Daniel Craig

Keine Zeit zu sterben

James Bond (Daniel Craig) und Paloma (Ana de Armas). Foto: Nicola Dove.© 2021 Danjaq, LLC + MGM
(Kinostart: 30.9.) Bye bye Blondschopf: Dieser James-Bond-Film ist der fünfte und letzte mit Daniel Craig in der Titelrolle. Ihm richtet Regisseur Cary Joji Fukunaga eine opulente Abschiedsvorstellung aus – mit vielen diversen Figuren aus der unübersichtlichen Gegenwart.

Als Daniel Craig vor 15 Jahren die James-Bond-Rolle von Pierce Brosnan übernahm, war das Publikum skeptisch. Er war nicht so attraktiv wie sein Vorgänger, auch nicht so witzig wie Roger Moore oder Sean Connery. Bei der ersten sehr physischen Verfolgungsjagd in „Casino Royale“ (2006) wurde aber schnell klar, dass der neue, blonde Bond es mit den früheren Namensträgern aufnehmen konnte. Die Zeit des geschniegelten Snob-Spions, der allen überlegen schien, war vorbei.

 

Info

 

Keine Zeit zu sterben

 

Regie: Cary Joji Fukunaga,

163 Min., Großbritannien/ USA 2021;

mit: Daniel Craig, Rami Malek, Léa Seydoux, Christoph Waltz, Ana de Armas

 

Website zum Film

 

Der von Craig verkörperte James Bond arbeitete sichtlich hart, auch an sich selbst, war getrieben und gequält. Zudem hatte er eine enge, fast familiäre Beziehung zu seiner Vorgesetzten M, gespielt von Judy Dench. Seine Anzüge saßen zwar immer noch tadellos, doch wie seine Martini gemixt wurden, war ihm egal. Und, früher undenkbar: Der Mann hatte tiefe Gefühle, verliebte sich sogar. Bond war im neuen Jahrtausend angekommen.

 

Fünfmalige Startverschiebung

 

Dieser Bond bekam im Laufe von vier Filmen bis 2015 immer mehr Charakter-Facetten und ansatzweise auch eine Vergangenheit, weil die Stories inhaltlich aufeinander aufbauten. Jetzt verabschiedet er sich mit großem Getöse aus dem Dienst und erhält dafür maximale mediale Aufmerksamkeit: Wegen Corona wurde der Start von „Keine Zeit zu sterben“ fünf Mal verschoben. Nun soll der Blockbuster den gebeutelten Kinos endlich mehr Zuschauer und Einnahmen verschaffen.

Offizieller Filmtrailer


 

Italien-Urlaub mit Freundin

 

Beim Dreh ahnte niemand etwas von der Pandemie. Dass nach Craigs Abschiedsvorstellung einiges anders werden müsse, deutete sich aber bereits im sehr düsteren Vorgängerfilm an. In „Spectre“ wird der Sinn des MI6-Geheimdienstes und seiner menschlicher Tötungsmaschinen, also der 00-Lizenzierten, infrage gestellt. Bereits da wirkte Bond müde und nahm sich zum Schluss eine Auszeit; auch weil ihm mit Madeleine Swann (Léa Seydoux), der Tochter seines Gegenspielers, eine würdige Gefährtin begegnete. Ihr kommt in „Keine Zeit zu sterben“ die Schlüsselrolle zu.

 

US-Regisseur Cary Joji Fukunaga geht die Sache gemächlich an, um alsbald das Tempo immer mehr anzuziehen. In einer Rückblende wird die Vorgeschichte von Madeleine erzählt. Ein harter Schnitt schließt an das Ende von „Spectre“ an – Bond urlaubt mit Freundin in seinem Lieblingsland Italien, entbunden von den MI6-Pflichten. Doch ganz kann er von seinem alten Leben nicht lassen.

