Jordan Peele

Nope

Bereit zur Monsterjagd: Otis jr. Haywood (Daniel Kaluuya), Emerald Haywood (Keke Palmer) und Überwachungsspezialist Angel Torres (Brandon Perea, v.l.n.r.). Foto: Universal Pictures
(Kinostart: 11.8.) Im Banne des Lebewesen verschlingenden Staubsauger-UFOs: Für sein auf den Kopf gestelltes Quasi-Remake von „Der weiße Hai“ mixt Regisseur Jordan Peele Familiensaga, Western, Science Fiction und Horror zu anspielungsreichem Referenzkino, das die Zuschauer etwas überfordert.

In guter alter Familientradition: Die Geschwister Otis Jr. (Daniel Kaluuya) und Emerald Haywood (Keke Palmer) sind Sprösslinge einer Pferdezüchter-Dynastie. Ihr Ururgroßvater war einer der frühesten schwarzen Jockeys: derjenige, der 1878 das Pferd in Eadweard Muybridges berühmter Bewegungsstudie „The Horse in Motion“ ritt. Die erste Fotoserie, die den Galopp eines Gauls in Einzelbilder auflöste, fehlt bis heute in keiner illustrierten Geschichte des Mediums. Doch der Name des Reiters ging dabei verloren. Alle haben immer nur auf das Pferd „Sallie Gardner“ geschaut, das einem gewissen Leland Stanford gehörte.

 

Info

 

Nope

 

Regie: Jordan Peele,

130 Min., USA 2022;

mit: Daniel Kaluuya, Keke Palmer, Brandon Perea

 

Weitere Informationen zum Film

 

Rund 150 Jahre später hat sich für die Nachkommen wenig geändert. Otis Jr., Emerald und ihr Vater trainieren Rösser auf einer Ranch am Rand der Ballungsraums von L.A. und vermieten diese an Filmproduktionen. Oder sie verkaufen Pferde an die Erlebnisranch ihres Nachbarn Ricky „Jupe“ Park (Steven Yeun). Den Ex-Kinderstar verbinden spezielle Erinnerungen an abgerichtete Tiere: Einst rastete der beliebte TV-Schimpanse Gordy vor laufender Kamera aus und richtete im Studio ein Blutbad an. Jupe überlebte nur knapp.

 

Ausführliche Milieu-Ausleuchtung

 

In der Gegenwart betreibt Jupe einen Western-Themenpark, in dem ein Ausstellungsraum an Gordy erinnert. Zwei Zeitebenen, Pferde, ein Schimpanse, Filmstudios und viel Weideland nahe der kalifornischen Wüste – lange bleibt unklar, was Regisseur Jordan Peele eigentlich erzählen will. Er widmet sich zunächst der ausführlichen Ausleuchtung des Milieus.

Offizieller Filmtrailer


 

Reich werden mit UFO-Schnappschüssen

 

Zu Beginn des Films wird Pferdezüchter Otis Sr. Opfer eines seltsamen Unfalls: Vom Himmel regnen plötzlich Metallteile. Eine Münze trifft ihn ins Auge und bohrt sich in sein Gehirn, was der arme Mann nicht überlebt. Fortan muss sein Sohn die Geschäfte leiten, doch der introvertierte Otis Jr. tut wenig, um mit Filmleuten warm zu werden – seine Schwester Emerald eher zu viel. Als ein großer Auftrag wegfällt, brauchen sie eine neue Geldquelle.

 

Zufällig häufen sich in ihrem Tal Sichtungen von UFOs. Also planen die Geschwister, von einer fliegenden Untertassen ein scharfes Bild aufzunehmen, das sie in die Schlagzeilen bringen wird; Geldsegen sei dann garantiert. Doch Überwachungskameras helfen nicht weiter, weil jede UFO-Sichtung mit kurzen Stromausfällen einhergeht. Folglich engagieren sie einen Kameramann (cool: Michael Wincott), der noch mit einer Zelluloidkamera samt Handkurbel dreht.

 

Blickkontakt macht Monster Appetit

 

Nach langem Mäandern hat der Film seine Richtung gefunden; das Team beginnt mit der Monsterjagd. Es hat sich mittlerweile zusammengereimt, dass es sich bei diesem UFO nicht um ein Raumschiff handelt, sondern um einen lebenden Organismus. Der versteckt sich hinter Wolken, um gelegentlich aufzutauchen und wie ein gigantischer Staubsauger Pferde und Menschen zu vertilgen. Dabei scheidet er Unverdauliches, etwa Metallteile, wieder aus; so erklärt sich auch der Tod des Vaters.

