Was wäre, wenn: Den nicht gerade vom Glück verfolgten Mathematiker Otto (Nikolaj Lie Kaas) treibt die Schuldfrage um. Hätte er neulich im Zug nicht seinen Platz einer Frau angeboten, wäre sie nicht bei einer Waggon-Explosion gestorben. Dann wäre ihre Teenagertochter Mathilde (Andrea Heick Gadeberg) nun keine Halbwaise. Damit kann Otto nicht leben. Also beginnt er gemeinsam mit seinem soziopathischen Kollegen Lennart (Lars Brygmann) und dem Hacker-Nerd Emmenthaler (Nicolas Bro) zu rechnen. So wollen sie den wahren Ursachen der Geschehnisse auf die Schliche kommen – und ihnen einen tieferen Sinn verleihen.
Info
Helden der Wahrscheinlichkeit
Regie: Anders Thomas Jensen,
116 Min., Dänemark, Schweden, Finnland 2020;
mit: Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Andrea Heick Gadeberg
Weitere Informationen zum Film
Beherzter Privatkrieg
Die Polizei ist an der Beweisführung des Trios nicht interessiert – um so mehr aber Mathildes Vater Markus (Mads Mikkelsen). Der Soldat wurde nach dem Tod seiner Frau von einem Auslandseinsatz heimgeholt; er ist sofort bereit, den traurigen Helden der Wahrscheinlichkeit zu glauben. Tochter Mathilde hofft, er würde mit ihr um die Mutter trauern und seinen Schmerz verarbeiten, um irgendwann wieder ein geregeltes Leben führen zu können – doch er ist entschlossen, seine zerstörte Welt durch einen Privatkrieg mit den Rockern wieder ins Lot bringen. Sein beherzter Zugriff führt schnell zu zahlreichen Toten. Die drei Statistiker und Welterklärer sehen sich vor moralische Entscheidungen gestellt, von denen sie sich vorher nicht hätten träumen lassen.
Offizieller Filmtrailer
Zuschlagen statt trauern
Fragen nach Ursache und Wirkung, Schicksal und Verantwortung zählen zu den großen Themen, die sich das Kino regelmäßig vornimmt; etwa in „Lola rennt“ (1998) von Tom Tykwer oder „Babel“ (2006) von Alejandro González Iñárritus. Der dänische Regisseur Anders Thomas Jensen, der 2005 mit „Adams Äpfel“ europaweit bekannt wurde, bietet da keine neuen Erkenntnisse. Aber darum geht es auch nicht. „Helden der Wahrscheinlichkeit“ ist ein Unterhaltungsfilm – und funktioniert als solcher wie eine gut geölte Maschine. Das Timing stimmt, skurrile Charaktere und gegensätzliche Denkweisen prallen aufeinander. Aus jeder dieser Begegnungen schlagen Funken, die den Gang der Handlung weiter vorantreiben und beschleunigen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Rausch" - schwarzhumorige dänische Komödie von Thomas Vinterberg mit Mads Mikkelsen
und hier ein Beitrag über den Film "Men & Chicken" - schwarzhumorige Komödie aus Dänemark von Anders Thomas Jensen
und hier eine Besprechung des Films “The Salvation – Spur der Vergeltung” – stilechter Neo-Western von Kristian Levring mit Mads Mikkelsen
Düsteres Drama und Screwball-Komödie
Ihr Haushalt im abgelegenen Einfamilienhaus wächst derweil um immer neue Mitglieder an. Für den Rachefeldzug müssen zunächst Otto und seine Gefolgschaft untergebracht werden. Im Wald werden sie an scharfen Waffen ausgebildet, in der Scheune errichten sie ihr Operationszentrum; für Mathilde fungieren sie als Trauer-Therapeuten. Alle kochen und essen gemeinsam; Psychologiestunden und militärische Lagebesprechungen wechseln einander ab. Bald gehören auch der aus den Händen der Rocker befreite Sex-Sklave Bodashka (Gustav Lindh) und Mathildes Freund – vom Vater beargwöhnt – zur Hausgemeinschaft, die trotz aller Gegensätze doch allmählich zusammenwächst.
In düstere Bilder verpackte Spannung und Situationskomik in bester Screwball-Tradition halten einander die Waage. Dabei treibt Regisseur Jensen die Konflikte und Unzulänglichkeiten seiner Charaktere mit sichtlichem Genuss am wachsenden Chaos in Richtung Showdown und Finale. Mit seinem hochkarätigen Ensemble gelingt ihm ein Feel-Good-Movie, dessen Bodycount dem eines James Bond-Films ähnelt: eine schwarze Komödie, die sich mit ihren Zweifeln und Zynismen auf der Höhe der Zeit bewegt.