Er war in „The Big Lebowski“ von Joel und Ethan Coen nur kurz zu sehen – aber in diesen wenigen Minuten stahl John Turturro als Jesus Quintana allen die Show. Mit Haarnetz und ganz in Lila gekleidet, leckte er vor jedem Wurf in der Bowlingbahn seine Kugel an; so wurde sein Auftritt legendär. Eine Fortsetzung ihres Komödien-Klassikers von 1998 haben die Coen-Brüder immer abgelehnt. Sie gaben aber John Turturro die Erlaubnis, die Figur für ein eigenes Filmprojekt zu nutzen. Es ist quasi ein Egotrip: In „Jesus rolls – Niemand verarscht Jesus“ hat Turturro nicht nur Drehbuch und Regie, sondern auch die Hauptrolle übernommen.
Info
Jesus Rolls –
Niemand verarscht Jesus
Regie: John Turturro,
117 Min., USA 2019;
mit: John Turturro, Bobby Cannavale, Audrey Tautou, Susan Sarandon
Weitere Informationen zum Film
Gipsy Kings in Sing Sing
Dabei beginnt der Film durchaus witzig. Zwanzig Jahre nach dem unvergesslichen Duell in „The Big Lebowski“ zwischen dem Dude und Jesus wird dieser aus Sing Sing entlassen, wo er dem Knastteam zum Sieg bei den JVA-Bowling-Meisterschaften verholfen hat. Zum Abschied trällern aus einer Zelle die „Gipsy Kings“; während Jesus in lila Schuhen der Freiheit entgegenläuft, wartet draußen schon Kumpel Petey (Bobby Cannvale).
Offizieller Filmtrailer
Nach einem Besuch bei Jesus‘ Mutter (Sonia Braga), die – natürlich – dem horizontalen Gewerbe nachgeht, fahren die beiden ins Blaue und quatschen über alte Zeiten, was Anlass gibt, den direkten Bezug auf den „Lebowski“-Film herzustellen, indem Jesus die ‚wahre‘ Geschichte seiner Verurteilung als Sexualstraftäter erzählen kann.
Verheizte Stars
Aber er grämt sich nicht, sondern macht einfach weiter wie früher und klaut mit Petey erst einmal den schicken alten Sportwagen eines schmierigen Friseurs (Jon Hamm). Dabei trifft er seine alte Bekannte Marie (Audrey Tautou) wieder, die kurzentschlossen mitfährt und ihnen freimütig eröffnet, sie habe mit 374 Männern geschlafen – ohne große Befriedigung. Auf diesem Niveau geht es bis zum Ende weiter.
Es tut fast schon weh, mehreren Stars zuzusehen, wie sie in Nebenrollen und dramaturgisch sinnlosen Cameo-Auftritten geradezu verheizt werden. So tritt Christopher Walken als Gefängnisdirektor auf, Jon Hamm als Friseur und nicht zuletzt Susan Sarandon als Jean; diese Frau wurde ebenfalls gerade aus dem Gefängnis entlassen. Nach ein paar schönen Tagen mit Jesus und Pete erschießt sie sich im Hotelzimmer.
Knallchargen in New York
Im Original wurde diese Figur von Jeanne Moreau gespielt. Sarandon kann es in dieser Rolle durchaus mit ihr aufnehmen, denn sie nimmt Jean ernst. Das kann man von den anderen Darstellern nicht behaupten: Fast ausschließlich als oberflächliche Knallchargen inszenierte Charaktere stolpern absichtlich unbeholfen durch den US-Bundesstaat New York.
Hintergrund
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Selbstmord nach gutem Sex
Das dürfte auch daran liegen, dass sich Turturro teilweise sklavisch an die französische Vorlage hält und manche Einstellungen und Dialoge Eins zu Eins übernimmt. 1974 konnte man das Duo Infernale durchaus als charmante, junge, subversive Aussteiger aus der Gesellschaft auffassen. Bei Turturro werden daraus aber zwei arg angejahrte, leicht tumbe Typen, die einfach keinen Plan haben. Solche schrägen Gestalten charakterisieren die Coen-Brüder in jedem ihrer Filme besser.
Auch das Frauenbild dieses Films erscheint extrem fragwürdig. Warum sich Marie den beiden Dumpfbacken anschließt, bleibt völlig unerfindlich. Ihre Aufgabe erschöpft sich darin, als augenrollende Projektionsfläche wenig bekleidet bis barbusig durch die Szenerie zu wackeln. Und die erfahrene Jean bringt sich nach der Beglückung durch zwei Männer prompt um – was sonst?
Kein zweites Leben für Kultfigur
Solche Geschlechterrollen waren schon in den 1970er Jahren überholt; heute geht das nicht einmal mehr als Parodie durch. Das Fehlen von Digitaltechnik wie Computern oder Mobiltelefonen verstärkt noch den Eindruck von Verstaubtheit. „Jesus rolls“ hält damit das Versprechen nicht ein, der Kultfigur ein zweites Leben zu geben: Der Film verramscht sie ohne nennenswerten Tiefgang als blödelnden Klamauk. Und nachdem zweimal das Zitat „Nobody fucks with the Jesus“ bemüht worden ist, muss man leider feststellen: doch, und wie!