Corinna Harfouch

Das Mädchen mit den goldenen Händen

Gudrun (Corinna Harfouch) hält eine Rede zu ihrem 60. Geburtstag. Foto: Wildbunch
(Kino-Start: 17.2.) Powerfrau in Neufünfland: Eine 60-Jährige feiert ihren runden Geburtstag im ostdeutschen Kinderheim, in dem sie einst aufwuchs. In dieser Rolle glänzt Corinna Harfouch, die den Film quasi im Alleingang stemmt – Regisseurin Katharina Marie Schubert packt viel in ihr Debüt.

„Heulen macht hässlich“ – ein Spruch, wie er nur von Gudrun kommen kann. Sie ist hart im Nehmen und war es schon immer. Aber auch austeilen kann sie gut. Das hat sie von Kind auf so gelernt. Denn Gudrun ist ohne Eltern aufgewachsen; im Osten zu einer Zeit, als sich die Menschen noch von den Erschütterungen des Krieges erholen mussten. Da kamen nur die weiter, die nicht zimperlich waren.

 

Info

 

Das Mädchen mit den goldenen Händen

 

Regie: Katharina Marie Schubert,

107 Min., Deutschland 2021;

mit: Corinna Harfouch, Birte Schnöink, Peter René Lüdicke 

 

Weitere Informationen zum Film

 

Deshalb passt es gut, dass Gudrun jetzt ihren 60. Geburtstag in dem alten Kinderheim feiert, in dem sie einst aufgewachsen ist. Das alte Herrenhaus hat unter jahrelangem Leerstand gelitten, doch es verlor nie seinen unterkühlten Charme und die emotionale Bedeutung für sie. Langsam streunt Gudrun vor dem Fest allein durch weite Flure, streift mit den Fingern über kahle Wände, blickt innerlich zurück auf das Erlebte und verbittet sich schnell, in letzter Sekunde doch noch sentimental zu werden.

 

Besserwessi kauft alles auf

 

Auf der Feier selbst, zu der auch ihre erwachsenen Tochter Lara (Birte Schnöink) aus Berlin angereist ist, kommt es jedoch bald zum Eklat. Gudrun erfährt eher nebenbei, dass dieses Gebäude, in dem sie auch gern eine große Silvesterparty zum bevorstehenden Jahrtausendwechsel ausrichten würde, demnächst an einen West-Investoren verkauft werden soll. Er will daraus ein Hotel machen. Damit ist die Party gelaufen; Gudrun stellt auf Kampfmodus um.

Offizieller Filmtrailer


 

Sich verbeißen + durchboxen

 

Corinna Harfouch spielt diese Gudrun mit gewohnt starrem Blick und angemessener Härte; sie beißt sich in diese Rolle hinein wie andere in ein Stück Torte. Harfouch liebt solche Figuren, die sich auf ihre eigene Weise zur Wehr setzen, wie sie zuletzt in „Lara“ (2019) von Jan-Ole Gerster bewiesen hat. Diese Protagonistin mochte keiner, nicht einmal sie selbst.

 

Im Debütfilm von Regisseurin Katharina Marie Schubert spielt Harfouch nun eine Frau, die zwar Freunde hat, sogar einen Mann, der sie liebt. Sie opfert sich auch für andere auf; trotzdem will sie sich allein durchzuboxen, wenn es darauf ankommt – im Zweifelsfall um jeden Preis. 

 

Tochters Vater-Suche kommt zu kurz

 

Problematisch an Figuren wie Gudrun ist, dass sie stets viel Raum einnehmen, manchmal zu viel, ohne Rücksicht auf Verluste. Das geht in “Das Mädchen mit den Goldenen Händen“ auf Kosten von Lara, ihrer Tochter. Sie ficht leise ihren eigenen Konflikt mit der Mutter aus, weil diese ihr nie von ihrem leiblichen Vater erzählt hat. Als sie beim Geburtstagsbesuch zufällig ein handsigniertes Porträt von ihrer Mutter findet, macht sie sich spontan auf die Suche nach ihm.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Lieber Thomas" - brillantes Biopic über den ostdeutschen Schriftsteller Thomas Brasch von Andreas Kleinert

 

und hier eine Besprechung des Films  "Adam und Evelyn" - Romanverfilmung über den Wendesommer 1989 als Vertreibung aus dem Nischenparadies von Andreas Goldstein.

 

und hier ein Beitrag über den Film "Lara" - intensives Psychogramm einer überehrgeizigen Pianisten-Mutter von Jan-Ole Gerster mit Corinna Harfouch 

 

Dieser Nebenstrang der Handlung leidet unter der übermächtigen Präsenz der Hauptfigur. Erst als Gudrun nach einem Fahrradunfall und Sitzstreik im Kinderheim ohnmächtig vom Stuhl kippt, wird sie im Krankenhaus zu einer Auszeit gezwungen. Tochter Lara und ihr Lebensgefährte Werner (Peter-René Lüdicke) nutzen die Gelegenheit, um aus den eigenen Grenzen auszubrechen.

 

Nachwende-Blues in Ex-DDR

 

Regisseurin Schubert packt viel in ihren ersten Spielfilm: den Nachwende-Blues und die Enttäuschungen derer, die in ihrer ostdeutschen Heimat geblieben sind, und den Verfall der Ex-DDR, der vor zwei Jahrzehnten auf seinem Höhepunkt war. Andererseits reiben sich alle Figuren an ihrem mehr oder weniger angespannten Verhältnis zur widerspenstigen Alpha-Frau im Zentrum des Geschehens.

 

Dabei meistert Corinna Harfouch als Hauptfigur den Film – trotz der soliden Besetzung der übrigen Rollen – quasi im Alleingang. Nur sie gibt der Geschichte Profil, Charakter und Stärke, mit der sie auch so manche holprige Szene zu überspielen versteht. Denn für Gudrun geht es um mehr als den Erhalt des Grundstücks, auf dem sie aufgewachsen ist – sondern um das Erinnerungs-Reservoir ihres ganzen Lebens.