
Gut Ding will Weile haben: Sage und schreibe fünf Mal verschoben wurde der Starttermin für die Fortsetzung von James Camerons Science-Fiction-Epos von 2009. „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ ist der kommerziell erfolgreichste Film aller Zeiten; er spielte weltweit 2,9 Milliarden US-Dollar ein. Daran anzuknüpfen, es gar zu übertrumpfen, ist schwer: Bei jeder Startverschiebung wurden die Erwartungen weiter angeheizt.
Info
Avatar: The Way of Water (3D)
Regie: James Cameron,
192 Min., USA 2022;
mit: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver
Weitere Informationen zum Film
Na’vi-Indianer lassen Zug entgleisen
Dramaturgisch lässt sich das allerdings nicht rechtfertigen, denn erneut variiert Cameron nur einen bekannten Plot. Waren es 2009 unverhohlene Anleihen an den Pocahontas-Mythos von der edlen, friedliebenden Indianerfrau, sind es diesmal allgemeine Schemata des Western-Genres: Zwei frühere Verbündete jagen einander unbarmherzig, von Rachedurst getrieben. Das klingt im Auftakt an: Eine Reiterschar der einheimischen Na’vi lässt einen Versorgungszug der menschlichen Militärs, die sich mittlerweile massenhaft auf dem Planeten Pandora angesiedelt haben, entgleisen.
Offizieller Filmtrailer
Fünf Teenager mit Pubertätsproblemen
Die eigentliche Handlung setzt zwölf Jahre nach den Ereignissen im ersten Film ein. Jake Sully (Sam Worthington) ist weiterhin Oberhaupt des Omatikaya-Clans und hat eine Familie gegründet, zu der neben drei eigenen auch noch zwei adoptierte Kinder gehören: die Tochter von Forscherin Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver) und der Sohn des Marine-Schleifers Miles Quaritch, der im ersten Teil jämmerlich umkam.
Diese Rangen sind allesamt Teenager mit den üblichen Pubertätsproblemen – bei sich selbst, gegenüber ihrer Umwelt und angesichts der an sie gerichteten Erwartungen. Während die Jugendlichen sich ausprobieren, kommt ihnen der brandneue Avatar des toten Marines Quaritch in die Quere: Gemeinsam mit ein paar Erfüllungsgehilfen soll er für die endgültige Vertreibung des Omatikaya-Clans sorgen.
Alles prima im unberührten Ozean
Was nun folgt, ist leicht vorhersehbar. Familie Sully zieht weiter westwärts an einen Ozean, wo sie bei einem türkisfarbenen Meeresvolk landet; diese Spezies ist mit flossenähnlichen Schwänzen, hübschen Gesichtstätowierungen im Maori-Stil und großem Lungenvolumen zum Unterwassertauchen ausgestattet. Die so genannten Metkayina nehmen die Flüchtlinge freundlich auf und eröffnen ihnen eine neue Sphäre als Lebenswelt, das Wasser.
In diesen Szenen bewegt sich die Animationstechnik auf höchstem Niveau, mit täuschend echten Mehrfachspiegelungen von Wasser und anderen reflektierenden Oberflächen. So führt Cameron die Idealversion einer unberührten Hochsee und ihrer Bewohner vor; sie leuchten geheimnisvoll und treiben Schabernack, wie es sich auf dem Märchenplaneten Pandora gehört. Ihnen beigesellt sind hyperintelligente Meeressäuger, die komponieren und eine fast symbiotische Beziehung zu den Metkayina-Landbewohnern unterhalten – ein wenig wie der Wal-Film „Free Willy“ (1993) auf esoterisch.
Regressiver Rückzug auf Vertrautes
Ganz irdisch, nämlich US-amerikanisch, und traditionell sind dagegen die Wertvorstellungen, die immer wieder beschworen werden: Sully spricht von seiner Familie als Festung und definiert seine Vaterrolle vor allem als Beschützer. Auf den ersten Blick mag dieses Verständnis von Geschlechter- und Sozialbeziehungen arg altmodisch wirken. Dialektisch betrachtet, ließe sich einwenden: Der Film reflektiert den regressiven Rückzug auf Vertrautes in einer turbomodernisierten, unübersichtlichen Welt – als Ausdruck von Sehnsucht nach einer Zeit, wo alles in Ordnung schien und man noch unbeschwert durch kristallklares Wasser mit drolligem Seegetier tollen konnte.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Alita - Battle Angel" - SciFi-Manga-Adaption von Robert Rodriguez, produziert von James Cameron
und hier eine Besprechung des Films "Arrival" - faszinierend intelligenter SciFi-Psychothriller über Kommunikation mit Außerirdischen von Denis Villeneuve mit Amy Adams
und hier einen Beitrag über den Film "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten (3D)" - originelle ScFi-Comic-Action von Luc Besson.
Drei Stunden perfekter Eskapismus
Solche Versatzstücke aus dem Weltraumoper-Baukasten sollen offenkundig jedem etwas bieten und gefallen – was prompt streckenweise langweilt, bis es zum klassischen Showdown der Kontrahenten mit militärischer Verstärkung kommt. Von der ausgefeilten Animationstechnik abgesehen, fragt man sich bald: wozu das Ganze – außer drei Stunden perfekten Eskapismus zu bieten.
Cameron ist offensichtlich davon besessen, sich und seine Mega-Blockbuster selbst überbieten zu müssen: Schon jetzt sind drei weitere Avatar-Sequels angekündigt. Eine davon ist bereits gedreht und muss nur noch mit CGI-Grafik aufgemotzt werden; da bleibt nur noch zu hoffen, dass ihre Story interessanter ausfallen wird.