 

Als Pferdetrainer weiß Otis Jr. mehr über das Zähmen wilder Tiere als andere; nun ist er genau der richtige Mann am richtigen Ort. So entwickelt sich „Nope“ zu einer auf den Kopf gestellten Variante von Steven Spielbergs  „Der Weiße Hai“ (1975): Statt aus der Tiefe kommt die gefräßige Gefahr hier von oben. Daher sind alle Blicke stets zum Himmel gerichtet – bis das Ungetüm erscheint, denn Blickkontakt macht diesem Gegner erst richtig Appetit.

 

Durchbruch 2017 mit „Get Out“

 

Regisseur Jordan Peele stopft ziemlich viele Motive in seinen Film. Eine Familiensaga, Elemente des Westerns, des SciFi- und Horrorkinos samt Meta-Exkursen zur Filmgeschichte prallen nicht einfach nur aufeinander, sondern werden anspielungsreich miteinander verflochten. Das Jonglieren mit etlichen Sujets hat der Kino-Quereinsteiger am Anfang seiner Laufbahn als TV-Comedian gelernt, etwa im beliebten Duo „Key & Peele“ (2012-2015).

 

In seinem vielbeachteten Kino-Debüt „Get Out“ nahm der Afroamerikaner 2017 mit beißender Ironie den US-Alltagsrassismus aufs Korn. Sein Low-Budget-Horror-Thriller wurde ein Überraschungserfolg, spielte mehr als 100 Millionen Dollar ein und wurde für vier Oscars nominiert.  Nach dem eher mittelmäßigen Gruselfilm „Wir“ (2019) zerpflückt Peele nun abermals Genre-Konventionen, um sie neu zusammen zu setzen.

 

Schon Jahwe droht mit Spektakel

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der Unsichtbare"subtiler Mystery-Horrorfilm von Leigh Whannell

 

und hier eine Besprechung des Films "Arrival" – faszinierend intelligenter SciFi-Psychothriller über Kommunikation mit Außerirdischen von Denis Villeneuve mit Amy Adams

 

und hier einen Beitrag über den Film "Nuestro Tiempo" – komplexe Familiensaga im mexikanischen Pferdezüchter-Milieu von Carlos Reygadas

 

und hier einen Bericht über den Film "The Rider" – einfühlsamer Debütfilm über verletzten Rodeoreiter von Chloé Zhao, dreifache Oscar-Gewinnerin 2021 mit "Nomadland".

 

Das geht mitunter auf Kosten der Plausibilität der Handlung. Unergründlich ist auch der matte Blick von Hauptdarstellers Daniel Kaluuya, der die meiste Zeit den Films zu durchleiden scheint. Seine Aura von Melancholie wirkt eher einschläfernd, anstatt die kommende Action zu antizipieren. Energie und Unternehmungsgeist, die man in einer Pferdezüchter-Familie vermuten würde, hat eindeutig seine Schwester Emerald geerbt.

 

Leitmotiv des Films ist die Schaulust, wie ein vorangestelltes Bibelzitat aus dem alttestamentarischen Buch Nahum ankündigt. Gott beschreibt die drohende Bestrafung der Stadt Ninive mit den Worten: „Ich werde ein Spektakel aus euch machen“. Des einen Tragödie ist des anderen Einschaltquote, konstatiert der Film mit Rückblenden in Jupes Vergangenheit.

 

Ein allzu elaborierter Witz

 

Da das Publikum oft wie gebannt hinsieht, wenn Furchtbares passiert, unterbricht Peele den Fluss der Handlung immer wieder, etwa durch Schwarzblenden oder Kamerafahrten in den Verdauungstrakt des fliegenden Monsters. Manche dieser Verfremdungseffekte werden zweifellos bewusst eingesetzt, andere weniger. Auch auf der raffiniert konzipierten Tonspur ist beim Mixen manche sprachliche Nuance verloren gegangen.

 

Das ließe sich bei herkömmlichen Action-Reißern verschmerzen, hier aber nicht. Fast alles Gesagte wird früher oder später wichtig zum Verständnis dieser mit Andeutungen, Bezügen und allerlei Symbolen beinahe überfrachteten Erzählung. Was beim Zuschauer immer wieder den Eindruck auslöst, einen elaborierten Witz nicht ganz verstanden zu haben. Vielleicht wurde er aber auch einfach nicht gut genug erzählt.