Denis Villeneuve

Dune: Part One

Paul Atreides (Timothée Chalamet) und Lady Jessica Atreides (Rebecca Ferguson). Foto: © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved/Chiabella James
(Kinostart: 16.9.) Materialschlacht schlägt Ökologie: Regisseur Denis Villeneuve dampft seine Neuverfilmung des SciFi-Epos von Frank Herbert auf dynastische Nachwuchs-Probleme ein. Er zeigt aber nur den ersten Teil – wann der zweite folgen wird, steht in den Sternen.

Frank Herberts Science-Fiction-Roman „Dune“ von 1966 gilt als eine der größten Herausforderungen für das Blockbuster-Kino: Alejandro Jodorowsky und Ridley Scott wollten ihn verfilmen – beide mussten nach jahrelangen Vorbereitungen aufgeben. David Lynch mag über seine Version aus dem Jahr 1984 kein Wort mehr verlieren.

 

Info

 

Dune

 

Regie: Denis Villeneuve,

155 Min., USA/ Kanada 2020;

mit: Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Javier Bardem

 

Weitere Informationen zum Film

 

Das Epos fasziniert noch immer: Es spielt im Jahr 10191 – doch zentrale Themen wie Wasserknappheit, Ressourcenausbeutung und Emanzipation von Unterdrückten könnten aktueller kaum sein. Warner Bros. und Legendary Pictures wollten es also noch einmal wissen; sie engagierten Regisseur Denis Villeneuve, um aus „Dune“ das Kinoereignis des Jahres zu machen. Allerdings in zwei Teile portioniert: Wann der Rest der Story folgen soll, ist noch offen und dürfte vom Einspielergebnis des ersten Teils abhängen.

 

Spice des Universums

 

Motor der Geschichte ist die Ausbeutung des wichtigsten Rohstoffs des Universums, der Substanz Spice. Die hat nicht nur psychoaktive Wirkung bei Menschen, sondern ist auch unverzichtbar für die Überbrückung von Raum und Zeit im intergalaktischen Verkehr. Spice findet sich an einem einzigen Ort im All: auf dem trostlosen Wüstenplaneten Arrakis. Dessen Ureinwohner kämpfen ständig gegen Dürre, Hitze, riesige Sandwürmer und die jeweilige Kolonialmacht.

Offizieller Filmtrailer


 

Intergalaktische Intrigen

 

Das erste Buch des „Dune“-Romanzyklus’ erzählt, wie der Imperator des Universums eine Intrige anzettelt, um ein Adelsgeschlecht auszuschalten, das ihm zu mächtig wird. Das edle Haus Atreides soll für immer verschwinden; die Barbaren vom Haus Harkonnen übernehmen freudig die Drecksarbeit. Schauplatz des Krieges ist Arrakis – mit der Spice-Förderung als Faustpfand. Doch der junge Paul Atreides könnte mit seinen messianischen Anwandlungen das Komplott noch vereiteln.

 

In Roman entspinnt sich um diese Handlung ein komplexes Zusammenspiel von Politik, Ökologie, Ausbeuter-Kapitalismus und Religion. David Lynch fing diese Melange in seiner Verfilmung ziemlich gut ein –  nur die Story ergab keinen Sinn. Von der Kritik wurde der Film vernichtet, an den Kinokassen war er ein Flop. Im Lauf der Jahrzehnte fand er jedoch durch seinen skurrilen Trash-Charme viele Fans.

 

Fliegende Toastbrote

 

Villeneuve hat schon mit dem Alien-Kammerspiel „Arrival“ (2016) und der „Blade Runner“-Fortsetzung „Blade Runner 2049“ (2017) sein Talent bewiesen, fantastische Zukunftsvisionen in extrem gut aussehenden, perfekt gestylten Szenarien einzufangen. Für Genre-Filme passiert in seinen Werken oft erstaunlich wenig, Action ist eher zweitrangig. Aber gerade aus diesem atmosphärischen Stillstand beziehen seine Arbeiten ihre verblüffend konstante Spannung. Mit dieser Handschrift als Regisseur ist er prädestiniert für eine „Dune“-Neuverfilmung.

 

Und Villeneuve liefert, zumindest in einer Hinsicht: Das Produktionsdesign ist vom Feinsten. Ein wahrer Augenschmaus sind die Fluggeräte in allen Formen und Größen. Da gibt es schwebende Riesen-Reiskorn-Raumschiffe wie in „Arrival“, XXXL-Makkaroni, winzige Globuli und Dreiecke, die aussehen wie fliegendes Toastbrot.

