
Die Musical-Industrie hat wenig Respekt vor literarischen Klassikern; wenn diese Pathos, unerfüllte Liebe und weiteres Kitschpotential bieten, schlägt sie gern zu. Insbesondere populäre französische Literatur scheint es den Schöpfern musikalischer Lustspiele angetan zu haben. So eroberten bereits die „Drei Musketiere“ von Alexandre Dumas die Musical-Bühnen; ebenso „Les Misérables“ nach dem Monumentalroman von Victor Hugo.
Info
Cyrano
Regie: Joe Wright,
124 Min., Großbritannien/ USA/ Kanada 2021;
mit: Peter Dinklage, Haley Bennett, Ben Mendelsohn
Mega-Nase nur bei Marionette
Die Leinwandversion liefert nun Regisseur Joe Wright. Er verfilmte 2012 den Klassiker „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi furios neu. Auch ansonsten hat Wright ein Händchen für literarische Vorlagen, die er ernst nimmt, aber dem Stoff modern begegnet. Bei „Cyrano“ interpretiert er die Hauptfigur um, indem er sie mit dem kleinwüchsigen Peter Dinklage besetzt. Einzige Reminiszenz an die ursprüngliche Merkmal der Hauptfigur, sein Gesichtserker, ist eine Deko-Marionette mit ausgeprägtem Riechkolben in den Kulissen des Theaters, das Cyranos leidenschaftlich liebt.
Offizieller Filmtrailer
Soldat als Inkognito-Postbote
In einer verschwenderisch ausgestatteten und furios choreografierten Eröffungsszene stellt Cyrano den Publikumsliebling der örtlichen Bühne als untalentierten Popanz bloß, der es nicht verdient, auf diesen Brettern zu stehen. Theater, Dichten, Wort- und reale Gefechte sind Cyranos Leidenschaft. Tiefe Gefühle hat der kampflustige und trinkfeste Zyniker ansonsten nur noch heimlich für seine Jugendfreundin Roxanne (Haley Bennett). Zu seinem Leidweisen sieht diese in ihrem ehemaligen Spielkameraden nur einen Seelenverwandten; ohnehin muss sie sich zahlreicher Avancen erwehren.
Als der schneidige junge Rekrut Christian (Kelvin Harrison Jr.) in die Stadt kommt, ist es um Roxanne geschehen. Bald erhält sie von diesem Jüngling poetische Briefe – allerdings ahnt sie nicht, dass diese eigentlich von Cyrano formuliert worden sind. Diese Grundstruktur der Handlung behält Regisseur Wright bei, bis zum bitteren Ende.
Songs von „The National“-Mitgliedern
Als Kulissen dienen die sonnendurchfluteten Straßen der südsizilianischen Barock-Stadt Noto. Ihr warmer, honigfarbener Sandsteinton sorgt für entsprechende Stimmung und malerische Anmutung, vor denen Cyranos Seelenpein noch melodramatischer zur Wirkung kommt. Der Feingeist in verwachsener Gestalt hadert mit seinem physischen Ungenügen; er ringt mit sich, ob und wie er Roxanne seine Gefühle offenbaren kann, wozu er lieber einen Avatar mit hübschem Gesicht benutzt.
Hintergrund
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und hier einen Bericht über den Film "Anna Karenina" von Joe Wright mit Keira Knightley nach dem Klassiker von Leo Tolstoi.
Mit Musik zu melodramatisch
Wie immer in seinen Filmen verwendet Regisseur Joe Wright viel Sorgfalt auf die Ausstattung. Sie lässt burleskes Theater von einst wieder aufleben, erinnert auch sehr an klassische Literaturverfilmungen wie „Romeo und Julia“ (1968) von Franco Zeffirelli oder auch Richard Lesters Adaption der „Drei Musketiere“ von 1973. Ihnen folgend versucht auch Wright, Ernst und Albernheit, Drama und Komik miteinander zu verbinden, was nicht immer gelingt; vor allem in den arg plötzlich einsetzenden Gesangseinlagen.
In den Dialog-Passagen hat der Film sehr schöne, auch intensive oder komische Momente. Doch das ist vorbei, sobald Gesang anhebt; dann wird es oft zu melodramatisch. Dagegen können auch die schön inszenierten Bilder nicht viel ausrichten. Auf der Bühne mag dieser Mischmasch von Drama und Musical harmonieren, im Kino eher nicht.