Volker Schlöndorff

Der Waldmacher

Tony Rinaudo beim Beschneiden der Bäume in Äthiopien. Foto: © World Vision
(Kinostart: 7.4.) Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute einen Busch stutzen: Mit dieser Methode forstet ein Australier afrikanische Landstriche auf. Ihn porträtiert Regisseur Volker Schlöndorff – doch seine Doku wechselt arg häufig Themen und Drehorte.

Afrika ist der Kontinent der gescheiterten Patentrezepte. In den vergangenen 60 Jahren sollten zahlreiche Großprojekte die Länder südlich der Sahara von Übeln wie Armut, Hunger und Krankheiten befreien – seit den 1990er Jahren kamen solche zu rascher Industrialisierung und nachhaltigem Umweltschutz hinzu. Die meisten scheiterten gründlich; woran das lag, erforschen etliche Organisationen und Institutionen ausgiebig.

 

Info

 

Der Waldmacher

 

Regie: Volker Schlöndorff,

87 Min., Deutschland 2021;

mit: Tony Rinaudo, Tesfamariyam Antoniyo, Cecilia Topok Saparoug

 

Weitere Informationen zum Film

 

Eine dieser kläglich versandeten Initiativen ist „Die große grüne Mauer“: Ein nur 15 Kilometer breiter, aber 8000 Kilometer langer Waldgürtel von Senegal an der West- bis Äthiopien an der Ostküste soll verhindern, dass die Wüste nach Süden vordringt. Das 2005 gestartete Vorhaben finanzierten EU und UN-Unterorganisationen großzügig. Die opulente Doku „The Great Green Wall“ von Regisseur Jared P. Scott warb noch 2020 dafür, auch in deutschen Kinos. Doch laut einem Bericht des britischen „Guardian“ aus demselben Jahr sind erst vier Prozent der nötigen Flächen bepflanzt.

 

Alternativer Nobelpreis 2018

 

Da scheint Skepsis angebracht, wenn der australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo eine revolutionäre Methode zur Wiederaufforstung weiter Gebiete Afrikas propagiert. Immerhin erhielt er dafür 2018 den „Right Livelihood Award“, auch Alternativer Nobelpreis genannt. Dadurch wurde Regisseur Volker Schlöndorff, Urgestein des deutschen Autorenfilms, auf ihn aufmerksam: In „Der Waldmacher“ dokumentiert er Rinaudos Wirken in der Sahelzone.

Offizieller Filmtrailer


 

Höhere Landwirtschafts-Erträge

 

Der Australier kam 1981 mit seiner Familie in den Niger; dort lebte sie 18 Jahre lang als Entwicklungshelfer und Missionare. Anfangs versuchte Rinaudo, Brachflächen auf konventionelle Art durch Anpflanzen neuer Bäume aufzuforsten, doch vergebens. In den ausgelaugten Böden konnten Setzlinge keine Wurzeln schlagen. Eines Tages bemerkte er auf einem dürren Landstrich frisches Grün: Unterirdische Wurzelstöcke trieben wieder aus. Er stutzte den kleinen Busch auf ein bis drei Hauptzweige zusammen – die wuchsen fortan umso schneller in die Höhe.

 

Das Prinzip ist jedem Obstgärtner geläufig, aber in der Sahelzone war es offenbar unbekannt. Im Rahmen eines Nahrungshilfe-Programms ließ Rinaudo 12.000 Bauern schulen, wie man Spontanvegetation richtig beschneidet. Vier Jahrzehnte später sind manche Regionen, die vorher staubiges Karstland waren, wieder von Sekundärwald bedeckt. In solchen Gebieten bringt die Landwirtschaft höhere Erträge: Die Felder werden von Baumkronen beschattet. Ihr Laub schützt die Erde vor Austrocknung und bietet Nahrung für Mikro- wie Makroorganismen.

 

Alles irgendwie spannend in Afrika

 

Doch fröhliche Dorfgemeinschaften, die mit Sicheln an Zweigen herumschneiden, füllen keine Spielfilmlänge. Also greift Regisseur Schlöndorff alle möglichen Themen auf, die mit dortigem Landleben zusammenhängen – und lässt sie meist rasch wieder fallen. Wie jemand, der sich erstmals mit Afrika beschäftigt und alles irgendwie spannend findet. So lässt er die analphabetische Bäuerin Cecilia Topok Saparoug in Nordghana ihren Tagesablauf schildern.

 

Andere Frauen berichten, dass sie alle Arbeiten im Dorf selbst erledigen müssen, weil ihre Männer auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten in die Städte abgewandert sind. Eine von ihnen zählt die Vorteile von Hirse als Grundnahrungsmittel auf: Für ihren Anbau braucht man keinen teuren Kunstdünger. Alles nicht falsch, aber arg verkürzt; zumal bei häufigen Szenenwechseln oft unklar bleibt, ob das Filmteam gerade in Mali, Niger, Ghana oder Äthiopien dreht.

 

Lieber Geld im Sitzen verdienen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Zähmung der Bäume – Taming the Garden – Doku über eine Oligarchen-Sammlung von Bäumen in Georgien von Salomé Jashi

 

und hier eine Besprechung des Films "Das geheime Leben der Bäume" – Essay-Film über Peter Wohllebens Bestseller von Jörg Adolph + Jan Haft

 

und hier einen Bericht über den Film "Fantastische Pilze – Die magische Welt zu unseren Füßen" – visuell eindrucksvolle Natur-Doku von Louie Schwartzberg

 

und hier einen Beitrag über den Film "Das Fieber – Der Kampf gegen Malaria" – Doku über alternative Heilmethoden von Katharina Weingartner.

 

Dort spielt eine der interessantesten Episoden: Schlöndorff besucht eine Grundschule auf dem Land, deren Schüler von ihren Zukunftsplänen erzählen. Alle wollen Lehrer werden, aber keiner Bauer wie ihre Eltern: „Ich möchte lieber im Sitzen mein Geld verdienen als mit körperlicher Arbeit“, bringt es ein Knirps auf den Punkt. Prompt tritt der frühere Lehrer Tesfamariyam Antoniyo auf: Er schaffte sich mit seiner Abschiedsprämie nach dem Armeedienst sieben Kühe an und ist nun als Landwirt zufrieden – seine Verwandten halten ihn für „verrückt“.

 

Solche simplen Kontraste bilden die schlichte Dramaturgie des Films, dem ein durchgängiger roter Faden fehlt. Überbevölkerung und Landflucht, die beiden größten Probleme im heutigen Afrika, übergeht Schlöndorff nicht, aber er präsentiert flugs vermeintliche Gegenmittel. So reiht sich sein Film ins Subgenre „Wohlfühl-Doku für westliche Gutmenschen“ ein, das seine Zuschauer mit der angenehmen Hoffnung entlässt, bald werde sich in Afrika alles zum Besseren wenden.

 

Kein Dreh mit Verantwortlichen

 

Das haben ja optimistische Bauern und Schulkinder mit leuchtenden Augen bezeugt. Wenn es nur so einfach wäre: Die Verantwortlichen für Afrikas Misere – korrupte Eliten, passive Bürokraten und eine resignierte Mittelschicht, die ihr Heil im globalen Norden sucht – sprechen nicht vor laufenden Doku-Kameras.