Corinna Belz + Enrique Sánchez Lansch

In den Uffizien

Foto: © zero one film
(Kinostart: 25.11.) Die kunstsinnigsten Büros der Welt: Das Museum in Florenz beherbergt eine der größten Renaissance- und Barock-Kollektionen. Die Doku des Regie-Duos Belz und Sánchez Lansch gleicht einem regulären Rundgang – geführt vom deutschen Direktor.

Eine schönere Umnutzung leer stehender Büros scheint kaum denkbar: Die Florentiner Uffizien verfügen über eine der umfangreichsten und kostbarsten Kunstsammlungen der Welt. Dabei entstanden sie einst als schnöde Verwaltungstrakte unter Großherzog Cosimo de’ Medici: uffici bedeutet schlicht „Büros“. Ab 1560 wurden sie nach Plänen von Giorgio Vasari errichtet; er war nicht nur Architekt und begnadeter Maler, sondern auch Begründer der Kunstgeschichte.

 

Info

 

In den Uffizien

 

Regie: Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch

100 Min., Italien/ Deutschland 2021;

mit: Eike Schmidt, Claudio di Benedetto, Antony Gormley

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ab 1580 wurden in der „Galleria“ im Obergeschoss Werke aus der Medici-Kollektion präsentiert; wenig später entstand die Serie der Porträts von Berühmtheiten. 1737 starb der letzte Medici-Großherzog; seine Schwester vermachte Gebäude und Sammlung der Stadt Florenz unter der Bedingung, dass alle Werke in der Kommune bleiben müssten. 1769 wurden die Uffizien öffentlich zugänglich gemacht – und damit zu einem der ersten Museen in Europa.

 

Rundgang mit US-Mäzeninnen

 

Ihnen widmet nun Corinna Belz, die 2011 mit dem Künstler-Porträt „Gerhard Richter Painting“ bekannt wurde, gemeinsam mit Enrique Sánchez Lansch, der als Ko-Regisseur mit dem Tanzfilm „Rhythm is it!“ 2004 erfolgreich war, eine Doku. Mit elegantem Einstieg: Die Entstehungsgeschichte der Uffizien lässt das Duo ihren Direktor erzählen, während er eine Gruppe betuchter US-Gönnerinnen durch die Räume führt.

Offizieller Filmtrailer


 

Simultanschach an 40 Brettern

 

Eike Schmidt ist der heimliche Hauptdarsteller des Films. Seit 2015 amtiert der promovierte Kunsthistoriker aus Freiburg als Chef des Museums. Der erste Ausländer auf diesem Posten soll das ehrwürdige Haus fit für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts machen; vor seinem Amtsantritt hatte es nicht einmal eine Website. Zugleich muss er mit viel Fingerspitzengefühl Rücksicht auf altehrwürdige Traditionen nehmen. Seine Tätigkeit sei „wie Simultanschach an 30 oder 40 Spielbrettern gleichzeitig“, sagt er: „Da geht auch mal die eine oder andere Partie verloren.“

 

Seinen täglichen Parcours von Brett zu Brett absolviert Schmidt beeindruckend gelassen, während er Verhandlungen führt, Saalpläne absegnet oder sich um eine neue Hängung kümmert. Für die Bewahrung der Tradition ist eher Claudio di Benedetto zuständig, Leiter der hauseigenen Bibliothek: Wie eine „Arche Noah“ retteten die Uffizien einzigartige Schätze durch die Fährnisse der Zeiten. Dabei würden die Mitarbeiter wohl von ihren Schützlingen mitleidig betrachtet, denn die hätten von Napoleon bis Hitler schon viele Angriffe überstanden, so der Bibliothekar: „Diese Kunstwerke sind weise wie die Philosophen.“

 

Grüne Wandfarbe hinter Tizian

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des FilmsGerhard Richter Painting" - Doku über den deutschen Starkünstler von Corinna Belz

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Tat Ort Museum"  - über Aktivitäten eines Museums zum 150. Jahrestag im Wallraf-Richartz-Museum, Köln

 

und hier ein Beitrag zur Dokumentation "Das große Museum" - über das Kunsthistorische Museum Wien von Johannes Holzhausen

 

und hier Bericht über die Dokumentation "National Gallery" - über die Nationalgalerie in London von Frederick Wiseman

 

und hier ein Beitrag über die Ausstellung "Florenz! und Villa Romana" - in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

Solches durch leise Ironie gebrochenes Pathos prägt den ganzen Film. Belz und Sánchez Lansch setzen ihn wie ein Mosaik aus Impressionen zusammen, führen diverse Erzählstränge ein, brechen sie ab, nehmen manche später wieder auf. Zuweilen überzeugend, wenn sie etwa Schmidt begleiten, während er wiederholt die grüne Wandfarbe hinter Tizians „Venus von Urbino“ (1538) überprüft – dieses Prunkstück des Hauses erläutert eine Führerin sehr anschaulich. Mehrfach verlangt Schmidt Nachbesserungen, bis Gemälde und Hintergrund perfekt harmonieren.

 

Andere Passagen geraten zu ausführlich: Das langwierige Gefeilsche des zeitgenössischen britischen Bildhauers Antony Gormley um die optimale Position für seine Stahlskulptur wäre verzichtbar. Wenn er mit Schmidt wortreich über Details auf der „Anbetung der Könige aus dem Morgenland“ (1481) von Leonardo da Vinci schwärmt und sie mit den Malweisen von Goya und Tintoretto vergleicht, braucht der Zuschauer einiges Vorwissen, um ihrer Fachsimpelei folgen zu können.

 

Decken vom Boden aus studieren

 

Zumal die meisten Arbeiten, auf denen die Kamera verweilt, nicht oder kaum erläutert werden. Bei Meisterwerken ist das misslich, beim Interieur öffnet es eher die Augen: Wer legt sich schon wie Kinder flach auf den Boden, um die reich freskierten Decken zu betrachten? Um möglichst viele Aspekte vor und hinter den Kulissen anzuschneiden, wird allerlei kurz angerissen, aber meist rasch fallengelassen – von den Aufsehern übers Besucherverhalten bis zur Restaurierungswerkstatt.

 

Als Bilderrausch ein Augenschmaus, gewiss, doch zugleich ähnelt diese Doku einem normalen Museumsbesuch, geführt vom Direktor persönlich: Man wird von einigem überrascht, verpasst anderes, was man gern gesehen hätte – und am Ende ist stets die Besuchszeit zu knapp.