Kristen Stewart

Spencer

Diana (Kristen Stewart) bei einem Spaziergang im Schlosspark. Foto: © Pablo Larraín, DCM
(Kinostart: 13.1.) Allein gegen die Windsor-Mafia: In den Fesseln des britischen Hof-Zeremoniells wurde Lady Diana zur tragischen Heldin. Bei Regisseur Pablo Larraín setzt sie sich gegen Bevormundung erfolgreich zur Wehr – dank einer überragenden Kristen Stewart in der Hauptrolle.

Ein Trio weiblicher Selbstermächtigung: Der chilenische Regisseur Pablo Larraín hat seinen dritten Film in Folge über eine widerständige Frau gedreht, die sich gegen die Verhältnisse zur Wehr setzt. „Jackie“ (2016) zeigte den Bewusstseinswandel der Kennedy-Witwe in den ersten Tagen nach der Ermordung ihres Gatten. „Ema“ stieß 2019 das Publikum mit seiner körperlich wilden Tank-Girl-Protagonistin vor den Kopf und war filmisch versponnen, bot aber auch großartige Bilder, Tanz und einen im Kino selten gehörten Sound.

 

Info

 

Spencer

 

Regie: Pablo Larraín,

117 Min., Deutschland/ Großbritannien 2021;

mit: Kristen Stewart, Timothy Spall, Sally Hawkins

 

Weitere Informationen zum Film

 

„Spencer“ scheint sich mit opulenter Optik in die Reihe von Royals-Dramen wie „The Queen“ (2006), „The King’s Speech” (2010) oder der Fernsehserie „The Crown“ (seit 2016) einzufügen. Allerdings setzt Regisseur Larraín nicht wie diese Vorgänger auf geschliffene Dialoge und fein austarierte soziale Beziehungen. Im Gegenteil: Er verweigert den Windsors fast gänzlich die Sprache – sie ergreifen kaum das Wort. Weil Blicke, die töten können, genügen.

 

Kochbrigade versus Prinzessin

 

Schon in den ersten Szenen wird die Frontstellung klar: auf der einen Seite das unerbittliche, militärisch grundierte Regiment des monarchischen Zeremoniells. Auf der anderen Seite steht Prinzessin Diana (Kristen Stewart), geborene Spencer, die aus völliger Verzweiflung langsam wieder zu Eigensinn erwacht. In einer Parallelmontage trifft die gedrillte Kochbrigade im Sandringham House in Norfolk ein, wo die königliche Familie Weihnachten 1991 verbringt. Zeitgleich irrt Diana in ihrem Wagen durch dieselbe Gegend. Sie ist hier aufgewachsen, erkennt aber nichts wieder.

Offizieller Filmtrailer


 

Big Brother Major Gregory

 

Offenbar ist sie verloren und verwirrt; entfremdet durch ihre gescheiterte Ehe mit Prinz Charles (Jack Farthing) und ihre Funktion als Medienfigur. Um sich zu orientieren, hält sie an einem Ausflugslokal; sobald sie in die Welt normaler Leute eintritt, verstummen alle Gespräche. Erst als sie wenig später auf einem Feld eine Vogelscheuche entdeckt, deren Jacke sie an sich nimmt und fortan als Talisman hütet, setzt langsam ihre Erinnerung wieder ein: an die Landschaft ihrer Kindheit und die Person, die sie einmal gewesen ist.

 

Als sie viel zu spät am Landsitz ankommt, trifft sie auf den Sicherheitschef des Anwesens, Major Alistair Gregory (Timothy Spall). Als Verantwortlicher für die Einhaltung von Tradition und Etikette behält er Diana stets im Blick. Alles, was sie innerhalb des Palastes sagt oder auch nur denkt, kommt ihm zu Ohren. Mehrfach fordert er sie ausdrücklich auf, ihren Widerspenstigkeit zu zügeln und die Weihnachtsfeier nicht zu verderben.

 

Verfolgt von Anne Boleyns Geist

 

An deren Gelingen liegt Diana wenig. Sich drei Tage lang an ausgeklügelte Kleiderordnungen und vorgeschriebene Termine für Mahlzeiten und Geschenkübergabe zu halten, ist ihr genauso zuwider wie stets die Vorhänge ihres Zimmers geschlossen zu halten, damit aufdringliche Paparazzi bloß keine Fotos erhaschen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Diana" - Drama über die Königin der Herzen von Oliver Hirschbiegel

 

und hier ein Beitrag über den Film "Jackie: Die First Lady" - einfühlsames Biopic der Kennedy-Witwe  von Pablo Larraín

 

und hier eine Besprechung des Films "Ema" - bizarr-sinnliches Tänzerinnen-Drama von Pablo Larraín

 

Sie hat andere Sorgen. Etwa die Kälte im Palast, obwohl er üppig und plüschig ausgestattet ist: Ständig muss die Prinzessin frieren. Wenn sie nachts durch verlassen daliegende Gänge irrt, wird sie dabei vom Geist Anne Boleyns (1501-1536) verfolgt: König Heinrich VIII. ließ die Mutter der späteren Elisabeth I. köpfen, um Jane Seymour zu heiraten.

 

Flucht als Vogelscheuche

 

Für Diana werden die gemeinsamen Treffen mit der übrigen königlichen Familie zur Tortur; sie hat groteske Halluzinationen und flüchtet bei jeder Gelegenheit ins Bad oder auf die Toilette. Alles scheint beständig auswegloser zu werden. Bis ein wenig Zuwendung und ein überraschendes Geständnis ihrer Lieblings-Kammerzofe (Sally Hawkins) Diana ermutigen, sich gegen ihre Umgebung aufzulehnen. Durch eine gelungene Provokation verwandelt sich Diana kurzzeitig in eine Vogelscheuche und setzt damit ihre Forderungen gegen die Queen und ihren Hofstaat durch – zumindest zeitweise.

 

In dieser Tragödie verkörpert Kristen Stewart die Princess of Wales nicht nur brillant und lebensecht mit abgrundtiefer Verzweiflung. Es gelingt ihr außerdem, ihren Charakter je nach Situation leuchten oder verglimmen, oszillieren oder erstrahlen zu lassen. Mit ihrem sehr subtilen und facettenreichen Spiel trägt sie die streckenweise recht assoziative Handlung über alle Ungereimtheiten hinweg.