 

Kampfparade mit Bombastbeschallung

 

Besonders hübsch anzusehen sind die Ornithopter, eine Kreuzung aus Libelle und Hubschrauber. Sie bekommen entsprechend viel Leinwandpräsenz, vermutlich mehr als jede humane Hauptfigur. Außerdem setzt die Ausstattung auf Goth-Ästhetik, ein wenig Steampunk, dazu prächtige Panoramen von Brutalismus-Bauten und Wüstensand. Kurz gesagt: 155 Minuten 1-A-Schauwerte.

 

Dass Villeneuve „Dune“ in einer zweiteiligen Monsterversion mit einer Gesamtlänge von fünf bis sechs Stunden verfilmt hat, führt aber im ersten Teil nicht zu einer ausführlicheren Darstellung der Handlungsstränge oder tieferen Auslotung der Romanvorlage – sondern zu einer endlosen Parade von Explosionen, Gefechten in der Luft und am Boden samt Bombast-Beschallung von Hans Zimmer in der zweiten Filmhälfte.

 

Reizthemen versanden

 

Viele inhaltliche Impulse des Romans, die sich eigentlich aufdrängen, bleiben unterwegs irgendwo im glitzernden Wüstensand auf der Strecke. Seine religiösen Motive werden, auch im Vergleich zur Version von Lynch, deutlich zurückgedrängt. Ökologie ist nur ein Randthema. Anspielungen auf rohstoffreiche Krisenherde auf dem Planeten Erde verpuffen rasch.

 

Stattdessen interessiert sich das Drehbuch vor allem für die Hauptfigur: wie Timothée Chalamet als Paul Atreides seine Bestimmung als Heilsbringer des Universums erst zurückweist, nach und nach klarer erkennt und schließlich doch annimmt. Im ersten Teil von „Dune“ erledigt er allerdings höchstens die Hälfte der Arbeit am eigenen Selbst. Das nur vorläufige Ende dieses zweiteiligen Epos‘ hinterlässt sein Publikum eher unbefriedigt.

 

Jüngling mit Schwiegermuttercharme

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Arrival" - intelligent fesselnder Sci-Fi-Psychothriller mit Amy Adams von Denis Villeneuve 

 

und hier eine Besprechung des Films "Blade Runner 2049" - brillante Fortsetzung des ScFi-Klassikers mit Ryan Gosling und Harrison Ford von Denis Villeneuve

 

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und hier einen Beitrag über den Film "Endless Poetry" - surreal-autobiographischer Spielfilm-Bilderreigen von Alejandro Jodorowsky.

 

Der doppelte Witz des Ganzen ist, dass kaum jemand dem Hühnerbrüstchen Atreides zutraut, der universale Messias zu sein. Chalamet alias Atreides überzeugt weder in der Filmhandlung noch die Zuschauer im Saal. Er spult nur seine Trademark-Masche ab: die des verschlafenen Jünglings mit unwiderstehlichem Schwiegermuttercharme.

 

Ob er das diesmal besonders gut macht, ist schwer zu entscheiden. Schlecht ist es nicht, und irgendwie funktioniert es auch. Das übrige Ensemble mit Rebecca Ferguson als seiner Mutter, die zugleich Hohepriesterin ist, Oscar Isaac als herzoglicher Vater – sehr ansehnlich in einer Jesus-würdigen Sterbeszene – und Charlotte Rampling als zwielichtige Wahrsagerin des Imperators agiert ebenfalls passabel.

 

Lästige Pflichten der Vorsehung

 

Souverän, wenn auch deutlich unterfordert, wirkt Javier Bardem als Anführer der Ureinwohner von Arrakis in zwei Szenen. Bei seinem ersten Auftritt grunzt er nur müde – und sorgt damit für eine der denkwürdigsten Szenen des Films. Leider ist das bezeichnend.

 

Villeneuve dampft die gigantische „Dune“-Saga letztlich auf ein ziemlich irdisches Problem ein. Man kennt es aus Klatschblättern: Der Nachwuchs zeitgenössischer Adelshäuser wehrt sich gegen die lästigen Pflichten der Vorsehung. Das ist eine recht enttäuschende Engführung dieses Stoffs, gegen die der enorme produktionstechnische Aufwand nicht ankommt.