Paul Thomas Anderson

Licorice Pizza

Alana Kane (Alana Haim) und Gary Valentine (Cooper Hoffman). Foto: © 2021 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved
(Kinostart: 27.1.) Der perfekte Nostalgietrip für alle, denen vor 50 Jahren in Kalifornien die erste Liebe den Kopf verdreht hat: Regisseur Paul Thomas Anderson schwelgt in skurrilen Jugenderinnerungen. Alle anderen haben von seinem Popkulturzitate-Cocktail eher wenig.

Wenn alle Filme von Paul Thomas Anderson etwas eint, dann ihre Überlänge. Mit Ausnahme von „Punch Drunk Love“ (2002) verlieren sie über seine Begeisterung für schwebende Kamerafahrten, Dialogwitz und schwelgerischen Einsatz von Musik häufig Handlung und Dramaturgie aus den Augen. Das ist bei „Licorice Pizza“ nicht anders; der Titel bedeutet auf Deutsch „Lakritz Pizza“. Solche ungenießbaren Gegensätze sind in dieser schrägen Coming-of-Age-Liebeskomödie Programm.

 

Info

 

Licorice Pizza

 

Regie: Paul Thomas Anderson,

133 Min., USA/ Kanada 2021;

mit: Alana Haim, Cooper Hoffman, Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper

 

Weitere Informationen zum Film

 

Dabei geben die Debütanten Alana Haim und Cooper Hoffman – neben einer Reihe von Superstars in Kurzauftritten – ein sehenswertes Doppel ab. Haim, die ansonsten mit ihren Schwestern eine Pop-Band bildet, spielt die 25-jährige Alana Kane. Sie wohnt noch mit ihren beiden Schwestern im streng jüdischen Elternhaus in Kalifornien, träumt aber davon, frei zu sein.

 

Pickliger Philip Seymour Hoffman jr.

 

Bei Fotoaufnahmen an einer High School trifft sie den zehn Jahre jüngeren Gary Valentine. Den von Akne geplagten Teenager spielt Cooper Hoffman; der Sohn von Philip Seymour Hoffman hat unverkennbar dessen Statur und Körperbau geerbt. Kaum haben beide erste Worte gewechselt, lädt er sie zum Dinner in ein angesagtes Restaurant ein. Und obwohl Alana mit Hinweis auf sein Alter ablehnt, erscheint sie am Abend herausgeputzt zum Treffen.

Offizieller Filmtrailer


 

Keine Affären mit Atheisten

 

Von nun an wird sie von Gary belagert. Zwar macht sich Alana über sein Hecheln und Hundeblicke lustig, doch andererseits ist sie durchaus beeindruckt von ihm. Als Kinderschauspieler hat Gary Berufserfahrung im Rampenlicht, dazu gute Kontakte ins Sternchenmilieu der Filmwelt. Außerdem betätigt er sich auf diverse Weise als Jungunternehmer.

 

Weil Gary minderjährig ist, begleitet sie ihn als Aufsichtsperson bei einem Ausflug nach New York. Obwohl er sich mächtig ins Zeug legt, um ihr zu imponieren, beginnt sie lieber ein Techtelmechtel mit einem seiner Darstellerkollegen, der erwachsener wirkt. Daraus wird aber nichts: Der junge Mann eröffnet ihrem Vater, er sei überzeugter Atheist.

 

Erst Showbiz, dann Stadtpolitik

 

Während die Handlung zusehends vor sich hinmäandert, frönen Alana und Gary ihrem Spiel aus Anziehung und Abweisung. Nebenher gründet er mit einer Art Entourage aus anderen Minderjährigen, die ihn umgeben, verschiedene Firmen, wird verhaftet und wieder freigelassen. Vor allem dreht sich Gary – abgesehen von seiner Obsession für Alana – mit stoischem Narzissmus um sich selbst.

 

Durch Garys Kontakte gelingt es Alana, die ersten Hürden für den Eintritt ins Showbiz zu nehmen: Sie spricht für einen Film vor. Der Hauptdarsteller führt sie zum Essen aus, lässt sie danach aber fallen. Desillusioniert sieht sie sich nach seriöseren Betätigungsfeldern für ihre Talente um, etwa der Kommunalpolitik. Darin unterstützt sie einen Kandidaten, der sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat – und Alana als Alibi benutzt, um seine Homosexualität zu kaschieren.

 

Warum Dating mit 15-Jährigem?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der seidene Faden" über einen exzentrischen Schneider im London der 1950er Jahre von Paul Thomas Anderson

 

und hier eine Besprechung des Films "Inherent Vice – Natürliche Mängel" – fantasievolle Verfilmung des 70er-Jahre-Späthippie-Krimis von Thomas Pynchon durch Paul Thomas Anderson mit Joaquin Phoenix

 

und hier einen Beitrag über den Film "The Master" – ambivalentes Psychodrama über die Scientology-Sekte von Paul Thomas Anderson mit Philip Seymour Hoffman.

 

All das liefert Anlässe für witzige Auftritte und absurde Wortgefechte von Stars wie Sean Penn, Tom Waits oder Bradley Cooper. Ihre Figuren verkörpern reale Produzenten, Schauspieler oder Politiker, die Mitte der 1970er Jahre beim Übergang vom alten zum neuen Hollywood-System tatsächlich mehr oder weniger wichtige Rollen gespielt haben. Solche von Nostalgie getränkten Episoden erinnern an die Remake-Patchworkfilme von Quentin Tarantino, nur ohne dessen reaktionäre Drastik.

 

Zudem liefern zeitgeschichtliche Ereignisse wie die Ölkrise einen dekorativen Rahmen für verrückte Bildideen. Regisseur Anderson setzt sie im gewohnten schwebenden Wohlfühlstil voller Popkultur-Zitate um. Doch stringent wirkt das Ganze nicht. Letztlich steht permanent die Frage im Raum, die Alana einmal ihrer jüngeren Schwester stellt: Ist es nicht seltsam, dass sie ständig mit einem 15-Jährigen durch die Gegend zieht, den sie kaum attraktiv findet?

 

Weder Alkohol noch Führerschein

 

Darauf findet der Film keine befriedigende Antwort. Zwar scheint Gary ernsthafter an seiner Angebeteten interessiert als all die Männer, die nur kurz mit ihr anbandeln. Dennoch denkt auch er vorwiegend daran, dass er endlich ihre Brüste anfassen und sich mit ihr als Freundin schmücken will. Doch Regisseur Anderson lässt auch ganz banale Fragen offen: Wie kann Gary als Unternehmer auftreten, wenn er weder Alkohol trinken noch Auto fahren darf?