Icíar Bollaín

Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung

Täter und Opfer gedenken: Ibon Etxezarreta (Luis Tosar, li.) und Maixabel Lasa (Blanca Portillo). Foto: © Piffl Medien
(Kinostart: 26.5.) 830 Mordopfer in 51 Jahren machten die baskische ETA zur blutigsten Terrorgruppe in Europa. Einen Fall verfilmt Regisseurin Icíar Bollaín: Elf Jahre nach dem Mord an einem Ex-Gouverneur vergibt seine Witwe den Tätern. Ein ergreifendes Drama um Schuld und Aussöhnung.

Die ETA lässt grüßen: Als am 29. Juli 2000 ihr Telefon klingelt, weiß Maixabel Lasa Iturrioz (Blanca Portillo) bereits, dass etwas Schreckliches passiert sein muss. Schließlich steht der Name ihres Mannes Juan Mari Jáuregui auf den Todeslisten der ETA: 1994 bis 1996 war er Zivilgouverneur von Gipuzkoa, einer der drei Provinzen des Baskenlandes.

 

Info

 

Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung

 

Regie: Icíar Bollaín,

115 Min., Spanien 2021;

mit: Blanca Portillo, Luis Tosar, Urko Olazabal, María Cerezuela

 

Weitere Informationen zum Film

 

Nach seiner Amtszeit ging er ins chilenische Exil, doch bei einem Heimatbesuch wird er im Café kaltblütig von einem ETA-Todeskommando erschossen. Danach rasen Ibon Etxezarreta (Luís Tosar), Luis Carrasco (Urko Olazabal) und ein dritter Kumpan durch die Kleinstadt Tolosa. Den Fluchtwagen sprengen sie, anschließend stoßen die drei auf ihre Tat an. Als die Killer später gefasst und vor Gericht gestellt werden, brüllen sie ideologische Parolen.

 

Zeit verändert die Protagonisten

 

Die spanische Regisseurin Icíar Bollaín erzählt „Maixabel“ abwechselnd aus der Perspektive der Angehörigen des Mordopfers und aus derjenigen der Mörder. Irgendwann sitzen sich beide Seiten gegenüber – doch bis es so weit ist, vergeht viel Zeit. Die Handlungsstränge erstrecken sich über ein Jahrzehnt; wie die Ereignisse, auf denen der Film beruht. Zeitsprünge und Auslassungen verdeutlichen, wie sich die Protagonisten allmählich verändern.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

1975 spaltete sich die ETA

 

Um die baskische Terrororganisation ETA war es bereits vor ihrer offiziellen Selbstauflösung 2018 ruhig geworden. Sieben Jahre zuvor hatte sie einen „dauerhaften Waffenstillstand“ verkündet und den bewaffneten Kampf eingestellt. 1960 hatte die ETA ihren ersten politischen Mord verübt – während der Franco-Diktatur konnte sie bei linken Spaniern durchaus auf Unterstützung zählen.

 

Das änderte sich nach Francos Tod 1975. Schon im Vorjahr hatte sich die ETA in einen politischen (ETA/PM) und einen militärischen Arm (ETA/M) gespalten. Der politische Flügel fusionierte bald mit den baskischen Sozialisten, der militärische radikalisierte sich – obwohl das Baskenland 1979 weit reichende Autonomierechte erhielt.

 

GAL-Gegenterror mit 28 Opfern

 

Insgesamt starben bei ETA-Attentaten rund 830 Menschen; seit dem Zweiten Weltkrieg gab es nirgends in Europa mehr Terror-Opfer als in Spanien. Zumal auf der Gegenseite die Todesschwadronen der GAL (übersetzt: Antiterroristische Befreiungsgruppen) mit Wissen und Billigung der Regierung in Madrid ebenfalls 28 Menschen umbrachten.

 

Um die Spirale der Gewalt zu beenden, wurde Maixabel Lasa nach der Ermordung ihres Mannes Leiterin einer Organisation, die sich für die Gewaltopfer auf allen Seiten einsetzte. Damit setzte sich die couragierte Frau zwischen alle Stühle. Als sie elf Jahre nach der Tat zustimmt, sich mit den Mördern von Juan Marí Jáuregui zu treffen, stößt das in ihrem Umfeld auf Unverständnis.

 

Häftlinge schwören ETA-Ideologie ab

 

Selbst ihre Tochter Maria (María Cerezuela) ist hin und her gerissen zwischen den politisch brisanten Versuchen ihrer Mutter, zur Aussöhnung beizutragen, und ihrer eigenen Skepsis, ob diese Aussicht auf Erfolg haben. Überdies befürchtet sie, dass sich Maixabel zur Zielscheibe in einem unübersichtlichen Konflikt macht – auch innerhalb der ETA gibt es mörderische Rivalitäten.

 

Hintergrund

 

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Derweil haben Jáureguis Mörder im Gefängnis viel Zeit zum Nachdenken. Es dauert lange, bis Ibon Etxezarreta seine ideologischen Überzeugungen infrage stellt. Voller Bitterkeit muss er erkennen, dass er seit seiner Jugend von der ETA-Führung instrumentalisiert worden ist. Dafür zahlt er nun einen sehr hohen Preis. 

 

Doppelte Kraftanstrengung

 

Anschaulich zeigt Regisseurin Icíar Bollaín, wie viel Offenheit und Mut es bedarf, damit Maixabel denjenigen vergeben kann, die ihren geliebten Gatten getötet haben. Auf der anderen Seite muss Ibon nicht weniger Kraft und Courage aufbringen, um eigene Fehlentscheidungen anzuerkennen und auf Hinterbliebene zuzugehen.

 

Beides gelingt den Hauptdarstellern Blanca Portillo und Luís Tosar mit extrem genauem, empathischen Spiel. Auch die atmosphärisch dichte Inszenierung trägt dazu bei, dass die einfühlsame Begegnung der Antagonisten sehr glaubwürdig ausfällt, ohne in Gefühligkeit oder Kitsch abzugleiten. Wobei die Botschaft von „Maixabel“, dass Aussöhnung zwischen Tätern und Opfern möglich ist, über den zentralspanisch-baskischen Konflikt weit hinausreicht.