Oscar Isaac + Willem Dafoe

The Card Counter

William Tell (Oscar Isaac) am Spieltisch. Foto: © Focus Features, LLC. Fotoquelle: Weltkino Filmverleih
(Kinostart: 3.3.) Rien ne va plus: Ein Ex-Soldat, der für Beteiligung an Kriegsverbrechen zehn Jahre absaß, verspielt seine Zeit am Pokertisch. Regisseur Paul Schrader inszeniert sein Schuld-und-Sühne-Drama recht schal; das macht auch ein charismatischer Oscar Isaac in der Hauptrolle nicht wett.

William Tell (Oscar Isaac) ist ein Mann der Karten, nicht der großen Worte. Wenn er nicht am Spieltisch zockt, sitzt er im Auto auf dem Weg von einem Casino zum nächsten. Oder er schreibt Tagebuch, ein Whiskeyglas neben sich; in einem beliebigen Motelzimmer, das er zuvor sorgfältig mit weißen Laken über der Einrichtung komplett spurensicher gemacht hat.

 

Info

 

The Card Counter

 

Regie: Paul Schrader,

112 Min., USA 2021;

mit: Oscar Isaac , Willem Dafoe, Tiffany Haddish

 

Weitere Informationen zum Film

 

Seine Stimme aus dem Off kommentiert das Geschehen, gibt einzelne Hinweise, philosophiert über das Dasein und artikuliert, was Tell, dessen bürgerlicher Name Tillich lautet, auszusprechen nicht im Stande ist. Seine Verschlossenheit, die Tarnung, der verbissene Blick: All das hat einen Grund, der einer düsteren Vergangenheit entspringt.

 

Folterknecht in Abu Ghuraib

 

Der versierte Pokerspieler war während des zweiten Irak-Kriegs ab 2003 als Soldat im berüchtigten Gefängnis von Abu Ghuraib für das Foltern von Kriegsgefangenen zuständig. Als das ruchbar wurde und aus der Haftanstalt geschmuggelte Belege international Empörung hervorriefen, wurde Tell verurteilt. Zehn Jahre saß er hinter Gittern, um für seine Taten zu büßen.

Offizieller Filmtrailer


 

Antiheld mit Schuldgefühlen

 

Das Kartenzählen hat er im Gefängnis gelernt, aber nicht nur das. Auch die Disziplin rührt daher, mit der Tell routiniert seinen Alltag bewältigt. Der Typ mit den streng zurück gekämmten Haaren ist kein Draufgänger, kein gambler. Ihm geht es auch nicht ums Gewinnen.“Warum spielst du, wenn nicht für Geld?“ fragt ihn die Poker-Agentin La Linda (Tiffany Haddish). „Um mir die Zeit zu vertreiben,“ antwortet Tell; seine müden Augen verraten, dass er in diesem Moment nicht blufft.

 

Paul Schrader macht kein Geheimnis daraus, dass sein Protagonist ein von Schuldgefühlen und Gewissenskonflikten getriebener Antiheld ist. Wie fast alle seiner Figuren bisher: Die erste war Robert De Niro als Travis Bickle in „Taxi Driver“ (1976) von Martin Scorsese; für diesen Klassiker schrieb Schrader das Drehbuch.  Zuletzt war es Ethan Hawke in „First Reformed“ (2017) als kranker Pastor voller Glaubenszweifel, dessen Sohn im Irakkrieg starb.

 

Sohn will Vater rächen

 

Auch Tell kann den Dämonen seiner Vergangenheit nicht entkommen; die Schreckbilder seiner Erinnerung holen ihn immer wieder ein. Sie mehren sich, als er auf den jungen Cirk (Tye Sheridan) trifft, der am Selbstmord seines Vaters leidet. Der war ebenfalls Soldat in Abu Ghuraib gewesen, wo er das Folterhandwerk vom damaligen Befehlshaber John Gordo (Willem Dafoe) gelernt hatte. An ihm will Cirk sich nun rächen und dafür Tell als Komplizen gewinnen – doch der hat seine Lektion gelernt.

 

Hintergrund

 

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Regisseur Schrader beweist in „The Card Counter“ einmal mehr, dass er ein untrügliches Gespür für die richtige Besetzung seiner Hauptrollen hat. Oscar Isaac, der keine Miene verzieht und sich niemals in die Karten schauen lässt, holt aus seiner Figur heraus, was er kann. Sein lakonisches Auftreten ist konsequent; dabei legt Isaac genug Charisma an den Tag, um seine Auftritte überzeugend wirken zu lassen.

 

Szenen laufen ins Leere

 

Doch trotz seiner Versiertheit kann er die nachlässig komponierte Handlung und die zunehmend schale Inszenierung nicht überspielen. Die optischen Tricks, mit denen der Regisseur Spannung und Atmosphäre zu erzeugen versucht, sind dabei noch das geringste Problem. Wesentlich störender sind die Szenen, die Schrader einfach ins Leere laufen lässt – etwa der überflüssige Besuch in einem Militärgefängnis, zu dem Tell seinen neuen Schützling einlädt.

 

Am besten ist „The Card Counter“ immer dann, wenn er sich auf das Pokerspiel und die Profis am Spieltisch konzentriert; sie versuchen, einander in „die Seele zu blicken“, wie es Tell einmal formuliert. Ein höherer Einsatz und mehr Mut zum Risiko hätten dem ganzen Film gut getan.