Henriette Confurius

Schweigend steht der Wald

Anja Grimm (Henriette Confurius) kehrt in den Wald zurück, in dem ihr Vater verschwand. Foto: if Productions und POISON
(Kinostart: 27.10.) Und ewig schweigen die Wälder: Studentin Anja will das Verschwinden ihres Vaters in der Oberpfalz aufklären. Sie stößt auf eine Mauer des Schweigens – Regisseurin Saralisa Volm inszeniert ihr Debüt als düster grünstichigen Thriller, in dem die Wahrheit unter dem Wurzelwerk liegt.

Der Wald ist seit jeher Sinnbild der mysteriösen Finsternis, des Verbotenen und der Gefahr. In Grimm’schen Märchen setzen die Eltern kaputter Familien ihre Kinder im Wald aus, weil sie sie nicht mehr ernähren können oder wollen. Hier geht verloren, wer Schuld auf sich geladen hat. Hier wohnt das Böse in Gestalt der Hexe oder des Wolfes – Figuren, die je nach Kontext aber auch anders gedeutet werden können: als Opfer von Verfolgung und Auslöschung.

 

Info

 

Schweigend steht der Wald

 

Regie: Saralisa Volm,

90 Min., Deutschland 2022;

mit: Henriette Confurius, Noah Saavedra, August Zirner, Robert Stadlober

 

Website zum Film

 

Für die 28-jährige Forstwirtschafts-Studentin Anja Grimm (Henriette Confurius) ist der Wald vor allem ein Speicher von Erinnerungen: Als Kind hat sie in einem von der Wohlstands-Modernisierung vergessenen Winkel der Oberpfalz mit ihren Eltern einen Urlaub verbracht – der eine traumatische Wendung nahm: Bei einem Waldspaziergang ging ihr Vater auf mysteriöse Weise verloren. Sein Verschwinden wurde nie aufgeklärt.

 

Verdächtige Bodenproben

 

20 Jahre später kehrt sie für ein Praktikum in eben diese Waldgegend zurück. Nun fördern ihre Bodenproben auf einer ungewöhnlich bewachsenen Lichtung Ergebnisse zu Tage, die Spuren eines Verbrechens sein könnten, dem Anjas Vater zum Opfer fiel. Allerdings scheiterten schon vor 20 Jahren die Ermittlungen an der wortkargen und abweisenden Haltung der Anwohner; daran hat sich bis heute wenig geändert. Nur Rupert (Noah Saavedra), Anjas Freund aus Kindheitstagen, scheint ihr noch immer zugetan. Doch bald ereignet sich ein neuer Mord.

Offizieller Filmtrailer


 

Schein der Rebellion trügt

 

Der Fall wird schnell aufgeklärt. Und mit der Erledigung dieses Falles soll die Erinnerung an das Verschwinden von Anjas Vater ebenso schnell erledigt werden – zumindest, wenn es nach dem Willen des inzwischen pensionierten Ex-Polizeichefs Gustav Dallmann (August Zirner) geht, der in der Gemeinde immer noch mächtig ist. Er hat mit dem derzeitigen Dorfpolizisten, seinem Sohn Konrad (Robert Stadlober), den Vertreter einer neuen Generation zum Nachfolger und Widerpart.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die geliebten Schwestern" – brillantes Biopic über Friedrich Schillers Dreiecks- Beziehung von Dominik Graf mit Henriette Confurius

 

und hier eine Besprechung des Films "Und Morgen die ganze Welt" – actionreiches Antifa-Politdrama von Julia von Heinz mit Noah Saavedra

 

und hier einen Beitrag über den Film "Petite Maman – Als wir Kinder waren" – originelle Mutter-Tochter-Zeitreisen-Story im Wald von Céline Sciamma.

 

Doch der Schein der Rebellion trügt: Wenn es hart auf hart kommt, ist Konrad nur zu gern bereit, bei seinen Ermittlungen weniger tief zu graben, als es im Sinne der Aufklärung erforderlich wäre. Ebenso wenig schafft es Anjas Schulfreund Rupert, sich gegen das Schweigen und Verdrängen in seiner Familie aufzulehnen. Also bleibt Anja nichts weiter übrig, als sich auf sich selbst und das Gedächtnis des Waldes zu verlassen – sie treibt ihre eigenen Nachforschungen voran.

 

Sich windende Würmer

 

Saralisa Volm hat bei „Schweigend steht der Wald“ zum ersten Mal Regie geführt. Bekannt wurde sie vor allem als Schauspielerin in Werken des jüngst verstorbenen Low-Budget-Filmemachers Klaus Lemke. Dessen Spezialität war, mit wenig Geld, oft auch ohne Drehbuch, seine Ideen rasch in raue Filme zu verwandeln. Offenbar eine gute Schule fürs Filmemachen, wie Volms unerschrockener Erstling zeigt: einer stimmig düsteren Adaption eines Romans von Wolfram Fleischauer.

 

Bisweilen scheinen die Kameraperspektiven überzeichnet, oder es werden bedeutungsschwangere Ekelbilder aufgerufen: Dramatisch von unten gegen den Himmel gefilmt fährt der Vorschlaghammer auf einen Bodenstecher für Waldboden-Proben nieder; in aller Ruhe sieht die Kamera zu, wie ein Wildschwein ausgeweidet wird oder Würmer sich winden. Doch das ist verzeihlich: Der beschworene Schrecken erwächst so nachvollziehbar aus der Handlung, wie der Film insgesamt glaubwürdig in Mundart und Lokalkolorit der Oberpfalz wurzelt.