Zaida Bergroth

Tove

Tove Jansson (Alma Pöysti) bei der Arbeit. Foto: Salzgeber Film
(Kinostart: 24.3.) Aus dem Leben eines finnlandschwedischen Freigeistes: Tove Jansson, die Zeichnerin der Mumins, war weit mehr als eine Erfinderin drolliger Figuren. Regisseurin Zaida Bergroth widmet ihr ein sinnliches Biopic, das sich um eine Dreiecksbeziehung dreht.

Die schwedische Kinderbuch-Autoren Astrid Lindgren (1907-2002) kennt wohl jeder. Der Name ihrer finnlandschwedischen Kollegin Tove Jansson (1914-2001) ist dagegen hierzulande weit weniger geläufig. Obwohl ihre selbst illustrierten Geschichten über knubbelige Mumin-Trolle und ihre Freunde nicht nur Kindern gefallen: In ihnen mischt sich lebenskluger Witz mit etwas Melancholie und einer Prise Rebellentum.

 

Info

 

Tove

 

Regie: Zaida Bergroth,

100 Min., Finnland/ Schweden 2020;

mit: Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney

 

Weitere Informationen zum Film

 

Jansson bedient die Sehnsüchte von Klein und Groß nach Idyllen, ohne in rosarotem Kitsch zu schwelgen. In ihrem Kosmos gibt es auch dunkle Erscheinungen wie etwa die Morra; alles was sie berührt, gefriert zu Eis. Während Knirpse viel Spaß haben an den detailreichen Zeichnungen mit ihrer überbordenden Fantasie, entdecken Erwachsene allerlei Allegorien im Mumin-Universum. Und überhaupt: Wer braucht nicht ab und zu eine Dosis Eskapismus?

 

Vater als scharfer Kritiker

 

Die Zeichnerin selbst nahm allerdings diese Figuren, die sie weltweit berühmt machen sollten, lange nicht ernst: Sie betrachtete derlei als Kritzeleien, die sie von ihrer eigentlichen Arbeit als Malerin eher ablenkten. Diese überkritische Selbsteinschätzung wurde von ihrem Vater bestärkt.

Offizieller Filmtrailer


 

Zwei Gefährten helfen auf die Beine

 

Mit ihm verband sie ein schwieriges Verhältnis: Sowohl der Bildhauer Viktor Jansson als auch der konservative Kunstbetrieb im Helsinki der 1940er Jahre verweigerten Tove Jansson jede Anerkennung für ihre expressionistischen Gemälde. Bei der Vergabe von Stipendien wurde sie regelmäßig übergangen.

 

Aus Sicht von Regisseurin Zaida Bergroth erkannten vor allem zwei Gefährten das populäre Potenzial von Tove Janssons Figuren. Sie halfen der ständig klammen Künstlerin (Alma Pöysti), wirtschaftlich auf die Beine zu kommen: erstens der linke Politiker und Journalist Atos Wirtanen (Shanti Roney), zweitens die Theaterregisseurin Vivica Bandler (Krista Kosonen).

 

Bedächtig erzählt + sinnlich fotografiert

 

Als Tochter des Bürgermeisters von Helsinki war Bandler bestens vernetzt; sie verschaffte Jansson etliche Aufträge. Wie auch andere Freunde von ihr dienten Wirtanen und Bandler als Vorbilder für Figuren: Inspiriert vom Politiker entwarf sie den unabhängigen Wandervogel Schnupferich, während die Theaterfrau zu einer Hälfte des niedlichen Duos Tofslan und Vifslan wurde – die andere war Tove Jansson selbst.

 

Mit beiden Personen hatte die bisexuelle Künstlerin jahrelange, intensive Liebesverhältnisse. Diese so komplexe wie instabile Dreiecksbeziehung rückt Regisseurin Bergroth in ihrem bedächtig erzählten, gediegen ausgestatteten und sinnlich fotografierten Film in den Mittelpunkt.

 

Liebeskarussell verdrängt Werk

 

Wobei sie die Nachteile nicht verschweigt: In ihrer Liebe zu Vivica Bandler wurde die Zeichnerin tief verletzt. Obwohl beide Partnerinnen ihre lesbische Beziehung – die damals in Finnland noch verboten war – überraschend selbstverständlich auslebten, scheiterte sie, wie bei vielen heterosexuellen Paaren auch, an mangelnder Verbindlichkeit und unterschiedlichen Vorstellungen in punkto Treue.

 

Hintergrund

 

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Dieses Liebeskarussell verdrängt allerdings das Werk der Künstlerin in den Hintergrund. Abgesehen von putzigen Mumin-Geschichten, die sie in den 1950er Jahren international bekannt machten, arbeitete Tove Janssons auch als Karikaturistin, Illustratorin und Malerin. Außerdem schrieb sie ein Dutzend Bücher für ein erwachsenes Publikum.

 

Bohème-Fantasien in Zeitlupe

 

Zwar zeigt der Film auch erwartbare Einstellungen, wie die Künstlerin an der Leinwand steht oder sich über Skizzenbücher beugt. Doch die Regisseurin, die sich auf die Nachkriegsjahre konzentriert, suggeriert vor allem, Janssons Leben sei eine endlose Reihe von durchtanzten Festen gewesen. Das dürfte mehr über Bergroths Bohème-Fantasien als über das Leben der Porträtierten aussagen; zumal die Party-Szenen durch exzessiven Einsatze von Zeitlupe auf Dauer recht redundant wirken.

 

Diese dramaturgischen Schwächen gleicht aber Hauptdarstellerin Alma Pöysti mit ihrem berührenden Spiel aus; besonders faszinierend ist ihr eigenwilliges Antlitz. In ihm spiegeln sich alle Emotionen so lebhaft, das man stets gern dabei zusieht und sofort für den Freigeist Tove Jansson eingenommen wird – ob man nun mit den Mumins etwas anfangen kann oder nicht.