Colin Firth

Die Täuschung (Operation Mincemeat)

Zu dritt gegen die Nazis: Geheimdienst-Mitarbeiter Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen), Ewen Montagu (Colin Firth) und Ian Fleming (Johnny Flynn, v.l.n.r.). Foto: ©See-Saw Films Limited 2021
(Kinostart: 26.5.) Den Zweiten Weltkrieg mit einer Wasserleiche entscheidend beeinflussen: Das gelang einer britischen Geheimdienst-Einheit 1943. Ihre Operation zeichnet Regisseur John Madden detailgetreu nach – so glatt gebügelt und steif wie die Uniformen der Protagonisten.

Taking back control: Seit geraumer Zeit kommen ein bis zwei Mal jährlich britische Filme ins Kino, in denen sich das Vereinigte Königreich seiner glorreichen Taten im Zweiten Weltkrieg besinnt. Mit stiff upper lip, trockenem Humor und tongue in cheek, aber stets mit unerschütterlicher Siegesgewissheit; durch solche Tugenden, lautet die untergründige Botschaft, werden sich auch alle Brexit-Folgen bewältigen lassen.

 

Info

 

Die Täuschung (Operation Mincemeat)

 

Regie: John Madden,

128 Min., Großbritannien/ USA 2021;

mit: Colin Firth, Matthew Macfadyen, Kelly Macdonald, Penelope Wilton

 

Weitere Informationen zum Film

 

In diese World War II-Serie reiht sich „Die Täuschung“ ein; so sachlich und uninspiriert wie dieser Titel fällt allerdings auch der Film über weite Strecken aus. Im englischen Original heißt er „Operation Mincemeat“ wie das historische Vorbild – die drastische Bezeichnung „Operation Hackfleisch“ will der Verleih offenbar dem deutschen Publikum in Zeiten des Ukraine-Kriegs nicht zumuten.

 

Invasion in Griechenland statt Sizilien

 

Unter diesem Namen lief eine der wichtigsten Geheimdienst-Operationen der Alliierten ab. Sie planen 1943 ihre Landung auf Sizilien; um den Erfolg zu sichern und eigene Verluste zu minimieren, soll die Nazi-Führung über den Ort der Invasion getäuscht werden. Mit einem Trick wird ihr suggeriert, die alliierten Truppen beabsichtigten einen Angriff auf das von der Wehrmacht besetzte Griechenland. Damit die Finte glaubhaft erscheint, muss sie raffiniert inszeniert werden.

Offizieller Filmtrailer


 

James-Bond-Autor feilte an Idee

 

Die vermeintlichen Angriffspläne werden einer Leiche zugesteckt, die als britischer Pilot eingekleidet ist. Der angebliche Major William Martin starb scheinbar bei einem Flugzeugabsturz, fiel ins Meer und wird Tage später an einem spanischen Strand angespült. Diese aufwändige Maskerade soll von einer eigens dafür gebildeten Geheimdienst-Einheit ins Werk gesetzt werden, deren Arbeit der Film rekonstruiert.

 

Federführend sind Ewen Montagu (Colin Firth) und Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen); er fischt aus einem älteren Memorandum die Idee, für Augenwischerei eine Wasserleiche zu nutzen. Weiter ausgefeilt wird sie von einem gewissen Ian Fleming (Johnny Flynn), den die Nachkriegswelt als Autor der James-Bond-Romane kennt. Zum engsten Mitarbeiter-Kreis zählt auch Jean Leslie (Kelly Macdonald); sie gibt sich mit Privatfotos als Geliebte des toten Majors aus. Befehligt wird das Team von Admiral John Godfroy (Jason Isaacs).

 

Leichen-Kostümierung + -Transport

 

Nachdem die Einheit formiert ist, setzt sie ihr Vorhaben Schritt für Schritt um. Als Leiche dient die sterbliche Hülle eines Obdachlosen; sie wird kostümiert und mit den nötigen Fake-Dokumenten ausgestattet, was Regisseur John Madden detailgetreu nacherzählt. Dann wird der Kadaver von einem britischen U-Boot zur spanischen Atlantikküste überführt und ins Wasser geworfen. Fischer bergen ihn wie gewünscht.

 

Das Durchsickern der Dokumente an die Deutschen droht zeitweise zu scheitern. Doch als die Habseligkeiten des ‚toten Majors’ nach London zurückgebracht werden, stellt sich heraus, dass sie zuvor gefilzt worden sind. Wie erhofft stößt die alliierte Invasion auf Sizilien am 10. Juli auf wenig Gegenwehr: Die deutschen Besatzer sind unvorbereitet, das Verwirrungsmanöver hat geklappt.

 

Acht-Uhr-Drink als Gefühlsausbruch

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Erfindung der Wahrheit – Miss Sloane" - brillantes Porträt einer Polit-Lobbyistin von John Madden

 

und hier eine Besprechung des Films "Churchill" - glänzendes Biopic über den britischen Premier vor der Alliierten-Landung in der Normandie 1944 von Jonathan Teplitzky

 

und hier eine Kritik des Films "Dunkirk" – monumentales Echtzeit-Epos über die Evakuierung britischer Truppen im Zweiten Weltkrieg von Christopher Nolan

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die Liebe seines Lebens – The Railway Man" – ergreifendes Schuld-und-Sühne-Drama über einen Weltkriegs-Veteranen von Jonathan Teplitzky mit Colin Firth

 

und hier einen Bericht über den Film  „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ – Biopic über das Informatik-Genie Alan Turing im Zweiten Weltkrieg von Morten Tyldum.

 

Was im Digital-Zeitalter undenkbar scheint, war vor 70 Jahren noch möglich: allein mit einer manipulierten Wasserleiche das feindliche Oberkommando in die Irre zu führen. Dass sich Regisseur John Madden dabei minutiös an die realen Vorgänge hält, führt aber zu langatmigen Wortwechseln von Schreibtischtäter-Spionen über ihre Winkelzüge. Weicht er davon ab – so rivalisieren Montagu und Cholmondeley um die Gunst von Jean Leslie, was frei erfunden ist – wirkt das so spannend wie Büroklatsch.

 

Zumal Colin Firth als Hauptfigur in der Pose eines patriotischen Stoikers vom Dienst erstarrt, der jeden Fortschritt oder Rückschlag mit dem gleichen bittersüßen Lächeln quittiert. Da darf es schon als Gefühlsausbruch gelten, wenn er am Ende seinem Kollegen-Konkurrenten um acht Uhr morgens einen Drink spendiert, um die geglückte Sizilien-Invasion zu begießen.

 

Stoff für Militärhistoriker

 

Wie sich Weltkriegs-Episoden hinter den Kulissen mitreißend erzählen lassen, hat Regisseur Morten Tyldum 2014 mit „The Imitation Game“ gezeigt: Er schilderte, wie der geniale Informatiker Alan Turing den Verschlüsselungs-Code der deutschen „Enigma“-Chiffriermaschinen knackte – und später der Homophobie der Nachkriegszeit zum Opfer fiel.

 

Auch Regisseur John Madden hat in seinem letzten Film „Die Erfindung der Wahrheit – Miss Sloane“ (2016) die papierne Welt von Polit-Lobbyisten in eine fesselnde Redeschlacht verwandelt. Doch „Die Täuschung“ bleibt so glatt gebügelt und steif wie die Uniformen seiner Protagonisten. Manche Kriegsgeschichten überlässt man besser den dicken Büchern von Militärhistorikern.