Lady Gaga + Adam Driver

House of Gucci

Maurizios Onkel Aldo Gucci (Al Pacino) in Begleitung von Schauspielstar Sophia Loren (Madalina Ghenea). Foto: Courtesy of Metro Goldwyn Mayer Pictures Inc. © 2021 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.
(Kinostart: 2.12.) Dressed to kill: Erst heiratet eine geldgierige Aufsteigerin den Erben des Gucci-Modeimperiums, dann lässt sie ihn ermorden. Dieses wahre Familiendrama verfilmt Regisseur Ridley Scott unentschieden und ungelenk – trotz hochkarätiger Darsteller.

Mailand 1978: Als Patrizia Reggiani (Lady Gaga) auf einer Party den linkisch wirkenden Maurizio Gucci (Adam Driver) kennenlernt, macht sein Nachname sie hellhörig. Er klingt nach viel Geld – und die junge Patrizia ist aufstiegsorientiert. Maurizio interessiert sich aber kaum für das Modeimperium Gucci; er studiert eifrig Jura und will später auf eigenen Füßen stehen.

 

Info

 

House of Gucci

 

Regie: Ridley Scott,

157 Min., USA/ Kanada 2021;

mit: Lady Gaga, Adam Driver, Jeremy Irons, Jared Leto

 

Weitere Informationen zum Film

 

Die Firma gehört damals zwei Söhnen des Gründers Guccio Gucci. Maurizios Vater Rudolfo (Jeremy Irons) ist ein zurückgezogen lebender Ex-Schauspieler. Sein lebensfroher Bruder Aldo (Al Pacino) führt die Geschäfte und pendelt zwischen Italien und New York. Beide bedauern Maurizios Desinteresse, weil sie den anderen Erben für einen Totalausfall halten. Obwohl sich Aldos Sohn Paolo für ausgesprochen talentiert hält – er wird gespielt von Jared Leto, der mit viel Übergewicht und dickem Make-up kaum zu erkennen ist.

 

Klimt mit Picasso verwechseln

 

Der Mangel an potenziellen Nachfolgern hält Rudolfo allerdings nicht davon ab, seinen Sohn zu enterben, als der ihm Patrizia vorstellt und dann auch noch heiratet. Nicht nur findet er diese Transportunternehmer-Tochter viel zu gewöhnlich – sie kann nicht einmal das echte Klimt-Gemälde an seiner Wand von einem Picasso unterscheiden. Er ahnt zudem, dass sie hinter Maurizios Reichtum her ist.

Offizieller Filmtrailer


 

18 Jahre Haft für Mordauftrag

 

Patrizia lässt sich jedoch nicht aufs Abstellgleis schieben. Über Bande kegelt sie allmählich alle anderen aus der Firma – bei dieser Strategie zieht ihr anfangs harmloser, aber zunehmend ruchloser Ehemann mit. Trotzdem entzweit sich das Paar. Nach der Scheidung engagiert Patrizia mithilfe ihrer engsten Vertrauten, der TV-Hellseherin Pina (Salma Hayek), einen Auftragsmörder. Im März 1995 wird Maurizio Gucci vor seinem Büro erschossen; drei Jahre später Patrizia zu 29 Jahren Haft verurteilt, von denen sie 18 Jahre absitzt.

 

Diese wahre Geschichte eines Verbrechens im Haute-Couture-Milieu wirkt so bizarr, dass man sie sich kaum ausdenken könnte. Der Stoff scheint wie geschaffen für Sir Ridley Scott, doch trotz seiner Erfahrung mit vielen Genres scheitert der britische Regisseur weitgehend. Das Drehbuch beruht auf dem gleichnamigen, 2001 erschienenen Sachbuch von Sara Gay Fordens. Doch die Skript-Autoren nehmen sich einige Freiheiten: Maurizio und Patrizia lernten sich bereits 1970 kennen, als Gucci noch keine Bekleidungslinie im Programm hatte.

 

Darsteller in ganz unterschiedlichen Filmen

 

Durch enge Anlehnung an Fordens Sachbuch wirkt der Film bisweilen wie ein Dokudrama – opulent in Szene gesetzt, aber dröge. Da der Zuschauer weiß, wie die Handlung enden wird, wäre es spannender, die Motive der Protagonisten zu beleuchten, als das Geschehen zweieinhalb Stunden lang detailliert nachzuzeichnen. Dabei entwickelt sich der Film nur in wenigen Momenten zum psychologischen Drama.

 

Stattdessen driftet er in Richtung Seifenoper oder Satire ab – wenn etwa altes Geld auf den konsumistischen Zeitgeist der 1980er Jahre trifft. Zwar entstehen daraus ein paar unterhaltsame Szenen, doch kein stimmiges Ganzes. Die Handlung mäandert und wechselt zu oft die Tonlage; es fehlt an Konzentration und Timing. Bei manchen Szenen hat man den Eindruck, die beteiligten Darsteller glaubten, in ganz unterschiedlichen Filmen aufzutreten. Dann prallen etwa Melodrama- auf Wirtschaftskrimi-Elemente.

 

Familienfirma wird Konzernmarke

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Alles Geld der Welt" – Historien-Thriller über Entführung des Milliardärs-Erben John Paul Getty III von Ridley Scott

 

und hier eine Besprechung des Films "Martin Margiela – Mythos der Mode" – anschauliches Porträt des belgischen Couturiers von Reiner Holzemer

 

und hier einen Bericht über den Film "Jean Paul Gaultier: Freak & Chic" – Doku über die Abschiedsshow des Design-Exzentrikers von Yann L’ Hénoret

 

und hier einen Beitrag über den Film "Yves Saint Laurent" – einfühlsames Biopic über den legendären Modeschöpfer von Jalil Lespert.

 

Pop-Superstar Lady Gaga verkörpert die Hauptfigur Patrizia durchaus überzeugend, gibt dem Film aber kein emotionales Zentrum. Der Rest der hochkarätigen Darstellerriege enttäuscht eher – mit Ausnahme von Adam Driver, dessen Auftreten rätselhaft bleibt. Die charakterliche Wandlung, die sein Maurizo Gucci erfährt, verbirgt er hinter unerschütterlicher Mimik.

 

Ab und zu versucht der Film, über die Familien-Tellerrand zu blicken. Veränderungen in der Modebranche werden flüchtig angeschnitten; etwa der Umstand, dass die einstige Edelmarke in den 1980er Jahren Massenprodukte verramschte, bis ihr mit radikalen Innovationen der Wiederaufstieg zur luxury brand gelang. Doch über solche Marktmechanismen erfährt man wenig. Letztlich steht der Name Gucci auch für den Zerfall eines Familienunternehmens; seit 2004 gehört die Marke zum französischen Luxusgüterkonzern Kering.

 

Eher russisch als italienisch

 

Nicht nur irritierend, sondern regelrecht ärgerlich sind lieblose Details, die sich der Film erlaubt: Die englischsprachigen Darsteller benutzen krude Akzente – Lady Gaga klingt eher russisch als italienisch. Der unoriginelle Soundtrack besteht aus willkürlich ausgewählten Achtziger-Jahre-Partyhits. Vor allem aber leidet dieser Film, der gerne eine große Familiensaga à la Mafia-Epen erzählen würde, an unklarer Ausrichtung und zu vielen Nebensträngen.