Jake Gyllenhaal

Ambulance

Die Bankräuber-Brüder versuchen, im Krankenwagen zu fliehen. Foto: © 2021 Universal Studios
(Kinostart: 24.3.) Schleudern und schießen, bis der Arzt kommt: Im Action-Reißer von Regisseur Michael Bay wollen zwei Bankräuber ausgerechnet in einem Krankenwagen der Polizei entfliehen. Bei der Helikopter-Hetzjagd durch die Straßen von Los Angeles bleibt jede Plausibilität auf der Strecke.

Ein denkbar ungleiches (Stief-)Brüderpaar: Kaum jemand würde wohl Will (Yahya Abdul-Mateen II) und Danny Sharp (Jake Gyllenhaal) für Geschwister halten. Während Will als Kriegsveteran mit kleinem Kind und kranker Frau bemüht ist, sich allen Widrigkeiten zum Trotz stets korrekt zu verhalten, ist Danny in die kriminellen Fußstapfen ihres gemeinsamen Vaters getreten.

 

Info

 

Ambulance

 

Regie: Michael Bay,

136 Min., USA 2022;

mit: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza González

 

Weitere Informationen zum Film

 

Wie jener ist Danny ein Profi-Dieb geworden, der laut FBI-Informationen bereits 47 erfolgreiche Banküberfälle auf dem Kerbholz hat. Dennoch suggerieren wiederholt eingeblendete harmonische Kindheits-Szenen, dass beide Brüder durch eine enge Beziehung miteinander verbunden sind.

 

Noch ein Plan für den perfekten Bankraub

 

Als Will nicht weiß, woher er das Geld für die notwendige Behandlung seiner Frau nehmen soll, bittet er seinen Bruder um Hilfe. Der bietet ihm stattdessen die Chance ihres Lebens: Er hat den Plan für einen perfekten Bankraub ausgeheckt, nach dem beide für immer ausgesorgt haben werden. Wenn Will bereit ist, kann es sofort losgehen. Dass alle anderen Spießgesellen höchst zweifelhafte Charaktere sind, stört Will zwar, doch gegen die Kombination aus Geldsorgen und Überzeugungskraft seines Bruders kommt er nicht an.

Offizieller Filmtrailer


 

Mal eben durchbohrtes Mädchen retten

 

In einem parallelen Erzählstrang begleitet der Film den Arbeitsalltag der Rettungssanitäterin Camille „Cam“ Thompson (Eiza González). Sie und ihr Partner sind darauf trainiert, stets als erste den jeweiligen Unfallort zu erreichen. Am Tag des Banküberfalls ist ein Autounfall in der Innenstadt von Los Angeles ihr letzter Einsatz vor der Mittagspause. Hier müssen mehrere ineinander verkeilte Wagen auseinandergesägt und ein kleines Mädchen gerettet werden, das von einer Metallstange durchbohrt wurde und darob zurecht panisch ist.

 

Letzteres gelingt Cam mit Bravour und psychologischem Geschick; was kaum der Rede wert gewesen sei, wie sie beim anschließenden Sushi-Essen meint. Das ist bei aller Wucht und Kalkuliertheit recht lebensnah erzählt, wenn man darüber hinwegsieht, wie schön und sauber die in den Unfall verwickelten Autos trotz ihrer Zerstörung im Rauch glänzen und blinken.

 

Kinosaal als Achterbahn-Wagen

 

Bereits der Überfall auf die Bank ist dann aber in seinem Ablauf kaum noch nachvollziehbar – was Regisseur Michael Bay sichtlich nicht wichtig ist. Im Gegenteil: Von nun an setzt er ganz auf bombastische Soundeffekte und eine entfesselte, meist hoch fliegende Kamera. Sie soll den Kinosaal eher in Wagen einer unendlichen Achterbahnfahrt verwandeln, anstatt Orientierung über Schauplätze und Handlung zu bieten.

 

Diese Strategie bemühen sonst vor allem Kriegsfilme, die dem Publikum die Drastik der Ereignisse weniger vor Augen führen als um die Ohren hauen wollen. Hier muss man nur verstehen, dass der eigentlich fast schon geglückte Überfall aus dem Ruder läuft, weil ein verliebter Cop, der am Bankschalter seine Herzensdame einladen will, dem Abgang der Gangster in die Quere kommt.

 

Notoperation via Videokonferenz

 

Also nehmen die Brüder den Mann als Geisel, während ihre Kompagnons unkoordiniert aus der Bank rennen; draußen werden sie von heranrückenden Polizisten unter Beschuss genommen. Angeschossen wird auch die Geisel, und zwar von Will. Es gelingt den Brüdern jedoch, den ebenfalls zum Ort des Geschehens geeilten Krankenwagen von Cam und ihrem Kollegen zu kapern.

 

Anschließend fliehen sie mit ihr und dem halbtoten Polizisten; er muss auf der Fahrt nach Konsultation von Experten via Videokonferenz mehrfach wiederbelebt und operiert werden. Damit nicht genug: Knapp zwei Stunden flieht der Rettungswagen vor motorisierten Polizeieinheiten über Stadtautobahnen, durch Geschäftsviertel, suburbane Ghettos und den Los Angeles River, der das Stadtgebiet in Nordsüdrichtung durchrinnt.

 

Verschrottung wie bei „Blues Brothers“

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "13 Hours: The secret Soldiers of Benghazi" - Dokudrama über US-Militäreinsatz in Libyen von Michael Bay

 

und hier eine Besprechung des Films "21 Bridges" - Action-Thriller über die Abriegelung von Manhattan von Brian Kirk

 

und hier einen Beitrag über den Film "Demolition – Lieben und Leben" – eigentherapeutische Zerstörungsorgie von Jean-Marc Vallée mit Jake Gyllenhaal

 

und hier einen Bericht über den Film "Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis" - brillantes Porträt eines Katastrophen-Paparazzo von Dan Gilroy mit Jake Gyllenhaal.

 

Begleitet wird die Hetzjagd von mehreren Helikoptern, von denen überraschenderweise keiner explodiert oder abstürzt, und einer Einsatzleitung, deren Akteure genauso permanent frotzeln, streiten und schreien wie in der Ambulanz. Während sehr viele Wagen in der Manier der klassischen Action-Komödie „Blues Brothers“ zu Klump gefahren werden, ohne dass sich seit 1980 bei den Verschrottungs-Stunts viel getan oder gar weiterentwickelt hätte, bleiben Handlung und Plausibilität zusehends auf der Strecke.

 

Zwischendurch wird eine Latino-Gang, die zunächst gefährlich anmutet, sich aber dann als ungeschickt erweist, als Kollateralschaden einfach niedergemäht. Aber gegen Rassismusvorwürfe glaubt der Film wohl durch sein divers zusammengestelltes Protagonisten-Trio gefeit zu sein. Oder durch seinen Schluss-Gag: Danny sagt zu seinem Bruder, sie seien keine Bösewichte, sondern nur zwei Jungs, die nach Hause wollen.

 

Für elf „Goldene Himbeeren“ nominiert

 

Die Filme von Action-Spezialist Michael Bay sind an der Kinokasse oft erfolgreich; dagegen selten bei Cineasten und Kritikern. Sein umfangreiches Werk wurde seit 1999 elf Mal für „Goldene Himbeeren“ – die Anti-Oscars – in den Kategorien „schlechtester Film“ und „schlechteste Regie“ nominiert. Darunter waren Action-Kracher wie „Armageddon“ (1998), „Pearl Harbour“ (2001) oder die „Transformers“-Reihe (seit 2007). „Ambulance“ ist ein würdiger Kandidat für die nächste Preisverleihung.