Michelle Pfeiffer

French Exit

Frances Price (Michelle Pfeiffer) verscherbelt ihre letzte Habe und zieht mit Stapeln von Geldscheinen um. Foto: © 2020 Sony Pictures
(Kinostart: 2.9.) Transatlantik-Flucht vor dem Pleitegeier: Michelle Pfeifer brilliert als reiche Witwe, die mit ihrem Sohn nach Paris abhaut. Regisseur Azazel Jacobs reichert seine Luxusweibchen-Sittenkomödie mit allerlei überraschenden Wendungen an.

Eigentlich sei ihr Plan gewesen, zu sterben, bevor ihr Reichtum zur Neige gehe, erklärt Frances Price (Michelle Pfeiffer) dem Buchhalter der Familie. Ihr Mann hinterließ bei seinem unerwarteten Ableben vor zwölf Jahren ein Vermögen, mit dem sie ihrem dekadenten Luxusleben in der New Yorker High Society eigentlich noch lange hätte frönen können.

 

Info

 

French Exit

 

Regie: Azazel Jacobs,

113 Min., Kanada/ Irland/ Großbritannien 2020;

mit: Michelle Pfeiffer, Lucas Hedges, Valerie Mahaffey, Imogen Poots

 

Weitere Informationen zum Film

 

Doch Frances warf das Geld mit vollen Händen raus. Nun ist alles weg. Der Buchhalter rät ihr, noch schnell ihren Schmuck und Kunstwerke zu veräußern, um danach das Land zu verlassen – „French Exit“ wird solches Davonstehlen ohne Verabschiedung im angelsächsischen Sprachraum genannt. Wie praktisch, dass Frances einzige Freundin Joan (Susan Coyne) eine Wohnung in Paris hat, die sie ihr überlassen kann.

 

Mutter + Muttersöhnchen

 

Frances hat ihren Sohn Malcolm (Lucas Hedges) im Schlepptau; der antriebsschwache Mittzwanziger hat offenbar keinen guten Draht zu seiner Mutter. Trotzdem ist er nicht in der Lage, sich von ihr abzunabeln. Brav wie ein Schaf reist Malcolm mit seiner Mutter nach Paris – und düpiert damit nicht zuletzt seine Verlobte Susan (Imogen Poots).

 

Dieses seltsame Mutter-Sohn-Gespann führt in der neuen Heimat seine New Yorker Routine fort, die es seit Jahren perfektioniert hat; ohnehin erwartet die 60-Jährige nicht mehr viel vom Dasein. Ihr ist durchaus bewusst, dass ihr Lebensentwurf ganz dem Klischee eines reichen Luxusweibchens entspricht, doch für Selbstreflexion hat sie nur ein Schulterzucken übrig. Ihre Einsamkeit trägt sie mit derselben blasierten Selbstgewissheit wie ihre eleganten Mäntel.

Offizieller Filmtrailer


 

Zuviel der Wahrheit

 

Nach der etwas neurotischen Anfangskonstellation im ersten Drittel des Films schlägt Regisseur Azazel Jacobs eine leichtere Tonart an. Frances’ und Malcoms Befindlichkeiten rücken in den Hintergrund, während die Ereignisse um sie herum zunehmend bizarre Haken schlagen. Schon auf der Überfahrt nach Europa – stilbewusst auf einem Ozeandampfer – bändelt Malcolm mit Madeleine (Danielle Macdonald) an. Sie arbeitet auf dem Schiff als Wahrsagerin, wird aber bald aus dem Verkehr gezogen: Sie hat einigen Passagieren unumwunden mitgeteilt, dass sie die Ankunft in Europa nicht mehr erleben werden – das kommt nicht gut an. 

 

Hintergrund

 

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Die Wahrsagerin hat auch nicht verschwiegen, dass im Körper des schwarzen Katers, den Frances nach Europa schmuggelt, der Geist ihres verstorbenen Mannes lebt. Als ob Frances das nicht längst wüsste – nicht von ungefähr heißt die Katze „Small Frank“. Frances verabscheut sie allerdings ebenso, wie sie früher ihren Mann verachtete. Dabei erweist sich Madeleine als Vorbotin eines munteren Panoptikums von Exzentrikern, das die Exilanten in ihrem neuen Leben umgeben wird: Ihre Pariser Wohnung verwandelt sich in eine Art Ferienlager für einen sehr bunten Haufen.

 

Unrund, aber vergnüglich

 

In seiner Verfilmung des Romans „French Exit“ von Patrick de Witt gibt Regisseur Azazel Jacobs seiner Hauptdarstellerin Michelle Pfeiffer reichlich Gelegenheit zu glänzen; sie spielt ihre Rolle brillant. Das geht oft zu Lasten der übrigen Darsteller. So bleibt der sonst oft charismatische Lucas Hedges als Malcom eher blass. Er spielt einen jungen Mann, den wenig beschäftigt – außer, dass sein Vater ihm nicht genug Aufmerksamkeit schenkte.

 

Doch lässt man sich auf den etwas verstolperten Rhythmus des Films ein, stört es nicht sehr, dass er so pointenreich wie ziellos mäandert: Die mit viel Liebe zum Detail in Szene gesetzte Aneinanderreihung von Absurditäten entwickelt ihren eigenen Charme – surrealer Humor trifft auf abgründige Melancholie. Zwar fügen sich die gelungenen Momente nicht zu einem stimmigen Ganzen, doch allerlei Überraschungen bereiten dennoch Vergnügen.