 

Hoher Sprengstoff- + Benzinverbrauch

 

Im malerischen süditalienischen Städtchen Matera will Bond das Grab seiner großen Liebe Vesper Lynd besuchen. Kaum auf dem Friedhof angekommen, gehen dort Explosionen hoch, und sofort heulen die Motoren bei einer Verfolgungsjagd durch verwinkelte Gassen. Blofeld (Christoph Waltz), der Schurke aus „Spectre“, hat auch hier seine Handlanger. Um Madeleine zu schützen, setzt Bond sie in einen Zug und taucht unter.

 

Fünf Jahre später genießt er seinen Ruhestand auf Jamaika, als sein alter CIA-Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright) ihn dort aufspürt und um Hilfe bittet. Ein geheimes Forschungsprojekt namens Herakles ist gefährdet, nachdem das Labor in die Luft gesprengt und sein leicht soziopathischer Chef entführt wurde. Das ist der Auftakt zu einem klassischen Agenten-Thriller mit schön inszenierten Schauplätzen, viel Sprengstoff- und Benzinverbrauch und gleich zwei Bösewichten.

 

Sterberate höher als bei Corona

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Curveball – Wir machen die Wahrheit" – packende Spionage-Satire über die Mitschuld des BND am Ausbruch des Irakkriegs von Johannes Naber

 

und hier eine Besprechung des Films "Kingsman: The Secret Service" - originell-zynische Agentenfilm-Parodie à la James Bond von Matthew Vaughn

 

und hier einen Bericht über den Film "Logan Lucky" - gelungene Krimikomödie unter US-Hinterwäldlern von Steven Soderbergh mit Daniel Craig

 

und hier ein Bericht über den Film "Dame, König, As, Spion" – brillante Verfilmung des Spionage-Thriller-Bestsellers von John Le Carré durch Tomas Alfredson.

 

Andererseits zeigt der Film demonstrativ, dass die Figur des unwiderstehlichen Alphamännchens ausgedient hat, obwohl sie mit Craig schon eine beachtliche Transformation durchgemacht hat. Mit der geschickten Lösung eines Zeitsprungs von fünf Jahren: Während Bonds Auszeit hat sich die Welt weitergedreht – er muss mit der unübersichtlichen, diverseren Gegenwart klarkommen. Die Feinde schweben inzwischen im Äther, wie Computerspezialist Q (Ben Wishaw) formuliert; ihm hat man ein Privatleben mit Katze und angedeutetem Freund verpasst.

 

Zudem trägt Bonds Dienstnummer aber vorerst jemand anders, eine coole junge Frau (Lashana Lynch). Sie füllt seine riesigen Fußstapfen gut aus; mit ihr muss Bond zusammenarbeiten und kann es auch. Wie gewohnt wird auch in diesem Film viel gestorben: Der junge Bösewicht Safin, nicht nur im Gesicht sehr blass, schaltet Blofeld und seine Schergen aus. Leiter segnet das Zeitliche, auch der neue Fiesling macht es nicht lange.

 

Wer mag schon Abschiede?

 

Dahinter verschwindet fast die etwas verworrene Handlung um Nanobots als Waffen; selten gab es so viele neue und wieder auftauchende Figuren, die alle offenbar ihren großen Auftritt haben sollen. Es wirkt wie ein Gala-Reigen vor dem ganz großen Showdown-Knall, der diesmal als Referenz an die ersten Bond-Filme in einem russischen Ex-Raketenbunker stattfindet.

 

Wenn Bond zu Madeleine am Ende sagt: „Wir haben keine Eile, wir haben alle Zeit der Welt“, möchte man das glauben, weiß es aber kurz danach besser. „Keine Zeit zu sterben“ fühlt sich eher wie ein Abgesang an: auf eine seit langer Zeit vertraute Figur, die nie besonders ernst zu nehmen war. Und auf ihren Darsteller, mit dem man gerne diese 15-jährige Filmreise gemacht hat. Wer mag schon Abschiede?