Berlin

Anna Dorothea Therbusch – Eine Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit

Anna Dorothea Therbusch: Bildnis der Marie de Rège, Kopie nach Antoine Pesne, Foto: © Anhaltische Gemäldegalerie Dessau
Wacher Geist, lockerer Pinsel: Die Berliner Malerin Anna Dorothea Therbusch boxte sich im 18. Jahrhundert gegen viele Widerstände durch. Nun erinnert die Gemäldegalerie zum 300. Geburtstag an die Künstlerin, die erst mit mehr als 40 Jahren richtig durchstartete.

Beruf Künstlerin? Für eine Frau des 18. Jahrhunderts war das keine Option. Schon gar nicht für eine Gastwirtsgattin im Berlin zwischen friederizianischem Rokoko und bürgerlicher Aufklärung. Anna Dorothea Therbusch (1721-1782) hat es trotzdem geschafft. Mit hartnäckigem Durchhaltevermögen, stupendem Ehrgeiz und hinreißendem künstlerischen Talent biss sie sich durch.

 

Info

 

Anna Dorothea Therbusch – Eine Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit

 

03.12.2021 - 10.04.2022

täglich außer montags

10 bis 18 Uhr,

am Wochenende ab 11 Uhr

in der Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz, Berlin

 

Weitere Informationen

 

In den 1770er Jahren gehörte Therbusch zu den wichtigsten Akteuren in der Kunstszene der preußischen Hauptstadt. Adel und Bürgerliche saßen ihr Modell. Der arrivierte Daniel Chodowiecki, selbst vor allem als Grafiker gefragt, schwärmte nach einem Atelierbesuch von ihren „ganz herrlichen“ Porträts.

 

Nichts Formelhaftes

 

Tatsächlich zeichnet Therbuschs Bildnisse etwas aus, was nicht viele Maler liefern konnten: Sie haben eine besondere Lebendigkeit. Gesicht und Körperhaltung vermitteln unwillkürlich ein Gefühl für den Menschen, den sie porträtiert. Da ist nichts Formelhaftes, selbst wenn die Malerin selbstverständlich die Standards der Epoche bedient. Davon kann man sich jetzt in einer konzentrierten Ausstellung der Gemäldegalerie überzeugen.

Bildergalerie mit Werken von Therbusch. © Sha Shans


 

Hofgesellschaft + Bürgertum nah beieinander

 

Leider umfasst die Schau nur zwei Räume. Und es braucht hartnäckiges Durchhaltevermögen, sie im letzten Winkel der derzeit teilweise gesperrten Gemäldegalerie überhaupt zu finden. Aber immerhin: 12 Therbusch-Gemälde, sonst berlinweit auf verschiedenen Museen verstreut, kommen hier zusammen. Auf engstem Raum gelingt dabei ein echtes Kunststückchen. Pointiert und erhellend spickt Kuratorin Nuria Jetter den Parcours mit Vergleichsarbeiten von Zeitgenossen, von Antoine Pesne bis Antoine Watteau, von Elisabeth Vigée-Lebrun bis Chardin.

 

Ein historischer Stadtplan mit Therbuschs Lebensorten zeigt, wie nah sich Hofgesellschaft und Bürgertum damals auf engstem Raum kamen. In ihrem Atelier Unter den Linden, das sie mit ihrem Bruder teilte, gingen die VIPs ein und aus. Einen Bildhauer, wohl Carl Philipp Glume, verewigte sie mit frisch gerötetem Gesicht und Pelzmütze bei der Arbeit.

 

Paris-Trip nach fünf Kindern

 

Gegenüber schmunzelt ein unbekannter Pariser Intellektueller, worüber auch immer. Er gehörte wohl zum Umkreis Denis Diderots. Mit dem Aufklärer freundete sich Therbusch in Paris an. Die gewagte Fortbildungsreise in die französische Hauptstadt trat die Malerin mit mehr als 40 Jahren an. Drei Töchter hatte sie geboren, zwei Söhne auch. Jetzt verfolgte sie ihre eigene Karriere, und zwar gezielt.

