Stefan Sarazin + Peter Keller

Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie

Adel (Haitam Omari) und Ben (Luzer Twersky) im Sinai. Foto: © enigma Film
(Kinostart: 4.8.) Wer’s glaubt, wird selig: Dem Regie-Duo Sarazin und Keller schwebte wohl die ultimative Versöhnungs-Komödie vor. Doch ihr Roadmovie über einen orthodoxen Juden im Schlepptau eines Beduinen witzelt sich bizarr durch die Sinai-Wüste – grob patriarchalisch und arg unplausibel.

Eigentlich ist alles ganz einfach. Zieht man die verschiedenen kulturellen und religiösen Prägungen ab, die Menschen einander spinnefeind werden lassen, sind sie im Grunde vor allem: Menschen. Ist diese tiefere Wahrheit erst einmal erkannt, gibt es nichts mehr, das zwischen ihnen stehen oder sie trennen könnte.

 

Info

 

Nicht ganz koscher –
Eine göttliche Komödie
 

 

Regie: Stefan Sarazin und Peter Keller,

120 Min. Deutschland 2022;

mit: Luzer Twerski, Haitham Omari

 

Weitere Informationen zum Film

 

Um ihre recht einfältige Parabel in größtmöglicher Allgemeingültigkeit darzustellen, inszenieren die Filmemacher Stefan Sarazin und Peter Keller eine „göttliche Komödie“, die aber keine Anleihen bei Dante macht. Dafür wählen sie als Protagonisten – was läge näher? – den ultraorthodoxen Juden Ben (Luzer Twersky). Ihm zur Seite stellen sie den desillusionierten, aber traditionsbewussten Beduinen Adel (Haitham Omari). Dann schicken sie das ungleiche Paar auf eine Reise durch die Wüste Sinai und zu sich selbst.

 

Alexandria-Gemeinde sucht Verstärkung

 

Auslöser der Geschichte ist der Tod eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde in Alexandria kurz vor Pessach. Sie war einmal eine der größten weltweit; nun fehlt ihr allerdings ein Mann, um das wichtige religiöse Fest zu feiern. Schlimmer noch: Ihre ganze Daseinsberechtigung, die auf einer Vereinbarung zwischen dem Gemeindevorsteher und dem zuständigen ägyptischen Präfekten beruht, droht verloren zu gehen. Also wird im Nahen Osten hektisch herumtelefoniert, doch Ersatz lässt sich zunächst nicht auftreiben. Bis man schließlich bei Ben fündig wird.

Offizieller Filmtrailer


 

Hühner-Fisch als running gag

 

Ben ist just aus seiner Heimat Brooklyn in Jerusalem eingetroffen. Dort soll er nach dem Willen seines Vaters, aber gegen seinen eigenen Wunsch verheiratet werden. Um das abzuwenden, begibt er sich auf die Mission der Gemeinderettung als willkommenen Ausweg. Aufgrund einer Demonstration gegen – ausgerechnet – die Privilegien orthodoxer Juden in Israel verpasst er jedoch das Flugzeug, das ihn nach Alexandria bringen soll. Also macht er sich mit den Pessach-Gaben im Gepäck – am wichtigsten: ein falscher Fisch, der aussieht wie eine Wurst, aber aus Hühnerfleisch besteht und als running gag dienen soll – über Land auf den Weg.

 

So weit die klischeelastig an den Haaren herbeigezogene Vorgeschichte. Die eigentliche Handlung setzt ein, als Ben auf der Halbinsel Sinai mitten im Nirgendwo aus dem Bus geworfen und von Adel gerettet wird. Der verspricht, ihn nach Alexandria zu fahren, sobald er sein Kamel gefunden hat, das in die Wüste entlaufen ist.

 

Ziemlich beste Freunde in der Wüste

 

Für beide Aufgaben bleiben ihnen vier Tage Zeit, in denen sie gemeinsam Abenteuer bestehen, Adel nach Beduinengesetz Ben beschützt und Ben stoisch auf der Einhaltung aller ihm auferlegten religiösen Vorschriften und Riten beharrt. Obwohl sie das mehr als einmal fast das Leben kostet, kommen sich beide Männer bei ihren Auseinandersetzungen und Gesprächen am nächtlichen Lagerfeuer immer näher. Ziemlich beste Freunde im Wüstensand: Dass das Ende ihres Roadmovies wenig überrascht, liegt auf der Hand. Ebenso, dass die Figurenzeichnung manche Ungereimtheit in Kauf nimmt.

 

Hintergrund

 

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Wieso darf etwa Ben – dem nichts mehr bedeutet ist, als ununterbrochen alle 613 ihm auferlegten Glaubensgebote zu beherzigen – ausgerechnet vor einer der wichtigsten Aufgaben einfach weglaufen? Eigentlich wäre es seine vornehmste Pflicht, in der orthodoxen Gemeinde zu heiraten und zahlreiche Kinder in die Welt zu setzen. Ebenso schwer vorstellbar ist, dass Adel – als mit allen Wassern gewaschener Wüstensohn – bei einem kurz aufflammenden Wutanfall sein lebenswichtiges Fahrzeug in den Sand setzt und anschließend aufgibt.

 

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

 

Für mangelnde Plausibilität der stellenweise bizarr witzelnden Handlung, die sich zwei Stunden lang dahinschleppt, entschädigen zumindest die zum Teil beeindruckenden Aufnahmen aus der – jordanischen – Wüste. Dennoch: Gut gemeint ist nicht gut gemacht; die humane Absicht und Botschaft reichen für einen relevanten oder auch nur unterhaltsamen Film nicht aus.

 

Zumal dann nicht, wenn grob patriarchalische Strukturen bestätigt werden, obwohl solche Traditionen eigentlich lächerlich gemacht werden sollen. So geht es laut Drehbuch in den jüdischen Gemeinden und der ägyptischen Verwaltung zu: Frauen sind stets nur Staffage oder Projektionsfläche. Beim Ablauf der Handlung spielen sie keine Rolle, zum Festessen und glücklichen Leben danach lassen sie sich aber aus dem Hut zaubern. Wer’s glaubt, wird selig.