Wie die Flusskreuzfahrt in Agatha Christies klassischem Krimi „Tod auf dem Nil“ stand auch der Kinostart von Kenneth Branaghs Neuverfilmung des Abenteuers von Meisterdetektiv Hercule Poirot unter keinem guten Stern. Mit eineinhalb Jahren Verzögerung kommt der Film endlich doch noch auf die Leinwand. Er hält ein, was das Werbeplakat verspricht: Glamour und Stars in schönen Kostümen.
Info
Tod auf dem Nil
Regie: Kenneth Branagh,
134 Min., USA 2020;
mit: Kenneth Branagh, Armie Hammer, Gal Gadot
Weitere Informationen zum Film
Fahruntauglicher Raddampfer
Dennoch überzeugt „Tod auf dem Nil“ visuell, wie schon der Vorgänger „Mord im Orient-Express“, etwa durch opulente Kamerafahrten. Das Setting eines Raddampfers ist ebenso mondän, wobei dieses Glaspalast-Schiff kaum fahrtauglich sein dürfte. Bevor der Film aber auf die Reise geht, beginnt er in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, wo ein digital verjüngter Poirot (Kenneth Branagh) dank ausgeprägter Beobachtungsgabe seine Einheit vor dem Verderben rettet.
Offizieller Filmtrailer
Aus Schund-Autorin wird Jazz-Sängerin
Nebenbei wird auch die Herkunft des Schnurrbarts und Poirots indifferentes Verhältnis zur Damenwelt ansatzweise erläutert. Danach macht der Film noch einen Abstecher in einen Nachtclub, wo die wichtigsten Protagonisten bereits versammelt sind. Sie treffen sich kurze Zeit später auf dem Dampfer Richtung Assuan wieder.
Wie bei Agatha Christie üblich werden nicht alle lebend das Ziel der Flussfahrt erreichen. Dabei hält sich das Drehbuch nicht ganz an die vorgegebene Mordopfer-Reihe, was auch an der zeitgeistigen Umdeutung einiger Figuren liegt. So verwandelt sich die dauerbeschwipste, tragikkomischen Groschenroman-Autorin Salome Otterbourne in eine coole, schwarze Nachtclubsängerin (Sophie Okonedo) à la Billie Holiday. Sie muss natürlich überleben, damit Poirot sie subtil anschmachten und sich mit „se bluesy music“ anfreunden kann.
Irrwege der Liebe auf Schiffsdeck
Als Sidekick steht Poirot der jungsmarten Bouc (Tom Bateman) zur Seite. Die exzentrische Künstlerin gibt schön schlagfertig Annette Bening. Außerdem haben britische Stars wie Jennifer Saunders oder der Komiker Russell Brand als erfolgloser Möchtegern-Liebhaber ihre Auftritte. Im Zentrum der Personenkonstellation steht Gal Gadot als Linnet Doyle. Das spätere Mordopfer hat zuvor viel Gelegenheit zum Strahlen, was ihre Figur sympathischer macht, als sie es eigentlich verdient.
Hintergrund
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Papp-Kulissen + Doku-Sonnenuntergänge
Liebhaber der alten Verfilmung von 1974 dürften mit dieser modernisierten Fassung etwas fremdeln: Als reines, künstliches Studioprodukt vermittelt der Film wenig vom Flair südlicher Gestade, dem eigentlichen Anlass für die Flusskreuzfahrt. Die spärlichen Außenaufnahmen fanden ausnahmslos in England vor Kulissen aus Pappmaché statt. Da wirken dazwischen geschnittene Bilder von Sonnenuntergängen über dem Nil sogar etwas deplaziert – als seien sie aus irgendeiner Landschafts-Doku übernommen worden.
Wem solche Ungereimtheiten nichts ausmachen, kann sich am blendend harmonierenden Ensemble sowie am hervorragend opulent inszenierten Dekor erfreuen; auch die wunderschönen Kostümen haben enormen Schauwert. Zudem spielt Hauptdarstellerin Gadot ebenso gut wie ihre Kollegen. Als Regisseur und Darsteller in Personalunion hält sich Branagh diesmal wohltuend zurück, was der Story zugute kommt. Dennoch kann seine recht artifiziell erscheinende Version der alten von 1974 das Wasser nicht reichen.