Leah Purcell

The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson

Molly Johnson (Leah Purcell) ist eine gute Schützin. Foto: Cinemien
(Kinostart: 10.11.) One-Woman-Show im Outback: Eine klassische australische Kurzgeschichte bürstet Regisseurin Leah Purcell aus feministischer und indigener Sicht gegen den Strich. Für die mit Konflikten überfrachtete Handlung entschädigen grandiose Landschafts-Aufnahmen.

Es war einmal in Australien: endlose Weiten, kahle Hügelketten, dürre Buschvegetation, aber auch dichte Trockenwälder. Die so abwechslungsreichen wie erhabenen Landschaften im Südosten des Bundesstaats New South Wales fängt Kameramann Mark Wareham mit Weitwinkelobjektiven wunderbar stimmungsvoll ein. Samt schneebedeckten Gipfeln: In den Snowy Mountains, kaum 100 Kilometer von der Küste entfernt, ragen die mit gut 2200 Metern höchsten Berge des Kontinents auf.

 

Info

 

The Drover's Wife –
Die Legende von Molly Johnson

 

Regie: Leah Purcell,

109 Min., Australien 2021;

mit: Leah Purcell, Rob Collins, Sam Reid, Jessica De Gouw

 

Weitere Informationen zum Film

 

Ein äußerst malerischer Schauplatz für diesen australischen Western. Von seinen US-Vorbildern übernimmt er nicht nur die majestätische Natur, sondern auch die archetypische Figurenkonstellation: Pioniere, die dauernd mit feindlichen Fremden um ihr karges Dasein kämpfen; erniedrigte und auf Vergeltung sinnende Ureinwohner sowie völlig überforderte Ordnungshüter. Nur die Hauptfigur ist kein mit Schusswaffen herumfuchtelnder Revolverheld, sondern eine Frau.

 

Vom Drama zum Roman und Film

 

„The Drover’s Wife“ beruht auf einer short story von 1893 des down under sehr populären Autors Henry Lawson (1867-1922); der progressive und trinkfeste Vielschreiber war quasi der Jack London Australiens. Den Schullektüre-Stoff hat Leah Purcell, 52-jähriges Multitalent mit Aborigines-Wurzeln, umgearbeitet und mehrfach weiterverwertet: als Theaterstück (2016), Roman (2019) und nun als Film. Dabei fungiert sie als Drehbuchautorin, Regisseurin, Ko-Produzentin und Hauptdarstellerin – eine wahre one woman show.

Offizieller Filmtrailer


 

Zeitung über häusliche Gewalt

 

Was man dem Film anfangs nicht anmerkt. Der Duft von Molly Johnsons Roastbeef-Grill lockt das vorbeifahrende Ehepaar Clintoff an; die britischen Auswanderer sind neu auf dem fünften Kontinent. Nate (Sam Reid) soll eine Stelle als Polizist im nahen Örtchen Everton antreten, seine journalistisch ambitionierte Gattin Louise (Jessica de Gouw) will eine Frauenzeitung herausgeben. Für die erste Ausgabe wählt sie ein in einem Kaff voller Glücksritter, Trunkenbolde und Huren nahe liegendes Thema: geschlagene Frauen.

 

Regisseurin Purcell lässt sich viel Zeit, ihr Personal und die rauen Sitten der Siedler-Gesellschaft vorzustellen. Während Molly nach eigenen Worten auf die Rückkehr ihres Mannes wartet, der seit Monaten mit einer Schafherde auf Weiden unterwegs ist, taucht der Aborigine Yadaka (Rob Collins) vor ihrer Hütte auf. Er hilft der Hochschwangeren, zu entbinden, und macht sich auch sonst nützlich – allerdings weiß Molly nicht, dass er in Everton gesucht wird, weil man ihn des Mordes einer reichen Familie verdächtigt.

 

Eine Stunde Atmosphäre, 30 Minuten Action

 

So plätschert der Film rund eine Stunde dahin: ereignisarm, aber atmosphärisch dicht führt er die Lebensbedingungen im Outback um 1900 anschaulich vor. Bis der Hilfspolizist Leslie (Benedict Hardy) Yadaka festnehmen will und halb aus Notwehr von Molly erschossen wird. Nun überschlagen sich die Ereignisse, wobei jede Plausibilität unter die Räder kommt.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Sweet Country" – minimalistischer Australien-Western über die Jagd auf zwei Aborigines von Warwick Thornton

 

und hier eine Rezension über den Film "Die Frau, die vorausgeht" – Neo-Western über eine weiße Malerin bei Sioux-Indianern von Susanna White  

 

und hier einen Beitrag über den Film "The Homesman" – hervorragender Spätwestern über Frauen-Gefangenen-Transport von und mit Tommy Lee Jones

 

und hier einen Bericht über den Film "Mahana – Eine Maori-Saga" – komplexes Generationenkonflikt-Epos aus Neuseeland von Lee Tamahori.

 

Binnen weniger Minuten wird ein halbes Dutzend Probleme aufgerufen, die bis heute die Beziehungen zwischen Weißen und Aborigines belasten: Diskriminierung, Rassismus, Verachtung von Mischlingen und Unterdrückung autochthoner Kultur, Zwangserziehung indigener Kinder und sexuelle Gewalt.

 

Überlebensgroße Leidensbittermiene

 

Passenderweise verdüstert sich derweil die Leinwand, um in der nächsten halben Stunde die Nachtseiten menschlicher Existenz möglichst rasch und gebündelt abzuhandeln. Dabei entpuppt sich die Heldin als Opfer: Weil sie die Misshandlungen ihres Viehtreiber-Mannes nicht mehr ertrug, brachte sie ihn um und verscharrte ihn nahe ihrer Hütte. Da trifft sich gut, dass sich Nates Gattin Louise bereits als Frauenrechtlerin profiliert hat: Sie streitet für Mollys Begnadigung und Freilassung – natürlich vergebens.

 

Dass all diese existentiellen Konflikte wenig Interesse wecken, liegt nicht nur am papiernen Drehbuch, das sie schematisch abspult. Sondern auch an den begrenzten schauspielerischen Fähigkeiten der Hauptdarstellerin: Meist starrt oder brütet sie mit markiger Leidensbittermiene vor sich hin, was sie in ihrer Eigenschaft als Regisseurin überlebensgroß in Szene setzt. Daher gewinnt der Film sehr, sobald die Akteure aus dem Bild verschwinden. Oder nur am Rande von herrlichen Panorama-Aufnahmen erscheinen: Selten sah eine Hinrichtung am Galgen unter freiem Himmel so ästhetisch ansprechend aus.