Andre Hörmann

Mahendra Highway

Foto: Salzgeber
(Kinostart: 10.2.) Mit Hochglanz-Bildern Zweitverwertungs-Kasse machen: Diese Doku über Nepals wichtigste Fernstraße war bereits auf Arte zu sehen. Regisseur Andre Hörmann schwelgt in skurrilen Klischees – und ignoriert revolutionäre Veränderungen in jüngster Zeit.

Reiseabenteuer im Kino boomen – ob die Protagonisten nun kulinarische Recherche betreiben oder in musikalischer Mission unterwegs sind. Hierzulande besonders erfolgreich war die mithilfe von crowdfunding finanzierte Doku „Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ (2017). In diesem selbst gedrehten Erlebnisbericht umrundete ein junges Paar trampend mit schmalem Budget und großen Augen den Globus – inklusive Kindersegen on the road.

 

Info

 

Mahendra Highway

 

Regie: Andre Hörmann,

85 Min., Nepal/ Deutschland 2021

 

Weitere Informationen zum Film

 

Der Trend zur Globetrotter-Doku entstand schon vor der Pandemie; seither haben Reisebeschränkungen das Fernweh wohl weiter angeheizt. Also grüßen vom Werbeplakat für „Mahendra Highway“ bunte Gebetsfahnen hübsch flatternd vor blitzblauem Himmel, um das Publikum ins Kino locken. Aufhänger für diese Reise durch Nepal ist die titelgebende Straße; sie durchquert den Süden des Landes rund 1000 Kilometer lang an der Grenze zu Indien.

 

Himalaya-Gipfel statt Handelsroute

 

Das Filmteam folgt dieser Route von Ost nach West, mit Abstechern in den Himalaya. Auf den erhabenen Anblick schneebedeckter Gipfel wollte es in seiner Nepal-Doku offenbar nicht verzichten – auch wenn die gar nicht an der Wegstrecke liegen. Wer aber ein dokumentarisches Roadmovie mit subjektivem Blickwinkel erwartet, wird enttäuscht. Auch über die Bedeutung des Mahendra Highway als Handelsroute erfährt man wenig.

Offizieller Filmtrailer


 

Teeplantagen + Tempelanlagen

 

Ohnehin liefert die Straße allenfalls einen losen Bezugsrahmen für ein Potpourri von Impressionen aus der näheren und weiteren Umgebung des Highways, die so professionell wie routiniert in Szene gesetzt werden. Begleitet von einem unoriginellen, oft betulichen Erzähler-Kommentar, der vor Phrasen nur so strotzt – etwa, dass der „König der Berge“, der Mount Everest, „nicht von seiner Faszination eingebüßt hat“. Nun, warum sollte er?

 

Auch der orchestrale Soundtrack kleistert die Bilder eher zu, anstatt ihre Wucht zu unterstreichen. In gut 80 Minuten bildet Regisseur André Hörmann Nepals Vielfalt zwar durchaus ab, blickt dabei aber vor allem durch die touristische Brille. Die Kamera schweift über sattgrüne Teeplantagen und eindrucksvolle Tempelanlagen; sie beobachtet exotische Rituale und seltene Tierarten.

 

Kindergöttin statt Bürgerkrieg

 

Über die soziale und politische Realität des Landes erfährt man dagegen fast nichts – obwohl es in jüngster Vergangenheit revolutionäre Veränderungen erlebte. Von 1996 bis 2006 lieferte eine maoistische Guerilla, gestützt auf breiten Rückhalt in der Landbevölkerung, der monarchistischen Elite einen wechselvollen Bürgerkrieg mit mehr als 12.000 Opfern. Er endete mit einem Sieg der Aufständischen: Die Monarchie wurde abgeschafft und eine säkulare Republik eingeführt. Bei den ersten Wahlen gemäß neuer Verfassung erhielten linke Parteien eine deutliche Mehrheit der Parlamentssitze.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Chaddr – Unter uns der Fluss" - Dokumentation über extremen Schulweg in der Himalaya-Region Ladakh von Minsu Park

 

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und hier ein Beitrag über den Film "Pawo" - opulent schlichtes Doku-Drama über tibetischen Widerstand gegen China von Marvin Litwak

 

und hier einen Bericht über die Doku "Sâdhu – Auf der Suche nach der Wahrheit" - Porträt eines Hindu-Eremiten im Himalaya von Gaël Métroz

 

Dagegen nehmen im Film von Andre Hörmann religiöse Bräuche viel Raum ein. Wir begegnen etwa einem indischen Sadhu auf Pilgerfahrt. Aus hiesiger Sicht sehr exotisch ist die Kindergöttin Kumari, die täglich gegen eine Spende Besucher empfängt – bis sie in die Pubertät kommt. Bodenständig wirken Geschwister, die ein Restaurant betreiben und für dessen Erfolg eine Ziege opfern. Oder auch Nepalesen, die ihr Auto segnen lassen gegen Gefahren, die auf dem Highway lauern; von einem Geistlichen, der auf Metall spezialisiert ist.

 

Unbefriedigende Häppchen-Reportage

 

Doch solche kurzen Porträts bleiben an der Oberfläche. Ähnlich das eines Jungen, der als Fahrbegleiter das Chaos in überfüllten Langstreckenbussen souverän managt; oder das des elfjährigen Sohns eines Sherpas, der erzählt, wie gerne er in die Fußstapfen seines Bergführer-Vaters treten will. Dass all diese kurz eingeführten Protagonisten gleich wieder Platz machen müssen für die nächsten, wird zur unbefriedigenden Häppchen-Reportage. Wenige, aber inhaltlich vertiefte Porträts wären mehr gewesen.

 

So erinnert dieser Film an das, was man regelmäßig auf einschlägigen öffentlich-rechtlichen TV-Sendeplätzen geboten bekommt. Und genau das ist „Mahendra Highway“ auch: Unter dem Titel „Nepal – dem Himmel nah“ wurde die Doku als Zweiteiler erstmals im Spätsommer 2020 auf Arte ausgestrahlt. Zwar haben einige spektakuläre Bilder durchaus die große Leinwand verdient – aber das ist kein Grund für diese plumpe Zweitverwertung.