Clint Eastwood

Cry Macho

Rafo (Eduardo Minett), Marta (Natalia Traven) und Mike Milo (Clint Eastwood). Foto: © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc.
(Kinostart: 21.10.) Hahnenkampf für Anfänger: Ein Ex-Rodeoreiter soll den Sohn seines Bosses aus Mexiko nach Texas heimholen. Hollywood-Legende Clint Eastwood verfilmt ein Drehbuch, das 40 Jahre in der Schublade lag – und besser dort geblieben wäre.

Clint Eastwood hat alles erreicht, was man in Hollywood erreichen kann: Seit 1955 spielte er in 66 Filmen mit, seit 1971 hat er bei 40 Filmen Regie geführt. Er erhielt vier Oscars; je zwei für „Bester Film“ und „Beste Regie“ bei „Erbarmungslos“ (1992) und „Million Dollar Baby“ (2004). Als Hauptdarsteller in den Italo-Western von Sergio Leone hat er ein ganzes Genre geprägt. Die Aufzählung seiner Erfolge könnte den Rest dieser Rezension füllen – doch der inzwischen 91-Jährige macht immer weiter und weiter.

 

Info

 

Cry Macho

 

Regie: Clint Eastwood,

104 Min., USA 2021;

mit: Clint Eastwood, Eduardo Minett, Dwight Yoakam, Natalia Traven

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ähnlich wie der fünf Jahre jüngere Woody Allen dreht Eastwood pausenlos einen Film nach dem anderen; als fiele ihm nichts anderes ein, womit er seinen Lebensabend sinnvoll füllen könnte. Dass allmählich seine nachlassende Schaffenskraft offensichtlich wird, scheint er in Kauf zu nehmen. Dem uramerikanischen Mythos des schweigsamen Einzelgängers, der unbeirrbar seinen Weg geht, hat er schon in zahllosen Varianten verkörpert – da bleibt nicht aus, dass er sich wiederholt und zwar nicht zur Karikatur, aber der Comic-Zeichnung seiner selbst zu werden droht.

 

13-Jähriger bei Hahnenkämpfen

 

Wie in „Cry Macho“: Eastwood als Mike Milo spielt einen – was sonst? – wortkargen Ex-Rodeoreiter in Texas, der 1979 in einer kargen Kate haust. Doch er schuldet seinem früheren Boss Howard Polk (Country-Star Dwight Yoakam) einen Gefallen: Der wohlhabende Pferdezüchter hat einen Sohn, den er als Sechsjährigen in Mexiko zurückließ. Nun soll Mike den mittlerweile 13-Jährigen in die USA holen. Davon hält seine Mutter Leta, eine Lebedame in Mexiko City, nichts: Ohnehin treibe sich ihr Sohn Rafo meist bei illegalen Hahnenkämpfen herum.

Offizieller Filmtrailer


 

Hunderte von Pferden reiten

 

Wundersamerweise findet Mike ihn dort auf Anhieb, kurz bevor die Polizei zu einer Razzia anrückt. Der pausbäckige Junge (Eduardo Minett), stolzer Besitzer eines Kampfhahns namens „Macho“, lässt sich durch die Aussicht, auf der Ranch seines Vaters „Hunderte von Pferden reiten“ zu können, zum Mitkommen überreden – wovon soll ein 13-Jähriger sonst träumen? Letas Drohungen fruchten nichts: Bald fahren Mike und Rafo gemeinsam Richtung Norden.

 

Nun entspinnt sich ein Roadmovie  im ersten Gang. Bei einer Rast holt sie Letas Scherge Aurelio ein und beschuldigt Mike der Entführung. Rafo zeigt Striemen häuslicher Misshandlung vor; schon stürzen sich schlagkräftige Passanten auf Aurelio. Etliche Meilen weiter isst das Duo im Dorfgasthaus von Marta (Natalia Traven). Die Witwe mit taubstummen Enkelkindern schließt beide sofort in ihr Herz, serviert ihnen inkognito Frühstück, als sie in einer Kapelle übernachten, und beherbergt sie, als ihnen ihr Wagen gestohlen wird. Prompt bändelt Mike dezent mit der rassigen Mexikanerin an.

 

Macho-Dasein wird überschätzt

 

Die Zwangspause nutzt er auch als Gelegenheit, Rafo beizubringen, wie man wilde Pferde zähmt und reitet. Bis zur Grenze müssen beide noch manche Abenteuer bestehen, doch stets helfen ihnen glückliche Zufälle aus der Patsche. Ein paar Zufälle zuviel, um den Handlungsverlauf halbwegs plausibel erscheinen zu lassen – wie in mäßigen Episodendramen üblich. Dafür liefern sie reichlich Anlässe für besinnliche Betrachtungen; etwa Mikes altersweises Urteil, Macho-Dasein werde überschätzt.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Fall Richard Jewell" - wahres Underdog-Drama von Clint Eastwood

 

und hier eine Besprechung des Films "The Mule" - Thriller um 90-jährigen Drogenkurier von und mit Clint Eastwood

 

und hier ein Beitrag über den Filmklassiker "Unforgiven – Erbarmungslos" – radikal entzaubernder Spätwestern von 1992 von und mit Clint Eastwood.

 

Der Stoff basiert auf einem Roman, den der Vielschreiber N. Richard Nash 1975 verfasste. Eine Drehbuchversion lag vier Jahrzehnte in der Schublade, bevor sie von Nick Schenk – der bereits die Skripte für Eastwoods Filme „Gran Torino“ (2008) und „The Mule“ (2018) geliefert hatte – umgearbeitet wurde.

 

Abgestandener Americana-Kitsch

 

Dennoch sieht „Cry Macho“ aus, als sei der Film schon 1969 gedreht worden: Vorhersehbare Dramaturgie, fantasielose Einstellungen und schlichte Dialoge erinnern an eine Epoche, in der Kino kaum mehr bieten musste als heutige TV-Vorabendserien. Von den differenzierten Charakteren und der trockenen Ironie, die Eastwoods letzte Filme prägten, ist diesmal nichts zu sehen.

 

Dass der 91-Jährige sich stattdessen andichten lässt, er werde von beiden weiblichen Hauptfiguren bezirzt, mag man als feuchten Altherrentraum abtun. Ärger ist der ranzige Americana-Kitsch, den viele Szenen ausbreiten: mit endlosem cruising über staubige Pisten, knorrigen Kerlen an der Koppel, die dampfende Pferdeschnauzen tätscheln, und glutäugigen Mexikanern, die sich mit ein paar Pesos kaufen lassen. Dazu passt, dass der „Macho“-Hahn den entscheidenden Kampf gewinnt. Als Hollywood-Star hat Eastwood sämtliche denkbaren Siege errungen: Er sollte es bei diesem Abschiedsauftritt belassen und sich zur Ruhe setzen.