Alicia Vikander + Dev Patel

The Green Knight

Gawain (Dev Patel) zweifelt an sich und seiner Mission. Foto: Telepool/A24
(Kinostart: 29.7.) Nichtsnutz köpft Ritter: Ein Nebenfigur der Artus-Sage besteht viele Abenteuer – aber verweigert sich dem Ziel. Regisseur David Lowery erneuert das Fantasy-Genre, indem er zwar visuelle Konventionen bedient, aber inhaltlich manche unerwarteten Haken schlägt.

Nach all den Comicfiguren-Blockbustern in letzter Zeit, die Personal und Plot aus altehrwürdigen Helden-Epen beziehen, ist es erfrischend, wenn sich ein Filmemacher wieder an die Ursprünge des Fantasy-Genres erinnert: die Erzählung eines fantastischen Abenteuers. Regisseur David Lowery kommt in „The Green Knight“ ohne CGI-Schlachten, Säbelrasseln und Getöse aus. Sein Film folgt dem Geist der mittelalterlichen „Âventiure“-Romandichtung, deren Held selbst gesuchte Bewährungsproben bestehen muss.

 

Info

 

The Green Knight

 

Regie: David Lowery,

125 Min., USA/ Irland 2020;

mit: Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton

 

Weitere Informationen zum Film

 

Damit erinnert er eher an Filme wie „Excalibur“ (1981) von John Boorman – mit heutigen Mitteln, die visuell kraftvoll eingesetzt werden. Von der Dichtung eines unbekannten Autors aus dem 14. Jahrhundert inspiriert, erzählt Lowery den Werdegang einer Nebenfigur der Artus-Sage, Sir Gawain. Dieser Neffe des Königs der Tafelrunde kommt auch im „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach vor. Anders als in der Sage ist Gawain (Dev Patel) hier kein untadeliger Ritter, sondern ein junger Tunichtgut, der sich in Camelot treiben lässt – am wenig glamourösen Hof seines Onkels König Artus (Sean Harris).

 

Nicht bereit für Weihnachten

 

Von Gänsen und Schafen im matschigen Schlosshof wird Gawain geweckt – nach einer durchzechten Nacht bei seiner Geliebten Essel (Alicia Vikander). An diesem Weihnachtsmorgen sei er nicht bereit für die anstehende offizielle Feier an der runden Tafel des Königs, sagt er. Das bezeichnet seine ganze Lebenslage – und wird ihm kurz darauf zum Verhängnis.

Offizieller Filmtrailer


 

Allerlei lehrreiche Abenteuer

 

Mitten in der Feier taucht der riesenhafte Grüne Ritter auf und fordert die Gesellschaft heraus. Wer sich traue, darf einen Schlag gegen ihn führen – einzige Bedingung: Falls er diesen Schlag überlebt, soll der mutige Kämpfer sich genau ein Jahr später bei ihm einfinden, um denselben Schlag zu empfangen. Gawain sieht darin seine Chance zu beweisen, dass er mehr als ein hedonistischer Nichtsnutz ist – und köpft den Ritter. Als echte Sagengestalt ist der aber nicht zu töten: Den Kopf unterm Arm verlässt er die Runde, nachdrücklich an die Einlösung des Handels erinnernd.

 

Trotz der Bitten Essels und seiner Mutter macht sich Gawain pflichtbewusst nach einem Jahr zum Grünen Schloss. Dabei muss er bis zum Erreichen des Ziels – und der Reife als Erwachsener – viele lehrreiche Abenteuer überstehen. Auf seiner Reise wird er von jugendlichen Wegelagerern bedroht, rettet die obligatorische Jungfrau, und seine Tugendhaftigkeit wird von einer schönen Schlossherrin auf die Probe gestellt, die seiner Geliebten zum Verwechseln ähnlich sieht.

 

Von Gemälden inspirierte Tableaus

 

Wie bei jeder guten ritterlichen Romanze ist auch hier der Weg das Ziel. Regisseur Lowery, der 2018 die Komödie „Ein Gauner und Gentleman“ mit Robert Redford in seiner letzten Rolle inszeniert hat, schildert Gawains Reise episch breit in großartigen Tableaus; oft wirken sie wie von altmeisterlichen Gemälden inspiriert. Lowery romantisiert dabei nicht: Er lässt seinen Protagonisten ausgiebig durch karge, nebelverhangene Landschaften oder über verlassene Schlachtfelder reiten.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Man Who Killed Don Quixote" – fantasievolle Adaption der Ritter-Geschichte von Terry Gilliam

 

und hier einen Beitrag über den Film "Das Märchen der Märchen" – bizarre Verfilmung dreier italienischer Märchen von Matteo Garrone

 

und hier eine Besprechung des Films "Ein Gauner & Gentleman" – lässig-bedächtige Gangster-Komödie von David Lowery mit Robert Redford in seiner letzten Rolle.

 

Derweil steht die Kamera selten still. Meist ist sie nah an Gawain, den Patel sehr plastisch als zunächst verzagten Jüngling porträtiert, der dann aber in Windeseile – die Reise dauert nur sechs Tage – zu Erkenntnis und Reife gelangt, auch weil ihm der Tod unmittelbar vor Augen steht. In einer visionären Sequenz sieht man am Ende eines Rundum-Schwenks den eben noch lebendig gefesselten Gawain als Skelett.

 

Moderner Anti-Held

 

Eine Ausnahme bildet die ruhige Kameraführung der Szenen im lichtdurchfluteten Schloss der verführerischen Dame; ob das hiesige Geschehen real ist oder nur Einbildung des entkräfteten Protagonisten entspringt, bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen. Ihren Avancen kann Gawain letztlich nicht widerstehen, wie er auch seiner Aufgabe letztlich nicht gewachsen ist. Er verweigert ihre Erfüllung – als recht moderner Nichtheld, der stets an sich zweifelt und sich nirgends heimisch fühlt.

 

Begleitet und akzentuiert wird dieser in gemächlichem Tempo erzählte, psychedelische Trip, bei dem Wirklichkeit, Erinnerung und Visionen ineinander übergehen, von einem klug arrangierten Soundtrack aus Neo-Klassik mit mittelalterlich anmutenden Melodien und Chorgesängen. Damit gelingt Regisseur Lowery etwas Bemerkenswertes: Einerseits bedient er die Genre-Konventionen durch diverse Schauwerte. Andererseits unterläuft er sie ständig, indem er keine vorhersehbare Heldengeschichte präsentiert, sondern sie öfter unerwartete Haken schlagen lässt. Auch das doppelte Ende kommt überraschend und zu schnell – wie bei jedem guten Abenteuer.