissen, auf die sie dabei stoßen. Im Zentrum des Films steht ein Heilmittel, das in der traditionellen chinesischen Medizin schon vor zwei Jahrtausenden bekannt war: Artemisia annua, der Einjährige Beifuß.

 

Aus diesem Kraut wurde 1972 von der chinesischen Pharmakologin Tu Youyou, die ebenfalls im Film kurz zu Wort kommt, der Wirkstoff Artemisinin isoliert. Doch im Westen sei man damals nicht interessiert gewesen, „weil man die eigenen Medikamente verkaufen wollte“, vermutet die Medizin-Nobelpreisträgerin von 2015. Erst drei Jahrzehnte später brachte das Schweizer Unternehmen Novartis mit „Coartem“ bzw. „Riamet“ ein Malaria-Medikament auf der Basis von Artemisinin auf den Markt.

 

Pflanzen statt Pillen

 

Der Pharmakologe Patrick Ogwang arbeitet an der Universität von Mbarara in Uganda an Methoden zur Malaria-Prophylaxe. Doch seine Bemühungen würden von der WHO und Pharma-Konzernen behindert, klagt er. Das Problem ist klar: In Südostasien ist der Parasit gegen Artemisinin resistent geworden; das stellt die Wirksamkeit von Coartem/ Riamet in Frage.

 

Ogwang und die Heilpraktikerin Rehema Namyalo im ugandischen Masaka setzen auf den Einjährigen Beifuß selbst: Artemisinin sei nur einer von rund 240 Wirkstoffen der Artemisia-Pflanze. Seit jeher werde in Afrika Malaria traditionell mit einem Tee aus Beifuß und Zitronengras behandelt; dass dafür nötige Kraut könne praktisch jedermann im eigenen Garten anbauen, betonen sie.

 

Mückentod durch Bakterium

 

Solche herkömmliche Heilkunde wurde allerdings durch Missionare, Kolonialisten und Schulmediziner lange unterdrückt; es bedürfte daher großflächiger Aufklärungs-Programme, um sie wieder zu verbreiten. Ogwang erhält aber nach eigenen Worten von den Behörden keine Lizenz, um seinen Beifuß-Tee an alle Mitarbeiter einer Blumenfarm auszuschenken; ebenso wenig Namyalo für Artemisia-Zäpfchen, um Kleinkindern das bittere Aufgussgetränk zu ersparen.

 

Hintergrund

 

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Der Biologie-Professor Richard Mukabana forscht an der Universität Nairobi über die effektive Bekämpfung der Anopheles-Mücke. Er setzt auf das Bakterium BTI: Wird es in Brutstätten verstreut und von den Mückenlarven gefressen, sterben sie, ehe sie den Parasiten verbreiten können. Doch bislang gebe es keine BTI-Produktionsstätte für den ostafrikanischen Markt, bedauert er: Das biologische Insektizid müsse aus den USA importiert werden.

 

Auf Ostafrika beschränkt

 

Da liegt der Verdacht nahe, dass die Pharma-Lobby und die von ihr beeinflusste WHO eine kostengünstige afrikanische Eigenversorgung behindern. Anstatt solchen Spuren nachzugehen, belässt Regisseurin Weingartner es bei Andeutungen im eingeblendeten Text. Bei Novartis in Basel filmt sie nur die automatisierte Medikamenten-Fertigung; bei der „Bill & Melinda Gates Stiftung“ in Seattle, die Malaria-Forschung mit Hunderten Millionen Dollar fördert, gar nur den Empfangsraum. Mit Vertretern dieser oder anderer westlicher Organisationen spricht sie nicht.

 

Ebenso wenig mit Wissenschaftlern, die andere Ansätze verfolgen; immerhin gibt es mindestens vier verschiedene Arzneimittel-Wirkstoffe zur Malaria-Prophylaxe und -Therapie. Ihre auf wenige Akteure in Uganda und Kenia beschränkte Recherche bietet zwar anschauliche Bilder, aber keinen umfassenden Überblick über den Kampf gegen die tödlichste Geißel der Menschheit. Ob dagegen mit dem Einjährigen Beifuß tatsächlich ein allheilbringendes Kraut gewachsen ist, bleibt unklar.

 

(Seit 25.4.21 als VoD bei W-Film)