 

Französische Fleischbeschau

 

Paris brachte ihr den Durchbruch: Die Preußin schaffte es, in die Académie Royale aufgenommen zu werden und durfte fortan als „Peintre du Roi de France“ signieren. Ein strategischer Vorteil, um später Aufträge des frankophilen Preußenkönigs Friedrich II. zu erringen. In Schloss Rheinsberg und in den Neuen Kammern von Sanssouci hängen Therbuschs Werke. Wie gerne hätte man sie jetzt in der Schau gesehen!

 

Zur Fleischbeschau lädt der Franzosenraum. In dem saftigen Schinken, den Anna Vallayer-Coster gemalt hat, steckt noch das Messer. Ebenfalls ausgesprochen rosig ruht, gleich daneben, auf einem Therbusch-Gemälde die hüllenlose Antiope: Lustobjekt für den hinten um die Ecke lugenden Jupiter in Gestalt eines Satyrs. Erotisch ebenso aufgeladen ist die Venus von François Boucher. Seine galanten Sujets fanden die Zeitgenossen völlig unbedenklich.

 

Für Frauen sind Akte tabu

 

Wenn eine Frau den Pinsel handhabte, sah das jedoch anders aus. Die Pariser Salon-Jury fand ihr Sujet zu unschicklich. Sie schaffte es trotzdem, mit einem unverfänglicheren Motiv. Dass Therbusch sich als Frau überhaupt an die angesehene Historienmalerei wagte, war ungewöhnlich. Denn für die großen Stoffe aus der antiken Mythologie brauchte es nun einmal Aktstudien. Ein Tabu für eine Frau. Therbusch setzte sich darüber hinweg.

 

Um die Wette schimmernde Seidenstoffe

 

Ihr Handwerk hatte sie bei ihrem Vater gelernt. Ein staubtrockenes Standesporträt aus dessen Hand veranschaulicht, wie weit sie dessen Niveau hinter sich ließ. Während ihr ebenfalls vertreten Bruder die Geduld seiner Modelle durch seinen Hang zur Präzision strapazierte, beeindruckt Therbusch mit lockerem Pinselschwung. Darin steckt Esprit und malerische Intelligenz.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Von mehr als einer Welt - Die Künste der Aufklärung" - im Kulturforum, Berlin

 

und hier ein Bericht über die Ausstellung "Goya" - in der Fondation Beyeler, Riehen/Basel

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Goya, Fragonard, Tiepolo - Die Freiheit der Malerei" -  in der Hamburger Kunsthalle

 

und hier ein Beitrag über die Ausstellung "Barock - Nur schöner Schein?" - in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim

 

Die wissbegierige Therbusch studierte nicht nur ihre französischen Zeitgenossen. Sie interessierte sich offenbar auch für die Niederländer des 17. Jahrhunderts lebhaft. Bei einem Pariser Souper sah sie möglicherweise das exquisite Terborch-Gemälde „Galante Konversation“, das später den Weg in die Gemäldegalerie fand. Jetzt hängt das kleine Bild neben Therbuschs großem, berühmten Selbstbildnis mit Augenglas. Die silbrig knisternden Seidenstoffe auf beiden Gemälden schimmern um die Wette.

 

Bebrillt Realität besser sehen

 

Aber Eitelkeit war nicht Therbuschs Sache. Vor ihrem Gesicht hat die betagte Künstlerin ihr Augenglas zurechtgerückt. Anton Graff zeigt sich, gleich daneben, auf seinem Selbstbildnis ebenfalls mit Brille auf der Nase. Die Sehhilfe war auch Ausweis eines durch die Aufklärung geschärften Blicks auf die Wirklichkeit.

 

So holt die Ausstellung die Künstlerin zurück in den Kreis ihrer Kollegen, in die vielschichtigen Netzwerke und Beziehungssysteme ihrer Zeit. Wie Angelika Kauffmann und Elisabeth Vigée-Lebrun gehört sie in den weiblichen Olymp der Kunst des 18. Jahrhunderts. Die Wiederentdeckung Therbuschs steht erst am Anfang.