Pepe Danquart

Daniel Richter

Daniel Richter steht manchmal Kopf. © B | 14 FILM, Foto: Daniel Gottschalk
(Kinostart: 2.2.) Von der Hamburger Punkszene ins Zentrum des globalen Kunstmarkts: Daniel Richter ist einer der höchstbezahlten deutschen Maler. Die Cinemascope-Doku von Regisseur Pepe Danquart beobachtet geduldig im Atelier und in der Außenwelt, wie ein großformatiger Gemäldezyklus entsteht.

Wofür ist Malerei in Zeiten der Digitalisierung eigentlich noch gut? Was unterscheidet ein gutes Bild von einem schlechten – jenseits des persönlichen Geschmacks? Und wie verhält sich ein Maler mit gegenkultureller Punk-Vergangenheit auf dem durch und durch von Geld bestimmten Parkett des globalen Kunstmarkts? Um solchen Fragen auf den Grund zu gehen, hat Regisseur Pepe Danquart drei Jahre lang Daniel Richter begleitet. Dabei entstand ein Film, der mehr sein will als ein bloßes Künstlerporträt oder eine Hommage.

 

Info

 

Daniel Richter

 

Regie: Pepe Danquart,

118 Min., Deutschland 2022;

mit: Daniel Richter, Jonathan Meese, Tal R, Harald Falckenberg

 

Weitere Informationen zum Film

 

Richter fing an im Hamburg der 1980er Jahre, beeinflusst von Comic-Kunst und Agitprop. Im Umfeld des Underground-Musiklabels „Buback Records“ – das der Künstler seit einigen Jahren als Alleineigentümer betreibt – entwarf er Plattencover und Plakate für Punkbands und Veranstaltungen. Erst mit 29 Jahren ging er 1991 an die Hamburger Kunstakademie; dort studierte er bei Werner Büttner, einem damals schon ehemaligen „Jungen Wilden“ der Malerei.

 

Erst abstrakt, dann figurativ

 

Zunächst malte Richter rein abstrakt. Später schlichen sich figurative Elemente in seine Kunst ein, die ab etwa dem Jahr 2000 immer stärker erzählenden Charakter annahm. Da erzielten seine Gemälde bereits hohe Preise; bei aller Größe und Expressivität der Motive bestachen sie immer auch durch handwerkliche Akkuratesse in den Details.

Offizieller Filmtrailer


 

Reigen der Vernissagen + Empfänge

 

Regisseur Danquart bekam 1994 für seinen gut gemeinten, aber ungemein didaktischen Zwölfminüter „Schwarzfahrer“ einen Oscar für den besten Kurzfilm. Als Dokumentarfilmer begleitete er unter anderem in „Joschka und Herr Fischer“ (2011) den früheren deutschen Außenminister. Mit überwiegend negativer Resonanz: Das Ergebnis sei zu distanzlos gegenüber Fischers Selbstdarstellung, bemängelten Kritiker.

 

Auch Richter erhält von Danquart viel Raum, um über seine Arbeit, Malerei im Allgemeinen, den Kunstmarkt als Luxuswarengeschäft und seine Rolle darin zu räsonieren. Strukturiert wird der Film durch Szenen von Ausstellungs-Eröffnungen in verschiedenen Weltstädten, Empfängen, Kunstauktionen und Treffen mit Galeristen, Sammlern und Malerkollegen. Im Zentrum steht jedoch der Schaffensprozess im Atelier des Künstlers.

 

Kunst als Reihe von Entscheidungen

 

Dabei lässt sich die Kamera viel Zeit, minutenlang monotone Vorarbeiten aufzunehmen und dynamische Mal-Attacken wie akribische Korrekturen zu verfolgen; sie verweilt für Bildbetrachtungen oder Lockerungsübungen. In fast zwei Stunden Laufzeit begleitet der Film so Farbschicht um Farbschicht die Entstehung eines großformatigen Gemäldezyklus – von der zweifarbigen Leinwand-Grundierung bis zur Präsentation der fertigen Werke in New York.

 

Dabei wird sichtbar, wie viele in erster Linie malerische Entscheidungen aneinandergereiht die Produktion von Kunstwerken ausmachen. Welche Farbe wird in welcher Flächigkeit aufgetragen? Welcher Kontrast ist an welchem Übergang erforderlich? Wie dynamisch muss die Linienführung sein – und soll das Ganze auf der Leinwand etwas weiter links oder eher in der Mitte platziert werden?

 

Archaisch-Barbarisches in Gegenwartskultur

 

Hingegen enthüllt sich das Thema der Bilder erst zum Schluss. Ein Motiv zweier Kriegsversehrter, das von einer Feldpostkarte aus dem Ersten Weltkrieg stammt, hat Richter als monumentale Variation mit Störungen in knalligen Farben überzogen. Dieses Aufeinanderprallen von Schwere und Leichtigkeit steht im Zentrum seiner Kunst. Mit Mitteln der Malerei kommentiert sie plakativ, was er in der Gegenwartskultur an Überbleibseln aus archaisch-barbarischer Vorzeit ausmacht.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner" - pointenreiche Sittenkomödie von Pepe Danquart

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Geniale Dilletanten: Subkultur der 1980er Jahre in Deutschland" in München + Hamburg

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Die 80er – Figurative Malerei in der BRD" über die „Neuen Wilden“ im Städel Museum, Frankfurt/ Main

 

und hier einen Bericht über den Dokumentarfilm "Gerhard Richter Painting" - Malerfürsten-Beobachtung im Atelier von Corinna Belz.

 

In seinen frühen Gemälde-Zyklen waren das etwa die falsche Romantisierung von Gewalt in Werbung und Berichterstattung, wie in medial vermittelten Bildern der radikalislamischen Taliban. Richter thematisierte auch die Unterdrückung von Frauen oder die technologisch immer effizientere Tötung junger Männer in Kriegseinsätzen.

 

Aus der Zeit gefallene Gemälde

 

Dabei wird Richters Vorgehen nachvollziehbar, weil der Film mit einer gelungenen Montage von Atelier und Außenwelt-Aufnahmen den Zusammenhang aus Produktion und Reflexion deutlich macht. Regisseur Danquart wählt dafür klugerweise das breite Cinemascope-Format: Es gibt die Großformate adäquat wieder, vor allem auch bei Hängungen von Reihen. Und es zeigt auch den Künstler in unterschiedlichen Kontexten; mal im Zentrum, mal am Rand.

 

Zudem spricht Richter angenehmerweise sehr klar und oft witzig über sich und seine Kunstauffassung; offenkundig nimmt er seine Rolle als Großkünstler nicht zu wichtig. Schließlich seien seine traditionellen Gemälde ziemlich aus der Zeit gefallen – und würden zugleich von vielen Zeitgenossen sehr geschätzt. So sehr, dass es ihm ein Leben mit vielen Möglichkeiten finanziere, von denen er nie zu träumen gewagt habe.