
Eine schönere Umnutzung leer stehender Büros scheint kaum denkbar: Die Florentiner Uffizien verfügen über eine der umfangreichsten und kostbarsten Kunstsammlungen der Welt. Dabei entstanden sie einst als schnöde Verwaltungstrakte unter Großherzog Cosimo de’ Medici: uffici bedeutet schlicht „Büros“. Ab 1560 wurden sie nach Plänen von Giorgio Vasari errichtet; er war nicht nur Architekt und begnadeter Maler, sondern auch Begründer der Kunstgeschichte.
Info
In den Uffizien
Regie: Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch
100 Min., Italien/ Deutschland 2021;
mit: Eike Schmidt, Claudio di Benedetto, Antony Gormley
Weitere Informationen zum Film
Rundgang mit US-Mäzeninnen
Ihnen widmet nun Corinna Belz, die 2011 mit dem Künstler-Porträt „Gerhard Richter Painting“ bekannt wurde, gemeinsam mit Enrique Sánchez Lansch, der als Ko-Regisseur mit dem Tanzfilm „Rhythm is it!“ 2004 erfolgreich war, eine Doku. Mit elegantem Einstieg: Die Entstehungsgeschichte der Uffizien lässt das Duo ihren Direktor erzählen, während er eine Gruppe betuchter US-Gönnerinnen durch die Räume führt.
Offizieller Filmtrailer
Simultanschach an 40 Brettern
Eike Schmidt ist der heimliche Hauptdarsteller des Films. Seit 2015 amtiert der promovierte Kunsthistoriker aus Freiburg als Chef des Museums. Der erste Ausländer auf diesem Posten soll das ehrwürdige Haus fit für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts machen; vor seinem Amtsantritt hatte es nicht einmal eine Website. Zugleich muss er mit viel Fingerspitzengefühl Rücksicht auf altehrwürdige Traditionen nehmen. Seine Tätigkeit sei „wie Simultanschach an 30 oder 40 Spielbrettern gleichzeitig“, sagt er: „Da geht auch mal die eine oder andere Partie verloren.“
Seinen täglichen Parcours von Brett zu Brett absolviert Schmidt beeindruckend gelassen, während er Verhandlungen führt, Saalpläne absegnet oder sich um eine neue Hängung kümmert. Für die Bewahrung der Tradition ist eher Claudio di Benedetto zuständig, Leiter der hauseigenen Bibliothek: Wie eine „Arche Noah“ retteten die Uffizien einzigartige Schätze durch die Fährnisse der Zeiten. Dabei würden die Mitarbeiter wohl von ihren Schützlingen mitleidig betrachtet, denn die hätten von Napoleon bis Hitler schon viele Angriffe überstanden, so der Bibliothekar: „Diese Kunstwerke sind weise wie die Philosophen.“
Grüne Wandfarbe hinter Tizian
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films “Gerhard Richter Painting" - Doku über den deutschen Starkünstler von Corinna Belz
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Tat Ort Museum" - über Aktivitäten eines Museums zum 150. Jahrestag im Wallraf-Richartz-Museum, Köln
und hier ein Beitrag zur Dokumentation "Das große Museum" - über das Kunsthistorische Museum Wien von Johannes Holzhausen
und hier Bericht über die Dokumentation "National Gallery" - über die Nationalgalerie in London von Frederick Wiseman
und hier ein Beitrag über die Ausstellung "Florenz! und Villa Romana" - in der Bundeskunsthalle, Bonn
Andere Passagen geraten zu ausführlich: Das langwierige Gefeilsche des zeitgenössischen britischen Bildhauers Antony Gormley um die optimale Position für seine Stahlskulptur wäre verzichtbar. Wenn er mit Schmidt wortreich über Details auf der „Anbetung der Könige aus dem Morgenland“ (1481) von Leonardo da Vinci schwärmt und sie mit den Malweisen von Goya und Tintoretto vergleicht, braucht der Zuschauer einiges Vorwissen, um ihrer Fachsimpelei folgen zu können.
Decken vom Boden aus studieren
Zumal die meisten Arbeiten, auf denen die Kamera verweilt, nicht oder kaum erläutert werden. Bei Meisterwerken ist das misslich, beim Interieur öffnet es eher die Augen: Wer legt sich schon wie Kinder flach auf den Boden, um die reich freskierten Decken zu betrachten? Um möglichst viele Aspekte vor und hinter den Kulissen anzuschneiden, wird allerlei kurz angerissen, aber meist rasch fallengelassen – von den Aufsehern übers Besucherverhalten bis zur Restaurierungswerkstatt.
Als Bilderrausch ein Augenschmaus, gewiss, doch zugleich ähnelt diese Doku einem normalen Museumsbesuch, geführt vom Direktor persönlich: Man wird von einigem überrascht, verpasst anderes, was man gern gesehen hätte – und am Ende ist stets die Besuchszeit zu knapp.