Noël Alpi

Die Farbe des Windes

Beinahe wäre der unvorsichtige Lionel (Anthony Jeanne) in die Tiefe gestürzt. Foto: © Copyright: RealFiction
(Kinostart: 25.8.) Verschon’ mein Haus, zünd’ andere an: Alle sind für sauberen Ökostrom, aber kaum jemand möchte ein Windrad in der Nachbarschaft haben. Diesen Widerspruch spielt Regisseur Noël Alpi am Beispiel einer französischen Familie durch – leider unplausibel und zäh mit holprigen Dialogen.

Not in my backyard – bloß nicht in meinem Umfeld: Diese Haltung ist weit verbreitet, wenn es um Windenergie geht. Theoretisch findet eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien begrüßenswert. Sobald dafür Eingriffe in die Landschaft notwendig werden, bröckelt jedoch diese Zustimmung – das ist in Deutschland nicht wesentlich anders als in der traditionellen Kernkraft-Hochburg Frankreich.

 

Info

 

Die Farbe des Windes

 

Regie: Noël Alpi,

95 Min., Frankreich/ Deutschland 2021;

mit: Laura Berlin, Anthony Jeanne, Elise Larnicol, Aurélien Recoing 

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ob Windparks errichtet werden können, hängt letztlich vor allem von der jeweiligen Lokalpolitik und der Haltung der Bevölkerung vor Ort ab. Obwohl Frankreich dünner besiedelt ist als etwa Deutschland, was für diese Form der Energiegewinnung spricht, regt sich dort häufig politischer Widerstand auf allen Ebenen – auch mit dem Argument, dass vor allem deutsche Unternehmen von den Windkraftanlagen profitieren.

 

Acht Prozent Strom aus Windkraft

 

Bislang erzeugt Frankreich rund zwei Drittel seines Strombedarfs mit Kernenergie, nur knapp acht Prozent mit Windkraft. Deren Anteil lag in Deutschland 2020 bereits bei gut einem Viertel; er ging aber im windärmeren Folgejahr auf 21,5 Prozent zurück. Auf die Mikroebene dieser Thematik – wie die Haltung zur Windenergie eine Familie spaltet – blickt Regisseur Noël Alpi; leider kommt wenig dabei heraus.

Offizieller Filmtrailer


 

Vater will Profit + Mutter zurück in gute alte Zeit

 

Zu Beginn des Films reist die junge deutsche Ingenieurin Luna (Laura Berlin) nach Frankreich: Sie ist beauftragt, in einer ländlichen Region einen Windpark zu errichten. Dafür benötigt sie allerdings genügend Zusagen von Landbesitzern, ihr Flächen für Windräder zu überlassen. Auf der Zugfahrt an ihren Einsatzort trifft sie auf den 19-jährigen Lionel (Anthony Jeanne), der mit seinem Fahrrad den Zug begleitet und dabei waghalsige Stunts vollführt. Der junge Mann verspricht sich von Lunas Ankunft Abwechslung in seinem langweiligen Alltag.

 

Kurz darauf lernt Luna seinen Adoptivvater Guy (Aurélien Recoing) kennen. Der Lavendelbauer ist durchaus geneigt, einen halben Hektar seines Land abzutreten – vorausgesetzt, er macht damit ordentlich Profit. Seine Frau Colette (Elise Larnicol) trauert jedoch der traditionellen Landwirtschaft nach; sie erweist sich als weitaus weniger kooperativ. Auf einer Gemeindeversammlung, die wegen des geplanten Windpark einberufen wird, stößt ihre Wutrede bei ihren Mitbürgern auf viel Zuspruch.

 

Sohn ist verhaltensgestört + Mutter übergriffig

 

Diese Szene ist eine der wenigen in der hölzern konstruierten Geschichte, die authentisch wirken; besonders unmotiviert erscheinen die Handlungen der Figuren in privateren Momenten. Dennoch bietet auch die Gemeindeversammlung wenig konkrete Anhaltspunkte, wo in der Bevölkerung die Konfliktlinien in Sachen Windkraft verlaufen – und warum.

 

Hintergrund

 

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und hier einen Beitrag über den Film Promised Land – Polit-Thriller über Gas-Förderung mittels Fracking mit Matt Damon von Gus van Sant.

 

Colettes Groll auf Luna wächst, als Lionel sich in die junge schöne Frau verguckt und diese auf seine Annäherungsversuche eingeht. Luna lässt ihn sogar mit ihr ein Windrad besteigen – obwohl er an diesem Ort fehl am Platz ist. Prompt stürzt Lionel um ein Haar ab. Ohnehin wirkt die Freundschaft zwischen beiden völlig unplausibel: Lionel benimmt sich wie ein hyperaktives, verhaltensgestörtes Kind – nicht wie der junge Erwachsene, der er ist. Seine Mutter agiert hingegen wie die Parodie einer übergriffigen Glucke.

 

Unverbundene Erzählstränge

 

Derweil wird immer unklarer, wovon der Film eigentlich handeln soll: wie Windenergie die betroffenen Gemeinden spaltet? Oder von der bizarren Psychodynamik in der Familie von Lionel, Colette und Guy? Beide Erzählstränge laufen völlig unverbunden nebeneinander her. Zudem bleibt der Film ereignisarm und zäh – trotz aller Aufgeregtheit, die die Protagonisten verbreiten. Daneben strapazieren auch holprige Dialoge die Geduld des Zuschauers. Die Grundidee, den Auswirkungen politischer Weichenstellungen bei ihrer konkreten Umsetzung nachzugehen, versandet dabei gänzlich.