Die schwedische Kinderbuch-Autoren Astrid Lindgren (1907-2002) kennt wohl jeder. Der Name ihrer finnlandschwedischen Kollegin Tove Jansson (1914-2001) ist dagegen hierzulande weit weniger geläufig. Obwohl ihre selbst illustrierten Geschichten über knubbelige Mumin-Trolle und ihre Freunde nicht nur Kindern gefallen: In ihnen mischt sich lebenskluger Witz mit etwas Melancholie und einer Prise Rebellentum.
Info
Tove
Regie: Zaida Bergroth,
100 Min., Finnland/ Schweden 2020;
mit: Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney
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Vater als scharfer Kritiker
Die Zeichnerin selbst nahm allerdings diese Figuren, die sie weltweit berühmt machen sollten, lange nicht ernst: Sie betrachtete derlei als Kritzeleien, die sie von ihrer eigentlichen Arbeit als Malerin eher ablenkten. Diese überkritische Selbsteinschätzung wurde von ihrem Vater bestärkt.
Offizieller Filmtrailer
Zwei Gefährten helfen auf die Beine
Mit ihm verband sie ein schwieriges Verhältnis: Sowohl der Bildhauer Viktor Jansson als auch der konservative Kunstbetrieb im Helsinki der 1940er Jahre verweigerten Tove Jansson jede Anerkennung für ihre expressionistischen Gemälde. Bei der Vergabe von Stipendien wurde sie regelmäßig übergangen.
Aus Sicht von Regisseurin Zaida Bergroth erkannten vor allem zwei Gefährten das populäre Potenzial von Tove Janssons Figuren. Sie halfen der ständig klammen Künstlerin (Alma Pöysti), wirtschaftlich auf die Beine zu kommen: erstens der linke Politiker und Journalist Atos Wirtanen (Shanti Roney), zweitens die Theaterregisseurin Vivica Bandler (Krista Kosonen).
Bedächtig erzählt + sinnlich fotografiert
Als Tochter des Bürgermeisters von Helsinki war Bandler bestens vernetzt; sie verschaffte Jansson etliche Aufträge. Wie auch andere Freunde von ihr dienten Wirtanen und Bandler als Vorbilder für Figuren: Inspiriert vom Politiker entwarf sie den unabhängigen Wandervogel Schnupferich, während die Theaterfrau zu einer Hälfte des niedlichen Duos Tofslan und Vifslan wurde – die andere war Tove Jansson selbst.
Mit beiden Personen hatte die bisexuelle Künstlerin jahrelange, intensive Liebesverhältnisse. Diese so komplexe wie instabile Dreiecksbeziehung rückt Regisseurin Bergroth in ihrem bedächtig erzählten, gediegen ausgestatteten und sinnlich fotografierten Film in den Mittelpunkt.
Liebeskarussell verdrängt Werk
Wobei sie die Nachteile nicht verschweigt: In ihrer Liebe zu Vivica Bandler wurde die Zeichnerin tief verletzt. Obwohl beide Partnerinnen ihre lesbische Beziehung – die damals in Finnland noch verboten war – überraschend selbstverständlich auslebten, scheiterte sie, wie bei vielen heterosexuellen Paaren auch, an mangelnder Verbindlichkeit und unterschiedlichen Vorstellungen in punkto Treue.
Hintergrund
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Bohème-Fantasien in Zeitlupe
Zwar zeigt der Film auch erwartbare Einstellungen, wie die Künstlerin an der Leinwand steht oder sich über Skizzenbücher beugt. Doch die Regisseurin, die sich auf die Nachkriegsjahre konzentriert, suggeriert vor allem, Janssons Leben sei eine endlose Reihe von durchtanzten Festen gewesen. Das dürfte mehr über Bergroths Bohème-Fantasien als über das Leben der Porträtierten aussagen; zumal die Party-Szenen durch exzessiven Einsatze von Zeitlupe auf Dauer recht redundant wirken.
Diese dramaturgischen Schwächen gleicht aber Hauptdarstellerin Alma Pöysti mit ihrem berührenden Spiel aus; besonders faszinierend ist ihr eigenwilliges Antlitz. In ihm spiegeln sich alle Emotionen so lebhaft, das man stets gern dabei zusieht und sofort für den Freigeist Tove Jansson eingenommen wird – ob man nun mit den Mumins etwas anfangen kann oder nicht.