Nieder mit der alten Ordnung! Thomas Clay erzählt die Geschichte der ungewöhnlichen Emanzipation einer Frau im England des 17. Jahrhunderts. Sein minutiös inzeniertes Kammerspiel bricht mit vielen Konventionen des Historienkinos – und wirkt dadurch umso glaubwürdiger.
Info
Die Erlösung der Fanny Lye
Regie: Thomas Clay,
105 Min., Großbritannien/ Deutschland 2019;
mit: Maxine Peake, Charles Dance, Zak Adams
Weitere Informationen zum Film
Faszination 35-mm-Film
Thomas Clay macht alles anders. Der bislang weitgehend unbekannte britische Independent-Regisseur arbeitete rund zehn Jahre an seinem Werk „Die Erlösung der Fanny Lye“. Gedreht wurde bereits im Winter 2015/16 – und zwar auf 35-mm-Film! Der Charme des analogen Materials verliert sich zwar auf dem häuslichen Bildschirm, aber das tut der eigenwilligen Faszination dieser Geschichte keinen Abbruch.
Offizieller Filmtrailer
Gefährliches Chaos
Die Handlung spielt im England Mitte des 17. Jahrhunderts, in der Grafschaft Shropshire in den westlichen Midlands. Der englische Bürgerkrieg zwischen den Königstreuen und den Verfechtern der Republik ist erst seit wenigen Jahren vorbei, die Regentschaft des Puritaners Oliver Cromwell neigt sich dem Ende zu. Das Land wird zerrissen von politischen und religiösen Konflikten zwischen Monarchisten und Republikanern, Katholiken, Anglikanern, Presbyterianern und Puritanern. Der Kampf um die Hoheit über die Seelen der Menschen wird noch durch neue radikale Bewegungen wie Quäker und Ranter angeheizt – gefährliche Zeiten, mit einem Wort: Chaos.
Kein Wunder also, dass Fremde in einer solchen Welt eine potenzielle Gefahr darstellen. So zieht der alternde Kriegsveteran John (Charles Dance) sofort die Waffe, als er eines Tages nach der Rückkehr vom Kirchgang ein unbekanntes junges Paar in der Scheune seiner abgelegenen Farm vorfindet. Thomas (Freddie Fox) und seine sinnliche Frau Rebecca (Tanya Reynolds) erzählen, sie seien von Wegelagerern überfallen worden und gerade so mit dem im wahrsten Sinne des Wortes nackten Leben davongekommen. Nur dem Eingreifen von Johns pragmatischer Frau Fanny (Maxine Peak) ist es zu verdanken, dass die zwei Gestrandeten Hilfe von den Farmersleuten bekommen.
Bibeltreue gegen wilde Ehe
Dass Johns Misstrauen durchaus gerechtfertigt war, erweist sich nur wenige Tage später. Es entspinnt sich ein nervenaufreibendes Katz- und Maus-Spiel dieser ungleichen Paare, bei welchem Arthur (Zak Adams), dem Sohn von Fanny und John, die unglückselige Rolle eines Faustpfandes in den Konflikten der Erwachsenen zukommt.
Hintergrund
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Wohldosierte Grausamkeiten
Langsam, aber unerbittlich zieht Regisseur Clay die Gewaltschraube an. Als die Protagonisten realisieren, von welcher Seite wirklich Gefahr droht, ist es zu spät. Wohldosiert zeigt er die Grausamkeiten religiöser Repressionen und sexueller Unterdrückung – und bringt damit eine unheilvoll drohende Spannung in den Plot, der am Ende eine unerwartete Wendung nimmt.
„Die Erlösung der Fanny Lye“ ist aber mehr als nur ein Suspense-Drama im historischen Gewand. In dieser allegorischen Geschichte, die an nur einem Ort spielt und an der kaum mehr als eine Handvoll Protagonisten beteiligt ist, scheint der Geist einer fernen Epoche auf. Vor allem dem intensiven Spiel des Ensembles und der Akribie der Ausstattung ist die Authentizität des Film zu verdanken.
Nebel + Frauenstimme schaffen Distanz
Die schlichten Kostüme, die eigens für diesen Film aufgebaute Farm und die altertümliche Sprache vermitteln einen glaubwürdigen Eindruck des damaligen Lebens; es wirkt spartanisch, aber nicht ärmlich. Über viele Szenen legt sich Nebel und vermittelt den Zuschauern das Gefühl, in weit zurückliegende Zeiten zu blicken. Zudem setzt Regisseur Clay auf ein altmodisches Stilmittel: Eine weibliche Erzählstimme führt durch den Film. Das passt hier sehr gut, weil es wohltuende Distanz zum nervenaufreibenden Geschehen schafft.
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